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Die Reihefahrten der Horneburger Schiffer

im 19. Jahrhundert

mit Berichten aus der Schifffahrt des Fleckens

 

von Dr. Hans-Georg Augustin

Herausgegeben: 2001
Quellen und kleine Beiträge Nr.: 21

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Inhaltsverzeichnis

A. Einführung

B. Die Zeit von 1796-1808

1. Der Apotheker und Schiffer Maehl beantragt ein Fährreglement

2. Eine Klage des Schiffers Jahnsen

3. Die Sozietät (=Gesellschaft) der Horneburger Schiffer

C. Vorläufiges Ende der Reihefahrten 1809

1. Eine Anzeige gegen den Schiffer Heitmann

2. Heitmann legt Beschwerde beim Burggericht ein und scheitert

3. Heitmann wendet sich an die Regierung in Stade

4. Stellungnahme des Burggerichtes zum Fall Heitmann

5. Die Reihefahrten werden aufgehoben

D. Rückkehr zur Reihefahrt im Jahre 1816

1. Auswirkungen der „freien Schifffahrt“ in Horneburg

2. Beweiserhebungen des Burggerichtes

3. Bericht des Burggerichtes an die Regierung in Stade

4. Erneute Anordnung der Reihefahrten

E. Das Schifffahrtsreglement aus dem Jahre 1816

F. Zwiespältige Situation des Horneburger Burggerichtes

G. Ordnung der ElbSchifffahrt durch die Elbschifffahrtsakte im Jahre 1822

H. Auswirkungen der ElbSchifffahrtsakte auf die Reihefahrten

1. Zweifel an den Fahrzeugen und Personen der Schiffer Petersen, Jahnsen und Köpke

2. Gutachten und ihre Folgen

3. Kautionen von Schiffern ohne Grundbesitz

4. Das Jahr 1823. Die ElbSchifffahrtsakte findet in Horneburg keine Anwendung

J. Schlußbemerkungen

Anhang: Der Verkauf eines Ewers

Quellen


A. Einführung

Zu den Standortnachteilen der Stader Geest in früheren Jahrhunderten zählt Kappelhoff ihre mangelhafte Verkehrserschließung. Es gab nur wenige Durchgangsstraßen. Ungefähr ab dem Jahre 1830 wurden die wichtigsten Straßen gepflastert, und auch das dauerte lange. So waren im Landdrosteibezirk Stade pro Quadratmeile im Jahre 1853 erst 0,9 Meilen der vorhandenen Straßen gepflastert. Bessere Verbindungen nach außen, so Kappelhoff, hatten durch die FlußSchifffahrt nur Horneburg über die Lühe und ein kleiner Zipfel des Amtes Himmelpforten bei Hechthausen/Engelschoff über die Oste. Im Jahre 1860 waren in Horneburg 6, im Amt Himmelpforten zehn Schiffe registriert; ihre Tragfähigkeit überschritt kaum 20 Tonnen.1)

Anmerkung: Diese Außenverbindungen der Stader Geest mit der Elbe über Oste und Lühe waren sowohl für die Geestleute als auch für die Anlegeplätze der Schiffe von großer Bedeutung, wie in dieser Abhandlung am Beispiel des Fleckens Horneburg gezeigt wird. Hinzu kamen für das Gebiet des heutigen Landkreises Stade noch die Verbindungen über die Schwinge ab Stade, über die Este ab Buxtehude, und schließlich ist die Verbindung durch die Schifffahrt des Alten Landes, die freilich anders strukturiert war (vgl. S.57), zu nennen. Die Bedeutung dieser Außenverbindungen wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß Oberschelp in seinen Untersuchungen über Niedersachsen im Zeitraum 1760-1820 als schiffbare Flüsse im Kurfürstentum Hannover nur Elbe, Weser, Aller, Leine, Oste, Ilmenau und Stechnitz nennt, Schwinge, Lühe und Este hingegen nicht zu den schiffbaren Flüssen zählt. Ihm dienten für seine Untersuchungen Tragfähigkeit und Tiefgang der Schiffe als Maßstab.2) Für Schlichtmann lag die Bedeutung der Schifffahrt generell auch in der von ihr zur damaligen Zeit vermittelten Sicherheit. Sie war „der sicherste Handels- und Verkehrsweg“ solange es kein „großzügig angelegtes Verkehrsnetz“ für Eisenbahn und Kraftfahrzeuge gab. 3)

Die folgenden Berichte über Begebenheiten in der Horneburger Schifffahrt stützen sich auf Akten des Staatsarchivs Stade über die Horneburger Schifffahrt 4) und den von den Schiffern gefahrenen Schiffen.5) Diese Akten wurden vom Verfasser nach Problemen ausgewertet, die im Zeitraum, der in diesem Bericht behandelt wird, auftraten. Es ist anzumerken, daß durchaus eine andere Ordnung des Stoffes denkbar ist. Lücken in den Akten mußten in Kauf genommen werden.

Durchaus verständlich ist die Frage, warum sich ein Handwerksmuseum, hier das Museum der Samtgemeinde Horneburg, überhaupt mit dem Gewerbe der Schiffer des Fleckens und seiner von Kappelhoff erwähnten Außenverbindung befaßt. Für die Beschäftigung mit diesem Gewerbe hat das Horneburger Museum gute Gründe.

Erstens ist an das Thema des Museums bei seiner Errichtung zu erinnern. Der Schwerpunkt des Museums liegt auf jenen Handwerksberufen, die in Horneburg sehr eng mit der früheren Funktion des Fleckens als Verkehrsknotenpunkt, zu dem auch die Schifffahrt gehörte, verbunden waren. In diesem Knotenpunkt konnte man „ausspannen“, und das war für die Horneburger Schifffahrt von Bedeutung. Sie lebte nämlich nicht nur von Horneburgern, die Frachten per Schiff versenden oder mit dem Schiff reisen wollten, sondern in beachlichem Umfang auch von Geestbauern und Geestleuten, die das gleiche Anliegen hatten. Um nach Horneburg an die Schiffe zu kommen, mußten sie mit Pferdegespannen anreisen. Oftmals kamen diese Leute mit ihren Fuhrwerken erst am Nachmittag oder gar am Abend an und mußten zum Teil“ausspannen“, bevor sie am anderen Tage mit dem Schiff weiterreisen konnten.

Die Beschäftigung des Horneburger Museums mit dem Gewerbe der Schiffer vermittelt zweitens Erkenntnisse über das Leben im Flecken der früheren Zeiten, über das Wirken des Burggerichtes, seine Verbindung zur höheren Verwaltungsinstanz und über den Einfluß beider Behörden auf die Ausübung eines Gewerbes.

Und drittens ist daran zu erinnern, daß das Gewerbe der Schiffer selbst bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zum Handwerk gehörte; es wurde dann von der Statistik herausgenommen.6) Die Horneburger Schiffer hatten oft auch die gleichen Probleme und Forderungen wie sie aus dem Handwerk damaliger Zeiten bekannt sind bis hin zu dem Wunsch, eine Innung – wie sie es in Stade oder Buxtehude gab – bilden zu dürfen; sie äußerten ferner – wie teilweise das Handwerk auch – die Bitte, seitens der Obrigkeit möge die Zahl der zur Schifffahrt Berechtigten begrenzt werden.

Natürlich ist es nicht möglich, den Zeitpunkt anzugeben, ab dem von Horneburg aus überhaupt die Schifffahrt über die Lühe auf die Elbe begann. In einer Eingabe an die „Herren Burgmänner“ vom Juli 1796 erinnern Horneburger Schiffer daran, „daß allhier zu Horneburg seit beständigen Zeiten wir Schiffer gewesen sind.“ Im August des gleichen Jahres heißt es, daß schon „seit undenklichen Jahren“ ihre „Vorfahren die Schifffahrt von hier auf Hamburg alle Sonntage und Montage“ gehabt hätten. Im Jahre 1805 heißt es schließlich in einer Eingabe der Schiffer an das Horneburger Burggericht, daß sie und ihre Vorfahren schon fast zweihundert Jahre im Besitz der Fährgerechtigkeit seien und diese auch ausgeübt hätten.

Mit solchen Formulierungen ging es den Schiffern keineswegs um den Beginn der Schifffahrt überhaupt sondern vielmehr um den Beginn der obrigkeitlich – gemeint sind das Horneburger Burggericht und die Regierung in Stade – geregelten Schifffahrt.

Anmerkung: Nach den Bemerkungen der Schiffer aus dem Jahre 1805 müssen sie also seit Anfang des 17. Jahrhunderts im Besitz der Fährgerechtigkeit gewesen sein. Unwahrscheinlich erscheint das nicht, wenn man bedenkt, daß die erste überlieferte Fährordnung im benachbarten Stade aus dem Jahre 1596 stammt.7) Zur Frage des Beginnes der Schifffahrt in den Marschen an Elbe und Weser bemerkte Tiedemann im Jahre 1970, daß sie vom „Mittelalter bis auf den heutigen Tag“ betrieben werde.8)

Die Formulierung der Schiffer, alle Sonntage und Montage die Fahrt nach Hamburg gehabt zu haben, ist bereits Bestandteil einer obrigkeitlichen Regelung. Was mit diesem Begriff gemeint ist, geht aus einem Regiminus der Horneburger Burgmänner vom 16. Mai 1809 an die „hohe Bremen und Verdensche Regierung“ in Stade hervor. Für die Fahrten nach Hamburg und Altona war eine Konzession der Burgmänner erforderlich. Die so mit einer Konzession versehenen Schiffer hatten das alleinige Recht, an obrigkeitlich bestimmten Tagen einer jeden Woche in einer bestimmten Reihenfolge, die unter den Konzessionierten abwechselte, Frachtfahrten nach Hamburg und Altona zu unternehmen. Diese Fahrten wurden Reihefahrten genannt, die einzelnen Schiffe fuhren der Reihe nach. Das regelmäßige Fahren an bestimmten Tagen von Horneburg nach Hamburg und Altona war also eine Fähre, weshalb die dergestalt Konzessionierten auch als Fährschiffer bezeichnet wurden. Diese Reihefahrten bilden den Schwerpunkt dieses Berichtes.

Befördert wurden Passagiere, Leute mit Möbeln, wenn sie ihren Wohnsitz nach Hamburg oder Altona verlegen wollten, Leute, die Waren und Victualien – z.B. Hühner, Eier, Gänse und Butter – in den beiden Elbstädten zum Verkauf anboten, ferner Holz, Torf und Mauersteine, alles Landesprodukte, wie das Horneburger Gericht einmal bemerkte. Es wurden auch Geldbriefe für Kaufleute mitgenommen. Schlichtmann mißt dem am Ende des Marschdammes an der Lühe gelegenen Horneburger Hafen keine große Bedeutung bei und bezeichnet ihn als klein. Dennoch verkennt er die Verkehrsfunktion des Hafens nicht und weist darauf hin, daß von Horneburger Schiffern nicht nur Hamburg und Altona beliefert wurden sondern auch die Ortschaften, die am 11 Kilometer langen Wasserlauf bis zur Lühemündung lagen. Als Frachtgüter nennt er Kartoffeln, Feldsteine von der Geest, Horneburger Bier und Eichenkrummholz für den Holzschiffbau.9)

Die Rückfracht bestand in Waren für das „Innere des Landes“, so das Horneburger Gericht im Jahre 1824. Als Beispiele für Rückfrachten nennt Tiedemann, der diese Schifffahrt als „BauernSchifffahrt“ bezeichnet, generell „Handwerks-, Manufaktur-, Fertig-, Kolonial- und Luxuswaren“10), Schlichtmann nennt als Anlandungen Kehdinger Ziegelsteine und „Getreide für die umliegenden Mühlen.“11)

Die Erteilung der Konzession zur FährSchifffahrt, die ein Privileg darstellte, war mit einer Gegenleistung der Schiffer verbunden. Wer an der Reihe war zu fahren, durfte an diesem Tage keine andere Fahrt unternehmen.

Neben den Fährschiffern gab es Schiffer, die nicht an den Reihefahrten teilnahmen. Sie durften zu jeder Zeit zum Beispiel „Holz, Torf und sonstige Güter verfrachten“, aber keine den Fährschiffern vorbehaltene Fracht nach Hamburg oder Altona an den Reihetagen transportieren. Eine Verpflichtung zu fahren oder sogar eine Reihe einzuhalten, bestand für sie nicht.

Außer nach Hamburg und Altona wurden – allerdings in geringerem Umfange – Fahrten elbaufwärts bis Lüneburg oder elbabwärts bis Ritzebüttel und selten bis in die Weser unternommen.

Der benutzte Schiffstyp war der Ewer. Über die Zahl dieser Schiffe, die in Horneburg registriert waren, gibt es in den Akten des Staatsarchivs eine Statistik für den Zeitraum 1824 bis 1853. Ihre Zahl schwankt in diesem Zeitraum zwischen 7 und 9 Schiffen, mit Ausnahme des Jahres 1844, in dem nur 5 registriert waren. Alle anderen in diesem Bericht genannten Zahlen aus den vorhergehenden Jahren sind in einzelnen Schriftsätzen der Akten enthalten.

Über die Größe der Schiffe berichtete das Horneburger Gericht im Jahre 1824, daß die Schiffe „nicht über 4 1/2 und nicht unter 3 Lasten“ tragen; zur Besatzung hielt der Gerichtsdiener Flachsbarth in einer Übersicht über die Größe der einzelnen Schiffe fest: „hiesige Schiffer Fahren alles mit 2 Mann.“ Erst Mitte der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurden Größen von etwa 8 Lasten erreicht.

Anmerkung: 1 Last waren 4000 Pfund bzw. 2 Tonnen.12)

Gefahren wurden die Schiffe mit einer Besatzung von 2 bis 3 Mann einschließlich des Schiffsführers. Gebaut oder repariert wurden die Schiffe auf Werften des Alten Landes. In Horneburg gab es keine Werften.

Keineswegs war die Horneburger Schifffahrt eine Einkommensquelle für die Schiffer allein, wie aus einem Vorgang des Jahres 1764 ersichtlich ist. Nach einer Verordnung aus diesem Jahre mußte auf Victualien eine Taxe gesetzt werden. Seitens des Horneburger Gerichtes geschah das auch, nicht jedoch in Buxtehude und Stade. Die Folge war, daß die Geestbauern und Fuhrleute sich nach diesen Städten orientierten und die Dienste der dortigen Schiffer in Anspruch nahmen. Statt wie vor Inkrafttreten der Verordnung wöchentlich mit 2-3 beladenen Schiffen zu fahren, konnten Horneburger Schiffer jetzt nur noch eine Frachtfahrt, oft auch mit einem nur halb beladenen Schiff, unternehmen. Die Schiffer fürchteten, brotlos zu werden und vergaßen nicht, zu bemerken, daß sie bei längerem Andauern dieser Verhältnisse auch nicht im Stande wären, „unserm allergnädigsten König ebensowenig als unseren Hochwohlgebohrenen Guts Herren das Ihrige abzutragen und die nachbarlichen onera zu entrichten.“

Ob die Schiffer ihre Lage übertrieben negativ dargestellt haben, mag dahingestellt bleiben. Recht hatten sie mit ihrem gleichzeitig vorgetragenen Hinweis auf die grundsätzliche Verbindung der Horneburger Schifffahrt mit dem übrigen Gewerbe des Fleckens, dem die Schifffahrt auch Verdienst brachte. Fuhrleute und Passagiere mußten oftmals – wie schon gesagt – übernachten und sich beköstigen. Kamen die Verkäufer der Frachtgüter aus Hamburg zurück, gaben sie wiederum einen Teil ihres Erlöses in Horneburg für Waren aus, die sie mit nach Hause nahmen; genannt werden z.B. Bier, Branntwein, Sauer (=Essig), Salz und Tran. Die Schiffer zogen aus diesem Sachverhalt die richtige Folgerung: „Je mehr Leute also kommen, je mehr Nahrung bringt es dem hiesigen Platz.“ Sie baten daher um Hilfe der Burgmänner.

Der Vorgang wurde vor allem dargestellt, um die Bedeutung der Schifffahrt für den Flecken Horneburg in früheren Jahrhunderten deutlich zu machen und um zu zeigen, wo die Möglichkeiten der Burgmänner und des Burggerichtes lagen, das Wohl von Einwohnern und Gewerbe des Fleckens zu fördern.

Anmerkung: Die Auswirkungen von Vorgängen in einem Wirtschaftszweig oder Gewerbe in anderen Zweigen oder Gewerben wird in der Wirtschaftswissenschaft Interdependenz genannt. Es ist anzunehmen, daß die Schiffer diesen Begriff noch nicht kannten, der Sachverhalt ihnen aber sehr wohl bekannt war.

In den folgenden Abschnitten werden nun Einzelheiten und Probleme der Horneburger Reihefahrten dargestellt.


B. Der Zeitraum von 1796 bis 1808

1. Der Apotheker und Schiffer Maehl beantragt ein Fährreglement

Am 18. Juli 1796 erreichte die Burgmänner des Fleckens eine „Unterthänig gehorsamste Vorstellung und Bitte von Seiten der Eigenthümer der Fährschiffe allhier Maehl & Consorten Suplicanten“. Sie war von dem Horneburger Apotheker und Schiffer Mähl verfaßt. Er bat in dieser Vorstellung, ein Fährreglement (in der Akte: Fährde Reglement) zu erlassen.

Anmerkung: Unter Vorstellung ist eine Eingabe oder ein „vorstellig werden“ zu verstehen. Die Antragsteller wurden in der damaligen Amtssprache „Suplicanten“ (heutige Schreibweise: Supplikanten) genannt.

Nach der Darstellung des Apothekers fuhren die Horneburger Schiffer ursprünglich mit zwei Fährschiffen in Reihefahrt nach Hamburg und Altona. Sie hatten dann zusätzlich ein drittes Schiff nur zum Transport von Vieh, vor allem Ochsen, angeschafft. Als dieses Schiff unbrauchbar geworden war, wurde es verkauft. Maehl selbst hatte einige Jahre vor seinem obigen Antrag an die Burgmänner die Konzession zur FährSchifffahrt mit einem eigenen Schiff erhalten; zum Zeitpunkt seiner Eingabe wurde also mit drei Fährschiffen nach der Reihe gefahren. Der Apotheker betonte, daß diese Schiffe in gutem Zustande und sicher seien, was auch im Interesse des Ortes und des Commerces liege.

Das alles setzte er als den Burgmännern bekannt voraus und kam nun zu seinem eigentlichen Anliegen. Er vertrat die Auffassung, daß drei Fährschiffe für die Bewältigung des von Horneburg abgehenden Transportvolumens völlig ausreichten. Schon eine geringe Vergrößerung dieser Zahl bedeutete nach seiner Meinung eine Schmälerung des nötigen Verdienstes. Die Schiffer seien dann, so trug er weiter vor, nämlich nicht mehr in der Lage, ihre Schiffe in dem für die Sicherheit notwendigen Zustande zu erhalten.

Da den Burgmännern das Wohl des Ortes „so sehr am Herzen“ liege, fuhr Mähl fort, müßten sie an einer zweckmäßig eingerichteten und sicheren Fähre Interesse haben. Er schlug ihnen Maßnahmen vor, mit denen seines Erachtens sowohl den Schiffern als auch dem Flecken gedient sei, und sah folgende Regelungen als geeignet und notwendig an:

  1. Begrenzung der Anzahl der Fährschiffe auf drei. Er wollte also keinen Ersatz für den verkauften Ochsenewer.

  2. Nach Begrenzung der Zahl der Fährschiffe sollte ein Fährreglement erlassen werden, in dem die Reihefahrt der Schiffer ein für allemal festgesetzt wurde.

  3. Nur mit den durch das Horneburger Reglement begünstigten Schiffen sollten Güter vom Flecken versandt werden dürfen. Das bedeutete ein Verbot für alle anderen Schiffe, in Horneburg Fracht zu laden.

Maehl strebte also ein völlig geschlossenes Angebot für alle von Horneburg abgehenden Frachtfahrten an.

Anmerkung: Der Leser mag erstaunt sein, daß ein Apotheker auch das Schiffergewerbe ausübte. Hier ist der Hinweis angebracht, daß Apotheker früher wie die Schiffer Handwerker waren, also anders als heute zum Gewerbe zählten, weil sie Kräuter, Samen, Wurzeln und Rinden verarbeiteten.13) Mähl übte also – wie es das heute auch gibt – mehrere Handwerksberufe aus und war auch nicht der einzige Horneburger Schiffer, der sich nur auf ein Gewerbe beschränkte. Solches Verhalten war auch notwendig, weil die Schifffahrt allein kaum eine Existenz ermöglichte.

Es ist allerdings zu bezweifeln, ob der vom Apotheker und Schiffer Maehl erweckte Eindruck, im Namen aller Schiffer zu sprechen, tatsächlich zutrifft. Wenige Monate vor seinem Antrag, im April 1796, hatten Horneburger Schiffer dem Burggericht, wohin sie zur Klärung von Differenzen geladen waren, mitgeteilt, daß Maehl seinen halben Ewer an einen Einwohner des Alten Landes verkauft hatte, der sich nun das Recht zur Reihefahrt herausnehme. Das löste nicht nur Unmut sondern auch Widerstand aus. Die Schiffer konnten, wie sie erklärten, nicht gestatten, daß ein Auswärtiger als Horneburger Schiffer fahre, da er nicht im Flecken ansässig sei und daher auch keine „Bürgerlichen Onera abhielte“, also keine von den Einwohnern zu entrichtenden Abgaben leistete. Sie behielten sich vor, bei den Burgmännern vorstellig zu werden und um „Abhilfe dieses widerrechtlichen ihnen so sehr zum Nachtheil gereichenden Hochfahrens zu bitten.“

Weitere Zweifel daran, daß Maehl als Sprecher der Schiffer anzusehen ist, wurden etwa einen Monat nach seinem Antrag auf Erlaß eines Fährreglements bestätigt, als sechs Schiffer beim Burggericht vorstellig wurden. Sie erklärten, daß die Fahrten der Schiffer am Sonntag und Montag immer geschützt wurden. Offenbar als Beweis gedacht, verwiesen sie auf den Schiffer Rieger, der vor 30 Jahren eine Horneburger Bürgerwitwe geheiratet und sich ein Schiff angeschafft habe. Der Präsident von Düring hatte damals verfügt, daß er zwar fahren dürfe, aber nur am Dienstag, er war also nicht in die für Sonntag und Montag bestehende Reihe aufgenommen.

Als Rieger den Ort verließ und sein Schiff verkauft wurde, hatten sie in „Commün“ einen dritten Ewer angeschafft, der zum Transport von Vieh, vornehmlich Ochsen, verwendet wurde; dieser Ewer war, das hatte auch schon Maehl vorgetragen, unbrauchbar geworden.

Die Anschaffung eines eigenen Ewers durch Maehl und die Erteilung einer Konzession zur Reihefahrt wäre nach Meinung der Schiffer nicht passiert, wenn nicht zwei von ihnen erkrankt gewesen und der Sohn eines Schiffers nicht mit einem hamburgischen „Kauffahrdey Schiffe“ in einem französischen Hafen festgehalten worden wäre.

Zu der Zeit als Maehl seine Eingabe beim Gericht einreichte, ließen zwei seiner ehemaligen Schifferknechte (In den Akten werden die Gehilfen eines Schiffers oft als Knechte bezeichnet.) für den verkauften Ochsenewer einen neuen Ewer bauen, der fast fertig war. Sie hatten diesen Schritt nur getan, weil sie sich mit Maehl, der sein Schiff verkaufen wollte, nicht über den Kaufpreis einigen konnten. Maehl verlangte außer dem Kaufpreis zusätzliche Leistungen der Käufer. Er wollte von ihnen Zeit seines Lebens neben Apothekenwaren Wein, Franzbranntwein, Gewürze und Hökerwaren, die er auch führte, frachtfrei nach Hamburg und zurück transportiert haben. Es war den ehemaligen Gehilfen nicht möglich, diese Forderungen anzunehmen, und Maehl hatte daraufhin eine Hälfte seines Schiffes an einen Altländer verkauft und die ihm verbliebene Hälfte an einen Altländer verheuert.

Das gesamte Verhalten des Apothekers erregte nicht nur den Zorn und Widerstand der anderen Schiffer, sondern sie waren auch noch von Neid gegen ihn erfüllt. Ein bemittelter Mann, der sein reichliches Auskommen habe, so schrieben sie in ihrer Eingabe, nehme ihnen das „Brod“, wenn er sein Schiff durch Auswärtige fahren lasse. Um nicht ruiniert zu werden, baten sie um Schutz für ihre drei Ewer und darum, es bei der von altersher bestehenden Verfügung zu belassen, nach der an den ersten drei Tagen jeder Woche die Reihefahrt galt.

Bereits hier wird deutlich, daß es mit Sicherheit schon im Jahre 1796 eine obrigkeitliche Regelung der Reihefahrten der Horneburger Schiffer gegeben hat. Ein vollständiger Wortlaut dieser Regelung ist nicht bekannt, so daß sie auch nicht mit dem von Mähl angestrebten Reglement verglichen werden kann.

Der Verwalter des Burggerichtes legte die eingereichten Schriftsätze dem Oberforstmeister von Düring vor, der vor Jahren das nicht mehr vorhandene Reglement entworfen hatte, bat ihn um Stellungnahme und anschließende Vorlage bei den Burgmännern „zur Consultation und Abgebung ihres Votums“ im Umlaufverfahren. Im übrigen bezweifelte der Horneburger Gerichtsverwalter unter Hinweis auf die Äußerungen Horneburger Schiffer, daß Maehl im Namen aller Schiffer sprechen könne.

Von Düring bezeichnete es als hart, wenn den beiden ehemaligen Gehilfen von Maehl keine Konzession erteilt werde, was seines Erachtens von dem Apotheker angestrebt wurde, da ihr Ewer nur an die Stelle des „eingegangenen“ Ochsenewers trete. Er schlug vor, daß die Fährfahrt am Sonntag unter den vier Schiffen umgehe. Gleichzeitig hielt er es für notwendig, festzusetzen, daß nur „wirkliche“ Einwohner des Fleckens die Schifffahrt ausüben durften, da es gegen alle Billigkeit sei, wenn Auswärtige den Horneburgern die „Nahrung“ entziehen könnten. Dieser Vorschlag war das Ergebnis des Verkaufes, den der Apotheker für eine Hälfte seines Schiffes vorgenommen hatte. Demnach sollte Mähl die Schifffahrt künftig nur ausüben dürfen, wenn er sich an diese Bestimmung hielt.

Schließlich empfahl von Düring, zu bestimmen, daß für die Zukunft nur dann eine Konzession für weitere Schiffe erteilt werde, wenn sich zeige, daß mit den vorhandenen das in Horneburg vorhandene Transportvolumen einschließlich der Passagiere nicht bewältigt werden könne.

Nach Beendigung des Umlaufverfahrens verkündeten die Burgmänner am 13. Dezember 1796 ihre Entscheidung. Sie lehnten die Begrenzung der Zahl der Fährschiffe auf drei ab und ließen die beiden ehemaligen Gehilfen des Apothekers zur Schifffahrt zu, da ihr Schiff an die Stelle des alten Ochsenewers getreten sei und die Zahl der Fährschiffe somit unverändert bei vier bleiben solle. Sie verfügten weiter, „daß es in Ansehung der Reihe wie die Schiffe miteinander Wechseln es bey dem einmahl gegebenen Reglement nach welchem wenn der eine am Sonntage der andere am Montage und so weiter gefahren und in der anderen Woche der welcher am Montage gefahren, am Sonntage und der welcher Sonntage gefahren, zuletzt fährt und es so unter denen vier Schiffen abwechselt, sein Verbleiben haben soll.“ Das alles sollte nur gelten, wenn der Apotheker Maehl seinen Ewer von Ortseinwohnern und nicht von Auswärtigen fahren lasse. Sollte das nicht der Fall sein, wurde bestimmt, das der Wechsel unter den Verbleibenden von Sonntag bis Dienstag stattfinde.

Sowohl der Antrag des Apothekers Maehl als auch die obige Entscheidung der Burgmänner machen deutlich, daß sich die Konzessionen immer auf die Zahl der Schiffe und nicht auf die Zahl der Schiffer bezogen. Beiden Gehilfen des Apothekers wurde die Ausübung der Schifffahrt mit einem gemeinsamen Schiff erlaubt. Ob eine derartige Erlaubnis in Horneburg immer bestand, läßt sich aus den Akten nicht ermitteln. In Stade wurde durch die im Jahre 1661 erlassene neue Fährordnung gestattet, daß zwei Fährschiffer gemeinsam ein Fährschiff halten konnten. Vorher bestand die Verpflichtung, daß jeder konzessionierte Schiffer einen eigenen Ewer halten mußte.14)

Im Februar 1797 erschien Maehl erneut vor dem Burggericht und erklärte, daß er nach Erhalt der Konzession zur Reihefahrt vor ein paar Jahren „die Zeit nicht convenabel gefunden“, von dem ihm verliehenen Recht Gebrauch zu machen. Er hatte, so seine Erklärung, den Ewer an einen Horneburger Einwohner verkauft. Diesem waren von den Burgmännern Konzession und Fährgerechtigkeit verliehen, und das wolle er dem Gericht anzeigen und beantragen, dieses den hiesigen Schiffern zur Vermeidung von Schwierigkeiten zu eröffnen.

Solches geschah noch am gleichen Tage. Das bestehende Reglement wurde daher wie folgt geändert: „daß derjenige Schiffer der am Sonntage gefahren, in der darauf folgenden Woche am Mittwochen, wer hingegen am Montage gefahren am nächsten Sonntage, und der am Dienstage gefahren wiederum am folgenden Montag und endlich wer am Mittwochen gefahren am nächst darauf folgenden Dienstag fahren und so mit Alternativa das ganze Jahr hindurch miteinander abwechseln und solches auf das genaueste mit der Schifffahrt vom heutigen Dato an gehalten und nachgelebt werden sollte.“

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß Maehl persönlich nicht erfolgreich war. Die Höchstzahl der zur Reihefahrt zugelassenen Schiffe betrug weiterhin vier und nicht drei, wie er es sich gewünscht hatte. Auch sollten, und das hatte der Apotheker ebenfalls nicht beantragt und nicht gewollt, nur Ortseinwohner zur Schifffahrt zugelassen werden. Maehl hatte nur von begünstigten Schiffen gesprochen, die berechtigt sein sollten. Das ist aus seiner Sicht verständlich, weil er sich damit die Möglichkeit des Verkaufes seines Ewers an einen auswärtigen Schiffer reservieren wollte. Andererseits ist zu bemerken, daß die Idee des Apothekers auf Begrenzung der zur Reihefahrt berechtigten Schiffe durchaus dem Denken der Burgmänner zugrunde lag. Dafür gibt es zwei Anzeichen. Erstens sollte die Zahl der Schiffe nur noch drei betragen, wenn Maehl sein Schiff an einen Auswärtigen veräußerte und zweitens ist die Erklärung der Burgmänner zu nennen, daß eine Erhöhung der Anzahl über vier hinaus nur erfolgen solle, wenn die Kapazität der vorhandenen Schiffe nicht mehr ausreichte. Sie waren überzeugt – wie noch im vergangenen Jahrhundert vielfach staatliche Lenkungsbehörden – den Bedarf ermitteln zu können und dementsprechend zu entscheiden. Die Funktionen des Marktes, wie sie in der Wirtschaftswissenschaft entwickelt wurden, waren noch nicht allzu weit in das Bewußtsein von Staat und Gesellschaft gedrungen.

Anmerkung: Das erste grundlegende Werk des Engländers Adam Smith aus dem Jahre 1776, das die Funktion des Marktes beschreibt, erschien in deutscher Übersetzung in drei Bänden erst in den Jahren 1794-1796 unter dem Titel: Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes.15)

Wer der Meinung ist, mit der dargestellten Regelung der Reihefahrten, wie sie die Horneburger Burgmänner getroffen hatten, sei ein geordneter Fährbetrieb nach Hamburg und Altona zustande gekommen, den lehren die Akten das Gegenteil. Die Unterlagen berichten häufig von gegenseitigen Beschuldigungen unter den Schiffern verbunden mit Denunciationen beim Burggericht, das die Aufsicht über die Schifffahrt führte. Dazu Beispiele:

Bereits zehn Tage nach Erlaß der oben dargestellten Reiheordnung brachte der Schiffer Behrens für sich und die übrigen Schiffer zur Anzeige, daß der Käufer des Ewers von Maehl eine Verletzung der Reiheordnung dadurch begangen habe, daß er die ihm zustehende und auch obliegende Reihefahrt nicht wahrgenommen habe, sondern sich mit seinem Schiffe „dem Verlauten nach“ in Kehdingen befinde. Um die Passagiere nicht warten zu lassen und die Transporte nicht zu verzögern, hatten sie das einzig Richtige getan und die ihnen nicht zustehende Reihefahrt selber unternommen. Das Gericht billigte nachträglich diese Eigeninitiative der Schiffer und erklärte, daß der sich in Kehdingen aufhaltende Schiffer im Wiederholungsfalle seiner Konzession verlustig gehe. Die Gründe für die Abwesenheit klärte das Gericht nicht auf.

Anmerkung: Der Vorgang ist ein Hinweis auf den geringen Freiraum, den die Fährschiffer bei der Ausübung ihres Gewerbes hatten, wenn eine von ihnen unternommene richtige Handlungsweise noch der nachträglichen Genehmigung bedurfte.

Bei aller Regelung der Reihefahrten gab es unter den Schiffern auch Streitigkeiten darüber, wem an einem bestimmten Tage die Fahrt zustehe. Solcher Zwist konnte z.B. entstehen, wenn einer, der die Tagefahrt zu machen hatte, seiner Pflicht wegen länger dauernder Reparaturen an seinem Schiff nicht nachkommen konnte, ein anderer für ihn fahren mußte und nach Beendigung der Reparaturen wieder in die Reihefahrten eintreten wollte. Auch Frostwetter ist als Quelle von Streitigkeiten zu nennen, wenn einer glaubte, nicht fahren zu können und ein anderer dennoch fuhr. Solche Fragen wurden vor das Gericht gebracht und das erbeten, was man heute eine Grundsatzentscheidung nennt. Streit konnte auch entstehen, wenn ein neu konzessionierter Schiffer in die Reihe eintreten sollte, und seine Vorstellungen über den Beginn seiner Fahrten nicht mit der Meinung der bereits vorhandenen konzessionierten Schiffer übereinstimmte.

In allen geschilderten Beispielen bemühte sich das Gericht um gütliche Lösungen; in späteren Zeiten, darüber wird noch berichtet, wurden auch Geldstrafen verhängt.

2. Eine Klage des Schiffers Jahnsen

Im Jahre 1800 wurde den Schiffern Jacob Wahlen und Hans Meyer die Konzession zur Schifffahrt und die Fährgerechtigkeit erteilt. Sie waren keine alten Horneburger Einwohner, sondern ursprünglich im Alten Lande beheimatet und hatten den Ewer, der bislang dem aus Horneburg „entwichenen“ Schiffer Voigt und davor dem Apotheker Maehl gehörte, gekauft. Wahlen hatte sich auch, damit der früheren Entscheidung der Burgmänner Rechnung tragend, in Horneburg eine Wohnung genommen. Ihren einwandfreien Leumund hatten das Wisch-Gericht für Wahlen und das Grefengericht in Jork für Meyer bestätigt. Die Konzession wurde sicherlich erteilt, weil der fragliche Ewer schon bisher zu den concessionierten Fährschiffen gehörte. Mit der Konzession wurde die Hoffnung und Erwartung verbunden, daß Wahlen und Meyer sich als getreue Untertanen erweisen und das ihnen ausgehändigte Reglement befolgen würden.

Ganz anders verlief der Fall des Horneburger Bürgers Jürgen Heinrich Jahnsen, der am 3. August 1805 gegen die Schiffer Lorenz Ungefrohren, Claus Barmföhr und Hinrich Cordes Klage wegen verweigerter Schifffahrt erhob. Er hatte sich ein Schiff gekauft, mit dem er sonntags und montags, an den Hauptfrachttagen, nach Hamburg fuhr. Die Beklagten behaupteten, so Jahnsen in seiner Klageschrift, zu diesen Fahrten ein ausschließliches Recht zu besitzen und wollten ihm nur die Fahrt am Dienstage erlauben. Jahnsen vertrat in seiner Klage dagegen die Meinung, in Horneburg herrsche freie Schifffahrt und bat das Gericht, sowohl ihm als auch den Beklagten die Schifffahrt an jedem beliebigen Tag zu gestatten; er ersuchte das Gericht auch, die Beklagten anzuweisen, ihm keine Hindernisse in den Weg zu legen.

Der Kläger Jahnsen zweifelte also die Rechtmäßigkeit der Reglementierung der Horneburger Schifffahrt durch Reihefahrten an.

Diese Klage legte das Burggericht den Burgmännern, bei denen die Kompetenz zur Erteilung von Konzessionen lag, vor und empfahl, die Konzession „hochgnädigst“ zu erteilen. Bei dieser Empfehlung ließ sich das Gericht allerdings nicht vom Grundsatz der freien Schifffahrt leiten, sondern bewegte sich im Rahmen der örtlichen Regelung.

Nach Darstellung des Gerichts besaß Jahnsen in früheren Zeiten im Flecken zwei Bürgerstellen, die er verkaufte, um woanders „besser fort zukommen.“ Das erwies sich als Fehlschlag, so daß er jetzt zur Miete wohnte, trotzdem aber als Eingesessener zu gelten hatte. Nach dem Reglement des Jahres 1796, so das Gericht, sei die Zahl der Fährschiffe auf vier begrenzt, ihre Zahl betrage gegenwärtig aber nur zwei. Diese Kapazität erschien dem Gericht unzureichend. Ein Anzeichen für diese Auffassung erblickte das Gericht darin, daß in Horneburg oftmals Schiffe aus dem Alten Lande befrachtet wurden. Das Gericht zog daraus die Folgerung, daß die Zahl der Fährschiffe wieder auf vier erhöht werden und mit der Konzession für ein weiteres Schiff auch das Recht zur Reihefahrt verbunden werden müsse, denn ohne dieses Recht würde sich kein Schiffer finden lassen, da er aus anderen Fahrten nicht genug Heuer erzielen könne.

„Demnach“, so fuhr das Gericht fort, „müssen alle Schiffe welche concessioniert werden gleiche Rechte haben, und können sich die vorhin concessionierten wenn dem Supplicanten der die nöthigen Requisite besitzt nämlich ein Eingesessener ist und man auf dessen Lebenswandel nichts zu bemängeln weiß, gleichfalls die Concession ertheilt wird sich nicht darüber beschweren weil vorhin schon 4 Schiffe concessioniert waren.“

Entgegen der Vermutung des Gerichtes erhoben die Beklagten sehr wohl Einwendungen, vermutlich von einem Bevollmächtigten abgefaßt. Sie bezweifelten, daß Jahnsen über die Verfassung der Horneburger Schifffahrt orientiert war. Sonst müsse er ihrer Auffassung nach wissen, daß kein Eingesessener oder Fremder ohne Genehmigung der Burgmänner als Fährschiffer tätig sein dürfe. Sie hielten die Klage daher für unstatthaft, d.h. rechtswidrig, und anmaßend.

Nach ihren Worten mußten sie sich zur Zeit des Rechtsstreites kümmerlich ernähren, da der Handel durch die Kriegsereignisse sehr gelitten habe und Kriegslasten sie nun seit über zwei Jahren schwer drückten.

Anmerkung: Vom Jahre 1803 bis zum Jahre 1805 war Horneburg von französischen Truppen besetzt. Über diese Zeit schreibt der aus Horneburg gebürtige Wilhelm Meyn im Jahre 1956: “ In dieser Zeit machte sich in allen Teilen der Bevölkerung auch in unserem Orte wirtschaftliche Not spürbar. Der Handel erlitt durch die Sperrung der Elbe eine große Schädigung, der Marktverkehr war gestört, Post und Frachtwagen wurden nach englischen Waren durchsucht.“16)

Die Beklagten ließen keinen Zweifel daran, daß sie von den „hochweisen“ Burgmännern die Ablehnung des Begehrens des Klägers Jahnsen erhofften. Völlig unverständlich war ihnen, daß Jahnsen -„der Himmel weiß aus welchen Gründen“ – seine einstige Brau- und Brennerei mit Gastwirtschaft aufgegeben habe, weil doch ein solches Gewerbe noch immer die sicherste Einkommensquelle sei. Der einstmals angesehene Bürger war Häusling geworden und wolle nun, so die Beklagten, zum Schiffer „metamorphieren.“ Die Gewährung einer Konzession bedeutete für sie, nach ihrem Vortrag, den Bettelstab und außerdem „dann wohl so viel als dem Faß den Boden ausschlagen.“

Als allgemein bekannt bezeichneten es die Beklagten, daß es genug Schiffer in Horneburg gebe. Sie zählten eine Reihe von Schiffern auf, die in den letzten zehn Jahren „ihre Segel gestrichen“ hatten, „bei Nacht und Nebel“ verschwunden waren und rechtschaffene Leute betrogen hätten. Bei dieser Aufzählung vergaßen sie nicht ihren ehemaligen Kollegen Maehl, der „bei seiner alles durchdringenden spekulativistischen Größe“ in der Schifffahrt „seine Rechnung“ nicht gefunden und daher dieses Gewerbe aufgegeben hatte. Ihre Hoffnung war, daß der Kläger mit seiner Klage gegen den „Velsen“ laufen werde.

Anmerkung: Jahre später, 1817, scheiterte Maehl an der ihm zugeschriebenen spekulativen Größe. Er strebte damals eine Übereinkunft mit seinen Gläubigern an. Der angestrebte Vergleich kam nicht zustande mit der Folge, daß Maehl im sich anschließenden Konkursverfahren sein gesamtes Vermögen verlor. Das Hausgerät, Betten, Leinzeug, eine kleine pharmazeutische Bibliothek, Einrichtung der Apotheke und selbsverständlich seine Immobilien wurden öffentlich gegen das Meistgebot zur Versteigerung ausgeschrieben. Im Laufe des sich lange hinziehenden Verfahrens trat damals auch die heute bekannte Erscheinung in solchen Verfahren zutage, daß kaum ein ausreichender Preis zu erzielen war.17)

Zum Schluß der Klageerwiderung wird das lateinische Zitat: Ne sutor crepidam zitiert, das dem deutschen Sprichwort “ Schuster bleib bei deinem Leisten“ entspricht. Die Beklagten meldeten mit diesem Sprichwort Zweifel an den seemännischen Fähigkeiten, an der persönlichen Eignung, des Klägers Jahnsen an. Er solle, so die Beklagten,“hübsch“ beim Brennen und Brauen bleiben, dann sei er nicht gezwungen, bei schlechter Witterung – wieder gebrauchten sie diesen Ausdruck – „die Segel zu streichen“, vergeblich nach einem sicheren Hafen zu suchen und er würde auch keine Menschen unglücklich machen.

In einem Decret vom 21. September 1805 verkündeten die Burgmänner ihre Entscheidung. Auf die Argumente für die Erteilung einer Konzession, die das Burggericht und Beklagte vorgetragen hatten, gingen sie im einzelnen nicht ein, auch nicht – mit Ausnahme eines Argumentes – auf Einzelheiten, die von den Beklagten vorgetragen wurden. Wohl überzeugt von der Rechtmäßigkeit der Horneburger Schifffahrtsordnung und überzeugt von einer unzutreffenden Rechtsauffassung des Klägers Jahnsen stimmten sie mit den Beklagten vielmehr darin überein, daß die Klage unstatthaft sei, indem sie erklärten, daß die „Sache keineswegs im Wege rechtens ausgemacht werden könne.“ Seitens der Burgmänner wurde vielmehr darauf verwiesen, daß die Erteilung einer Konzession bei ihnen beantragt werden müsse und ordneten an, den Kläger mit seiner „frivolen“ Klage ab und zur Ruhe zu verweisen.“

In den dem Verfasser zur Verfügung stehenden Akten gibt es keinen anschließenden Antrag von Jahnsen auf Erteilung der Fährgerechtigkeit. Mit Sicherheit hat er allerdings einen Antrag gestellt und eine Konzession erhalten. Das ergibt sich aus der Darstellung des Sozietätskontraktes der Horneburger Schiffer, an dessen Abschluß Jahnsen beteiligt war. Diese Sozietät wird im folgenden Abschnitt dargestellt.

3. Die Sozietät (= Gesellschaft) der Horneburger Schiffer

Ihr Ziel, die Zahl der zur Reihefahrt Konzessionierten zu begrenzen, gaben die Horneburger Schiffer nicht auf und versuchten es nicht mit weiteren Anträgen auf Änderungen des Reglements sondern wählten einen anderen Weg.

Am 25. Februar 1808 erschienen die Schiffer Jahnsen, Lorenz Ungefroren und Hinrich Kohrs auf dem Burggericht, entschuldigten den abwesenden Claus Barmför und ließen ein Protokoll über den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages aufnehmen. Es sollte, so erklärten sie ihre Motive für den Abschluß des Vertrages, in Zukunft nicht mehr jeder von ihnen seine Fahrten nach Hamburg auf eigene Rechnung vornehmen. Daraus waren, so gaben sie zu, für alle mancherlei Unstimmigkeiten und Nachteile entstanden. Die Folge davon war, daß fremde Schiffer diese Mißstände ausnutzten und in Horneburg anlegten, um Fracht zu laden. Daher hatten sie beschlossen, in „Gesellschaft und Compagnie“ zu treten und einen Gesellschaftsvertrag dergestalt abzuschließen, „daß Alles, was ein Jeder mit seinem Schiffe verdienen würde, allen gemeinschaftlich gehören solle.“ Sie erkärten auch, daß es bei dem von ihnen angestrebten gemeinschaftlichen Zweck leicht sei, das gesamte von Horneburg abgehende Transportvolumen fortzuschaffen. Weiter wollten die Schiffer mit ihrem Schritt eine vollkommene Schließung des Angebotes an Transportleistungen erreichen. Sie wollten ihren Lebensunterhalt durch Ausschalten der Konkurrenz sichern. Ihre Konkurrenten waren nach ihrem eigenen Bekunden Schiffer aus dem Alten Lande, die in Horneburg ihre Schiffe befrachteten. Die Schiffer verwiesen auch darauf, daß sie keinen sonstigen Erwerb hätten und bei der Festsetzung drückender Lasten keine Rücksicht auf sie genommen werde. So baten sie um zweierlei. Erstens sollte allen fremden Schiffen zukünftig untersagt werden, in Horneburg Frachten jeglicher Art zu laden und Passagiere zu befördern. Zweitens wollten sie erreichen, daß keinem weiteren Schiffer in der Zukunft erlaubt werde, sich in Horneburg niederzulassen und daß die Zahl der Gesellschafter auf vier festgesetzt werde.

Als Gegenleistung wollten sie die Verpflichtung eingehen, alle von Horneburg abgehenden Frachtgüter und Passagiere zu befördern, und sie wollten dafür sorgen, daß kein Monopol entstehe. Sie sagten auch zu, daß in der Ordnung der Reihefahrten und in den bisherigen Tagen dieser Fahrten keine Veränderung eintreten solle. Außerdem behielten sie sich vor, vom Gericht weitere Bestimmungen oder Verfügungen zu erbitten, wenn Unklarheiten wegen bestimmter Tage oder Sachen auftreten sollten.

Der zu Protokoll gegebene Gesellschaftsvertrag sah folgende Bestimmungen vor:

  1. Jeder von ihnen sollte sein Schiff auf eigene Kosten unterhalten. Es mußte zu jeder Zeit in einem solchen Zustande sein, daß es stets für den gemeinschaftlichen Zweck eingesetzt werden konnte.

  2. Am Ende einer jeden Woche sollte abgerechnet und der Verdienst in vier gleiche Teile geteilt werden. Dabei sollte keine Rücksicht darauf genommen werden, wieviele Fahrten der einzelne gehabt habe.

  3. Alle Reise- und sonstigen Kosten mußte jeder selbst zahlen und durfte sie nicht vom Verdienst abziehen.

  4. Zur Vermeidung von „Irrungen und Mißtrauen“ wurde bestimmt, daß jeder von ihnen zum Besten der Gesellschaft handeln solle, treu und gewissenhaft, vollständig und „ohne allen Hinterhalt“ allen Verdienst für die Berechnung anzugeben habe, damit er bei der Verteilung und dem Ausgleich unter den Schiffern berücksichtigt werden konnte.

Anmerkung: Schon die Bestimmungen a) bis c) zeigen, daß es sich nicht um einen

Gesellschaftsvertrag handelt, wie er heute in der Wirtschaft abgeschlossen wird. Zunächst ist zu bemerken, daß die Gesellschaft keineswegs als Partner der Versender von Frachten und der Passagiere auftreten sollte. Auftragnehmer war auch weiterhin der einzelne Schiffer, der alle Kosten einschließlich der Unterhaltungskosten für sein Schiff selbst zu tragen hatte, die Gesellschaft also damit nicht belasten konnte. Er hatte nur seinen Verdienst zur Verrechnung unter den Schiffern zur Verfügung zu stellen. Wenn also die Kosten beim Einzelnen verblieben und nicht von der Gesellschaft zu tragen waren, ist damit gleichzeitig gesagt, daß der Begriff „Verdienst“ dem heutigen Begriff „Umsatz“ entspricht; keineswegs ist der Reingewinn des einzelnen Schiffers gemeint. Dieser ergibt sich für den einzelnen Schiffer vielmehr aus einem Viertel aller Verdienste, vermindert um seine Kosten. Im übrigen konnte diese Regelung zu Streit führen. Wenn ein Schiffer pro Woche nur wenige Fahrten machte, die anderen dagegen mehr, war er trotzdem mit einem Viertel am Umsatz beteiligt; hinzu kam, daß er dann auch weniger Kosten hatte.

Die Bestimmung d) setzt grenzenloses Vertrauen voraus. Bisher bekannt gewordener Neid und gegenseitige Beschuldigungen in der Vergangenheit lassen Zweifel aufkommen. Nochmals ist daran zu erinnern, daß die Gesellschaft keine Umsätze erzielen sollte, sie verteilte vielmehr die von den Gesellschaftern erzielten Umsätze gleichmäßig und nicht nach dem Beitrag des einzelnen zum Gesamtumsatz.

Die Stader Schiffer trafen eine andere Regelung. Als sie sich im Jahre 1673 selbst eine eigene Satzung gaben, richteten sie auch eine gemeinsame Kasse ein. Aus dieser Kasse erhielt jeder Schiffer seinen Anteil nach den von ihm ausgeführten Fahrten.18)

  1. Jeder Gesellschafter sollte der Gesellschaft sein gesamtes Vermögen, insbesondere Schiff und Grundstücke, zur Sicherheit „getreuer Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten zum Unterpfand setzen.“

Anmerkung: Mit dieser Bestimmung sollte das einzelne Mitglied der Sozietät zur Haftung für Vertragsverletzungen verpflichtet werden.

  1. Jeder sollte für alle Diebstähle, die auf seinem Schiff an der Ausrüstung oder an der geladenen Fracht vorkommen würden, allein einstehen. Es war untersagt, in einem solchen Falle unter irgend einem Vorwand eine Entschädigung von der Gesellschaft zu verlangen oder vom Verdienste etwas einzubehalten.

Anmerkung: Auch mit dieser Bestimmung dokumentierten die Schiffer, daß die Gesellschaft mit keinerlei Verpflichtungen belastet werden sollte.

Soweit die Erklärungen der Schiffer vom 25. Februar 1808 zu ihren Motiven und zum Vertragsinhalt. Die Gesellschafter hatten sich dabei vorbehalten, diese Bestimmungen um weitere Punkte zu ergänzen, falls ihnen noch welche einfallen sollten. Das taten sie am 31. März 1808 und gaben folgende Ergänzungen ihres Vertrages zu Protokoll:

  1. Jeder Schiffer sollte nicht nur für Diebstähle auf seinem Schiff einstehen, sondern auch für etwaige Unglücksfälle oder Havarien. Eine Entschädigung von der Gesellschaft wurde wiederum ausgeschlossen.

  2. Für den Fall der Erkrankung eines Gesellschafters wurde vereinbart, daß dann die anderen Schiffer verpflichtet seien, auf dem Schiff des Erkrankten zu fahren. Diesem oblag gleichzeitig die Pflicht, alsbald für einen der Schifffahrt kundigen Ersatzmann zu sorgen, „und so wohl dieses, als auch das einstweilige Fahren von den Compagnons“ sollte zu Lasten und Gefahr des Erkrankten geschehen.

  3. Im Falle des Todes eines Gesellschafters sollte dessen Witwe nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden können. Sie sollte aber verpflichtet sein, alsbald einen fähigen und der Schifffahrt kundigen Mann einzustellen und ihn zur Beeidigung dem Burggericht zu präsentieren. Die Eidesleistung sollte in Gegenwart der übrigen Gesellschafter geschehen. Bis zur Einstellung dieses Mannes galten für die übrigen Gesellschafter die Verpflichtungen nach Buchstabe h)

  4. Auch bei Wiederverheiratung sollte die Witwe eines verstorbenen Gesellschafters in der Gesellschaft bleiben. Zwei Fälle waren zu regeln. Verheiratete sie sich mit einem Mann, der nicht „Schiffer von Profession“ war, mußte sie für die Stelle des „Schiffsherren“ einen tüchtigen und vereidigten Knecht einstellen und für die Handlungen, die er in Autorität des „Schiffsherren“ vornahm, mit ihrem gesamten Vermögen haften. Verheiratete sie sich hingegen mit einem Berufsschiffer, so hatte sie diesen den übrigen Gesellschaftern zur Aufnahme in die Gesellschaft vorzustellen und ihn sich verpflichten zu lassen, den Gesellschaftsvertrag einzuhalten.

  5. Schließlich sollten Söhne und Töchter der Gesellschafter mit Einwilligung ihrer Eltern oder Vormünder das Recht zum Eintritt in die Gesellschaft haben. Die Zahl der Gesellschafter sollte dabei aber über die bisherige Zahl von vier nicht vermehrt werden. Die Söhne mußten der Schifffahrt kundig sein und sich vereidigen lassen, für die Töchter galt Buchstabe j).

Anmerkung: Erbenregelungen, wie sie unter h) bis k) getroffen wurden, gibt es auch heute in Gesellschaftsverträgen. Der dabei im Handwerk zu beachtende Rahmen ergibt sich aus den Bestimmungen der Handwerksordnung.

Der im Termin am 25. Februar abwesende Schiffer Claus Barmföhr erklärte am 21. März 1808 vor dem Gericht, daß er mit allen von den anderen Schiffern abgegebenen Erklärungen einverstanden sei und der Gesllschaft beitreten wolle.

In einem Regiminus vom 21.4.1808 an die „Hohe Bremen und Verdensche Regierung“ in Stade schilderte das Burggericht das Begehren der Horneburger Schiffer, ihre Motive und Anträge. Das alles muß an dieser Stelle nicht wiederholt werden.

Das Gericht verwies dann auf die für die Horneburger Schifffahrt bestehende „Einrichtung“ und meinte damit die Ordnung der Reihefahrten. Aus der Darstellung des Gerichtes wird das ganze Verfahren der Erteilung der Konzessionen zu diesen Fahrten deutlich. Diese Konzessionen wurden vom Gericht nur ausgefertigt, nachdem die Burgmänner vorher über Genehmigung oder Ablehnung beraten und entschieden hatten. Dem Burggericht waren aus den Schifffahrtsakten keine von allen Burgmännern beschlossenen Kriterien bekannt, von denen sie sich bei der Entscheidungsfindung leiten ließen. Es war immer nur, so das Gericht, „als von einer bekannten Sache die Rede.“ Gerichtsseitig war man zwar überzeugt, daß die Erteilung von Konzessionen eine wichtige Hoheitssache sei und nur von der Landesregierung vorgenommen werden könne, meinte aber, man solle diese Frage auf sich beruhen lassen und nicht weiter erörtern. Das Burggericht konnte nicht ausschließen, daß die frühere Gerichtsadministration vielleicht auf nur mündlich ausgesprochene Bewilligungen die Konzessionen ausgefertigt hatte, weil die „bisherige Einrichtung“ den Interessen des Publikums nicht entgegenstand.

Anmerkung: Eine von Horneburg sich unterscheidende Regelung gab es in Buxtehude. Dort lag die Fährgerechtigkeit für die seit 1575 bestehende Fährverbindung nach Blankenese beim Rat der Stadt. Der Rat selbst unterhielt 6 große Ewer und einen kleinen für den Transport reisender Kaufleute. Jährlich hatten die Fährschiffer an die Kämmerei der Stadt einen Reichstaler zu zahlen.19)

Sodann befaßte sich das Gericht mit dem Anliegen der Schiffer. Es hielt den Gesellschaftsvertrag in jeder Hinsicht für zweckmäßig und nannte seine Gründe für diese Ansicht.

Nach Gerichtsmeinung war es von Vorteil für das Publikum, daß es zu jeder Zeit Waren versenden konnte und daß zu jeder Zeit für Passagiere eine Fahrgelegenheit bestand, „ohne wegen des Accords mit diesem oder jenen Schiffer in Verlegenheit zu seyn, demnach sie alle für einen gemeinsamen Zweck fahren, so kommt es nicht darauf an, wer von ihnen diese oder jene Fahrt übernimmt.“ Unter den Schiffern selbst konnten, so das Gericht, keine Streitigkeiten und Neid aufkommen.

Einen Nutzen des Vertrages sah das Gericht auch für den Flecken, da es ihm an „Nahrungszweigen“ fehle und eine ordentliche Fähre hier Abhilfe bringen werde, wenn der Transithandel lebhafter würde. Die Fähre war auch für den Speditionshandel nach Hamburg und Bremen günstig. Ihm waren bis zur Mündung der Lühe in die Elbe (in der Akte: Ausfluß der Lühe) bei Hochwasser nur die drei niedrigen Lühebrücken im Wege.

Was die Transportkapazitäten anbetraf, waren nach der Äußerung des Gerichtes vorerst vier Fährschiffe genug. Für den Fall, daß wider Erwarten sich diese Zahl als zu gering erweisen sollte, hatten die Schiffer versichert, daß sie dann entweder Schiffe anmieten oder gemeinschaftlich ein neues Schiff anschaffen würden. Auf jeden Fall hielt das Gericht bei Erteilung des von den Schiffern angestrebten Privilegs die Auflage für erforderlich, daß es nach Befinden der Umstände möglich sein müsse, mehreren tüchtigen und in Horneburg ansässigen Schiffern den Eintritt in die Sozietät zu ermöglichen.

Die Erteilung eines Privilegs als Gegenleistung für die Verpflichtung der Schiffer, für einen reibungslosen Transport zu sorgen, fand die Zustimmung des Gerichtes. Es verwies auch auf die den Schiffern entstehenden höheren Kosten einer ständigen Fahrbereitschaft, z.B. laufende Vorhaltung von Pumpen.

Schließlich wollte das Gericht die Vorteile des Privilegs sogar solange bei den Familien der Schiffer belassen, „als darin tüchtige Söhne vorhanden sind, und die Regulationen des Gesellschafts Contracts und dessen Bedingungen zur Fortsetzung oder Eintretung in denselben gehörig erfüllet werden.“

Anmerkung: Die Auffassung des Gerichtes über ein Erbrecht der Söhne gab es auch in den benachbarten Städten Stade und Buxtehude. Schlichtmann bemerkt, daß in Stade die Fährrechte im allgemeinen vererbt, manchmal auch verkauft wurden.20) In Buxtehude war das Amt des Fährschiffers erblich. Der Sohn eines Fährschiffers mußte 5 Gulden zahlen, wenn er das Amt des Vaters übernahm, während ein neuer Fährschiffer 10 Gulden zu entrichten hatte.21)

Zwei Punkte bedurften nach der Gerichtsmeinung einer weiteren Erörterung.

Zum einen waren dem Gericht die Bestimmungen der Haftung bei Diebstählen und Vernachlässigungen zu eng gefaßt. Es sollte zwar derjenige Schiffer, auf dessen Schiff sich solche Vorfälle ereigneten, wie vorgesehen, mit seinem gesamten Vermögen haften. Für den Fall des Unvermögens dieses Schiffers schien es dem Gericht ratsam, dann die anderen Schiffer solidarisch für den Schaden haften zu lassen.

Anmerkung: Diese Anregung des Burggerichtes bedeutet eine Haftungsregelung, wie sie heute in Gesellschaften des Bürgerlichen Rechtes und Offenen Handelsgesellschaften gilt. Alle Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

Das andere Problem betraf die Frachtpreise und ist mit der Äußerung der Gesellschafter verbunden, kein Monopol anzustreben. Bekanntlich setzt ein Monopolist, der ja keine Konkurrenten hat, seine Preise so fest, daß er den größtmöglichen Gewinn erzielt, und der Kunde kann nur entscheiden, ob er den Preis akzeptiert oder verzichtet. Konkurrenten durch Schiffer aus dem Alten Lande wollten die Horneburger Schiffer bekanntlich vom Befrachten in Horneburg fernhalten. Sie hatten sich auch „anheischig“ gemacht, sich bei den Reihefahrten nach der bisher üblichen Taxe zu richten. Das reichte dem Gericht nicht, und es gab zu bedenken, ob es nicht der Schutz des Publikums vor Übervorteilungen schon jetzt erfordere, daß „eine Taxe für ganze Ladungen außer den Reihefahrten und für einzelne Sachen zu entwerfen sey.“ Zu diesem Zweck sollten die unverbindlichen Vorstellungen der Schiffer – differenziert nach Sommer und Winter – und weitere Erkundigungen an anderer Stelle eingeholt werden.

Das Gericht wollte alle Änderungen der Bestimmungen von seiner bzw. der Genehmigung der Stader Regierung abhängig machen und alles unter seine Aufsicht gestellt wissen.

Die Entscheidung der Regierung in Stade vom 30. April 1808 ist in ihrer Formulierung wohl eine der kürzesten, die sich in den Archivakten findet. Den Gesellschaftsvertrag bezeichnete sie als Privatvereinbarung, der ihr insoweit „indifferent seyn könne, als dadurch weder dem publico noch einzelnen dritten Personen das mindeste Präjudiz erwächst.“ Von einem „privilegio exclusivo“ oder irgendeiner Einschränkung „der völlig freyen Schifffahrt“ könne, so die Regierung,“überall nicht die Rede“ sein.

Als den Gesellschaftern diese Entscheidung der Stader Regierung am 9. Mai 1808 eröffnet wurde, erklärten sie, sich nochmals mit einer Vorstellung nach Stade wenden zu wollen. Sie beriefen sich darauf, daß die Schiffer in Buxtehude und Stade auch mit einer Fährgerechtigkeit versehen seien und daß der beginnende Speditionshandel wieder eingehen werde, wenn die Spediteure in Horneburg keine Schiffe befrachten könnten sondern gezwungen wären, ihre Waren weiterhin mit dem Wagen zu transportieren oder fremde Schiffer nach Horneburg bestellen müßten. Sie selbst wollten nicht mehr Schiffe anschaffen, wenn sie nicht das Recht zum Transport aller von Horneburg abgehenden Waren hätten.

Aus den Akten ist nicht ersichtlich, ob sie in Stade vorstellig wurden. Aus den vorhandenen Akten ist auch nicht zu ersehen, ob bei der geschilderten Sachlage der Gesellschaftsvertrag wirklich praktiziert wurde. Die Frage der Reihefahrten wurde auch bereits im folgenden Jahre 1809 Gegenstand einer großen Auseinandersetzung. Sie hatte gegenüber den bisherigen Diskussionen einen völlig anderen Inhalt und wurde von dem Schiffer Johann Heitmann ausgelöst. Davon handelt der nächste Abschnitt.

C. Vorläufiges Ende der Reihefahrten im Jahre 1809

1. Eine Anzeige gegen den Schiffer Johann Heitmann

Am 4. April des Jahres 1809 erschienen die Schiffer Jürgen Jahnsen, Claus Barmföhr und Lorenz Ungefroren auf der Gerichtsstube des Horneburger Burggerichtes. Sie zeigten im Namen aller Fährschiffer an, daß sich unlängst Johann Heitmann einen Ewer angeschafft und sich als Schiffer niedergelassen habe. Nach ihren Worten drängte er sich an diesem Tage in die Reihefahrten, habe nämlich Güter eingeladen und mache „Miene“, nach Hamburg abzufahren, obwohl er keine Konzession habe. Sie hatten, wie sie sagten, nicht die Absicht, Heitmann gänzlich an Fahrten nach Hamburg und Altona zu hindern, er solle sich aber auf Torf, Holz und dergleichen beschränken.

Natürlich vergaßen sie nicht den Hinweis, daß die gegenwärtige Zahl von vier Fährschiffern zu hoch und die ursprüngliche Zahl von zwei angemessen sei, zumal es noch den Schiffer Hörmann gebe, der auch Holz und Torf fahre und auch sogar einen Handel damit betreibe.

Das Gericht befahl Heitmann unter Androhung einer Strafe von 10 Reichstalern und Vermeidung ernsthafter Maßregeln, sofort die geladene Fracht wieder auszuladen, sich des Transportes von Gütern von Sonntag bis Mittwoch zu enthalten und keine Passagiere zu befördern; er sollte auch die verursachten Kosten tragen.

Anmerkung: Der Reichstaler (Rtlr) war eine Silbermünze. Unterteilt war er entweder in 24 Gutegroschen (Ggr) a 24 Pfennige (Pfg) oder in 36 Mariengroschen (Mgr) a 8 Pfg. Der Rtlr hatte also 288 Pfg. Er wurde aus der kölnischen Mark feinen Silbers, dem Münzgrundgewicht von 233,856 gr, geprägt. Wieviele Stücke aus der feinen Mark geprägt wurden, richtete sich nach dem Münzfuß, der in den einzelnen Ländern, auch zu verschiedenen, Zeiten unterschiedlich, angewandt wurde. Zu nennen sind als Beispiel der Leipziger Fuß, der Konventionsfuß und der preußische 14-Taler-Fuß, auch Graumannscher Fuß genannt. Entsprechend gab es den Reichstaler in verschiedenen Ausprägungen.22)

Im hier geschilderten Fall Heitmann hat das Horneburger Gericht keine Münzsorte angegeben. Die Frage, welche Münzsorte gemeint ist, wenn in Urkunden, Verträgen oder Schriftstücken usw. Reichstaler genannt sind, wurde im Königreich Hannover im Jahre 1818 einer gewissen Klärung zugeführt. Am 1. November 1817 führte Hannover die Konventionsmünze nach dem 20-Gulden-Fuße ein; aus der feinen kölnischen Mark wurden 20 Gulden bzw. 10 Taler geprägt. Das war die Konventionsmünze.23) Durch Verordnung vom 20. März 1818 wurde bestimmt, daß alle ab dem 1. Mai dieses Jahres in Gesetzen, Verträgen usw. aufgeführten Geldsummen, für die keine Münzsorten genannt sind, in Konventionsmünze zu bezahlen sind. Alle vor dem 1. Mai 1818 vereinbarten oder obrigkeitlich festgesetzte Geldsummen – dazu gehört auch die Heitmann angedrohte Strafe – sollten „nach der Zeit ihrer Errichtung beurtheilt“ werden.24) Die Bezeichnung Konventionsmünze ist auf eine Münzkonvention (= Vertrag)) zurückzuführen, der im Jahre 1753 zwischen Bayern und Österreich abgeschlossen wurde, in dem dieser Münzfuß vereinbart wurde.25) Vorher galt der Leipziger Talerfuß, wonach aus der feinen Mark 12 Taler geprägt wurden.26) Zum 1, Juli 1834 vollzog das Königreich Hannover schließlich die Übernahme des preußischen 14-Taler-Fußes.27)

Noch am gleichen Tage, 4. April 1808, erschienen die Schiffer erneut vor Gericht und beschuldigten Heitmann, dem gerichtlichen Befehl vom Morgen nicht gehorcht zu haben. Das Gericht wiederholte, diesmal unter Androhung einer Strafe von 20 Rtlr, den am Morgen ausgefertigten Befehl.

2. Heitmann legt Beschwerde beim Burggericht ein und scheitert

Nach diesen Vorgängen wurde Heitmann tätig. Am 8. April legte er beim Burggericht Beschwerde ein und trug eine Bitte vor. Bevor er zu seinem Hauptanliegen kam, machte er drei Bemerkungen vorweg.

Erstens stritt er ab, die gerichtlichen Befehle mißachtet zu haben, solches sei auch nicht seine Absicht gewesen. Die am Morgen geladene Fracht, so trug er vor, habe er bei Empfang des zweiten Befehls bereits wieder ausgeladen gehabt.

Zweitens bezweifelte er, daß sämtliche vier Fährschiffer gegen seine Teilnahme an den Reihefahrten seien, denn die Schiffer Cohrs und Ungefroren hätten ihm gegenüber das Gegenteil geäußert. Er schätzte, daß nur einer oder höchstens zwei Fährschiffer gegen ihn seien und den Namen der anderen mißbraucht hätten.

Drittens hatte sich, so Heitmann weiter, einer der Fährschiffer ihm gegenüber geäußert, er sehe ein, daß eine Teilnahme von Heitmann an den Reihefahrten nicht zu verhindern sei und daß sie nur die Absicht hätten, ihm Kosten zu verursachen bevor er sein Ziel erreiche.

Anmerkung: Unterstellt, daß die zweite und besonders die dritte Behauptung von Heitmann stimmen, kann vermutet werden, daß die konzessionierten Schiffer selber Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Horneburger Schifffahrtsregelung hatten.

Sodann kam Heitmann zur Hauptsache. Seinen Äußerungen läßt sich folgendes entnehmen:

Er war ein Landeskind, von Jugend an Schiffer von Beruf, hatte vier Jahre bei einem Horneburger Schiffer als Knecht gearbeitet und niemals war über ihn Beschwerde geführt worden. Seine Ehefrau war die Tochter des Zinngießers Schröder, der ihm sein Haus übergeben hatte, was dem Gericht angezeigt worden war. Seiner Bitte, ihn in die Bürgerrolle aufzunehmen, war entsprochen worden.

Heitmann wies dann auf die in Horneburg seines Erachtens bestehende Gewerbefreiheit hin, die sich darin zeige, daß jeder sein Gewerbe oder sein Handwerk ohne Zunftzwang und Beschränkungen ausüben könne. Darin sah er einen großen Vorzug des Fleckens und nannte als jüngstes Beispiel einen Hamburger Reepschläger, dem die Niederlassung im Flecken ohne Schwierigkeiten gestattet worden sei.

Heitmann wußte nach seinen Darlegungen auch nicht, daß diese Freiheit für die Schiffer nicht gelten solle, da sie nicht in einer Zunft organisiert waren und zog daraus den Schluß, daß daher auch niemand von der Schifffahrt ausgeschlossen werden könne. Die Reihefahrten, welche von den Schiffern praktiziert wurden, sah er als deren Privatvereinbarung an und nahm für sich selbst das Recht in Anspruch, an jedem ihm passenden Tage mit Gütern aller Art nach Hamburg zu fahren. Heitmann war überzeugt, daß die Zulassung des Schiffers Jahnsen ebenfalls eine Folge dieser Gewerbefreiheit war, wobei er darauf verwies, daß Jahnsen sogar aus einer anderen Provinz stamme, kein Schiffer von Beruf sondern Brauer, Brenner und Gastwirt sei, Landbau betreibe und nur ein altes Schiff habe. Er selbst, so Heitmann, habe ein neues Schiff, betreibe kein Nebengewerbe, trage wie alle anderen Bürger alle Lasten und würde in eine mißliche Lage geraten, wenn er das Schiffergewerbe nicht ohne Einschränkung betreiben könne. So bat er denn um Aufhebung der gegen ihn erlassenen Befehle vom 4. April und um Zulassung zum Schiffergewerbe. Er war auch bereit, sich der seines Erachtens von den Schiffern geschlossenen Vereinbarung über die Reihefahrten anzuschließen.

Vor dem Burggericht hatte Heitmann keinen Erfolg. Seine Aufnahme in die Reihefahrten wurde mit der Begründung, daß er bisher keine Konzession „ausgewirkt“ habe, abgelehnt. Die Strafbefehle hielt das Gericht aufrecht.

3. Heitmann wendet sich an die Regierung in Stade

Da Heitmann die Rechtmäßigkeit der Ordnung der Horneburger Schifffahrt bezweifelte, gab er nicht auf und wandte sich am 21. April 1809 an die Regierung in Stade. Soweit er wiederholte, was er bereits dem Horneburger Gericht geschrieben hatte, kann auf eine erneute Darstellung verzichtet werden. Hier soll nur das wiedergegeben werden, was bislang nicht berichtet wurde.

Ihm war bekannt, so schrieb er an die Regierung, daß diese Behörde vor einiger Zeit die Bildung einer Zunft mit Fährgerechtigkeit für Horneburger Schiffer abgelehnt habe. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Horneburger Regelung wurden bei ihm auch dadurch geweckt, daß über Horneburg im Speditionshandel versandte Güter und Waren sämtlich von auswärtigen Schiffern verladen wurden, ohne daß Horneburger Schiffer Widerspruch erhoben. Er zog daraus den Schluß, daß die Einhaltung einer Reihe unter den Schiffern tatsächlich eine Privatvereinbarung sei.

Allerdings mußte Heitmann in seinem Schriftsatz auch zugeben, etwas von einer Berechtigung erfahren zu haben, glaubte aber, daß solches nie zur allgemeinen Kenntnis des Publikums gelangt sei. Wenn aber eine Konzession erforderlich sei, so habe er sie doch in seiner Eingabe an das Gericht beantragt, so Heitmann weiter, und konnte nicht verstehen, daß vom Gericht erklärt wurde, er habe die Konzession bislang nicht „ausgewirkt“.

Jung verheiratet, mit den Kosten eines neuen Schiffes belastet, erbat er die Hilfe der Stader Regierung, da sonst seine bürgerliche Existenz verloren gehe.

Heitmann hatte bei der Stader Regierung Erfolg. Sie erklärte eindeutig, daß den Horneburger Schiffern kein ihr „gänzlich unbekanntes privilegium“ verliehen worden sei und lehnte solche Rechte für die Schiffer auch ab. Vielmehr verwies sie auf ihr Rescript vom 30. April 1808 und verfügte, daß Heitmann „bey der ihm wie jeden anderen Unterthanen zustehenden Freyheit zu schützen“ sei. Dem Burggericht wurde aufgegeben, Heitmann „bey der ungelenkten Ausübung seines Gewerbes nicht zu stöhren.“ Sofern das Gericht meine, diesem Auftrag würden private Gründe entgegenstehen, sollte es berichten. Von dieser Möglichkeit machten die Burgmänner am 16. Mai 1809 Gebrauch und übersandten der Regierung neben einem Bericht, der im folgenden Abschnitt behandelt wird, die Horneburger Akten zur Einsichtnahme und Unterrichtung.

4. Stellungnahme des Burggerichtes zum Fall Heitmann

Zunächst räumten die Burgmänner ein, daß die Unkenntnis der Regierung über ein ausschließliches Recht der Fährschiffer in Horneburg zur Reihefahrt nach Hamburg und Altona wohl darauf beruhe, daß dieser Sachverhalt seitens des Gerichtes gegenüber der Regierung früher nur „beyläufig“ erwähnt wurde.

Nochmals legten die Burgmänner die Gründe, die der Horneburger Schifffahrtsordnung zu Grunde lagen, dar, wegen des „Commerces“, so sagten sie. Jeder, ob er nun in Horneburg oder auswärts wohnte, sollte wissen und sich darauf verlassen können, daß vom Sonntag bis zum Mittwoch einschließlich ein Schiff nach Hamburg und Altona fahre; die Transporte waren nach ihrer Darstellung „bedeutend.“ Beim Fehlen dieser Garantie befürchteten die Burgmänner ein Abwandern der Versender von Frachtgütern und ein Ausbleiben der Passagiere. Die Verpflichtung zur Einhaltung der Reihefahrten bedeutete für den einzelnen Schiffer das Verbot, an diesem Tag auswärts zu sein. Ein Privileg sollte die Entschädigung sein.

Wie früher bemerkt, wollte das Burggericht die Frage, ob die Ordnung der Reihefahrten nicht von der Landesregierung hätte erlassen werden müssen, auf sich beruhen und unerörtert lassen. Von dieser Auffassung des Gerichtes rückten die Burgmänner nun ab und erklärten nunmehr, diese Frage der Regierung anheim zu stellen.

Von den Burgmännern wurde bestritten, daß Heitmann von der örtlichen Regelung nichts gewußt habe. Vielmehr behaupteten sie, daß ihm und seinem Schwiegervater, als dieser ihn dem Gericht als neuen Fleckensbürger vorstellte, diese Bestimmung mitgeteilt worden sei. Sie verteidigten die vom Gericht erlassenen Strafbefehle mit der bereits bekannten Begründung, Heitmann habe sich in die Reihefahrten gedrängt, ohne eine Konzession zu besitzen. Schadensersatz, den Heitmann verlangt hatte, lehnten sie ab, weil sie keinen Schaden erkennen konnten, denn es sei ihm „frei und unbenommen, alle Tage sein Schiff hier zu befrachten, nur an den Tagen der Reihefahrt nicht mit Passagieren und solchen Gütern und Sachen, zu deren Fortschaffung die anderen Schiffer concessioniert sind.“

Die Burgmänner wollten den Grundsatz der freien Schifffahrt, wie sie schrieben, nicht in Frage stellen und den Schiffern kein Privileg geben, meinten aber, die Interessen des Fleckens, der umliegenden Gegend und des Handels gebiete eine Ordnung der Schifffahrt durch Reihefahrten.

Freie Schifffahrt heißt nach Auffassung des Verfassers aber auch, die Zahl der Anbieter nicht zu begrenzen und jedem von ihnen die Chance des Gewinnes zu geben, freilich auch dem Risiko des Scheiterns auszusetzen. Das letztere aber wollten die Burgmänner nicht und durch Begrenzung der Zahl der Fährschiffer diese vor dem Ruin schützen. Sie meinten, durch den Ruin würde der Handel leiden, Brotneid und Mißgunst unter den Schiffern entstehen, so daß Unordnung und Streitigkeiten „nicht Einhalt würde gethan werden können.“ Sie glaubten – wie schon früher deutlich wurde – offenbar nicht an einen heilsamen Ausleseprozess des Marktes, sahen ihn wohl letztlich negativ, denn sie konnten sich einfach nicht vorstellen, jedem einheimischen und auswärtigen Schiffer Transporte von Horneburg aus zu gestatten.

Anmerkung: Diese Haltung war keineswegs eine Besonderheit der Horneburger Burgmänner sondern meistens – wie Bechtel beschreibt – der Wirtschaftsstil des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Dieser Stil – und das ist bei allen Äußerungen der Burgmänner, die hier geschildert wurden, auch zu beachten – war vom Festhalten am Überlieferten und von Skepsis gegenüber allem Neuen bestimmt.28)

Die Burgmänner schlugen nun zwei Maßnahmen vor, von denen sie glaubten, daß sie beide Ziele: Wahrung der Wohlfahrt von Flecken und Handel sowie Schutz der Schiffer in Einklang bringen würden.

Erstens baten sie um Bestätigung der in Horneburg vorhandenen Ordnung und zweitens um die Festsetzung von Reihetagen an bestimmten Tagen einer jeden Woche, wie das auch an anderen Handelsplätzen wie Stade, Buxtehude und Harburg geschehen sei.

Für den Fall, daß Heitmann eine Konzession erhielt, ergab sich dann eine Zahl von 5 Reihetagen. Die Burgmänner selbst hielten drei für ausreichend, von Sonntag bis Dienstag einschließlich. Gegen eine nach oben unbegrenzte Zulassung zur Reihefahrt sprach nach Ansicht des Gerichtes übrigens auch, daß die Woche höchstens sieben Reihetage haben könne und eine darüber hinausgehende Zahl von Konzessionen die Festsetzung eines „turnus“ unter ihnen nicht mehr möglich sei.

Anmerkung: Diese Bemerkung legt die Vermutung nahe, daß unter den Burgmännern die Auffassung bestand, jeder konzessionierte Schiffer müsse einmal in der Woche eine Reihefahrt haben. Es ist jedoch durchaus möglich, eine Reihe für mehr als sieben Personen für einen längeren Zeitraum als eine Woche festzulegen. Der Verdienst des einzelnen Schiffers reduziert sich freilich dadurch.

Die Burgmänner erinnerten auch an ein „Pro Memoria“ des Drosten von Düring, der im Jahre 1805 Interimsverwalter des Gerichtes gewesen war. Von Düring hatte darin empfohlen, darauf zu achten, daß nicht zu viele Konzessionen erteilt würden, damit nicht zuletzt alle Schiffer Bettler würden. Die Burgmänner gaben der im Grunde genommen durch von Düring empfohlenen Bedürfnisprüfung den Vorzug und wollten nicht jene Schiffer, die sich allein wegen der gegenwärtigen Konjunktur Schiffe anschafften, mit den bereits Konzessionierten gleichstellen. Für den Fall, daß die Konjunktur sich günstig gestalte und der Speditionshandel zunehme, könne auch ein Schiffer ohne Reihetage existieren, so meinten sie.

Anmerkung: Sicherlich dachten die Horneburger Burgmänner auch an die damals bestehende allgemeine wirtschaftliche Lage. Wie schon über die Zeit der französischen Besetzung berichtet der Horneburger Chronist Wilhelm Meyn auch über die Zeiten, in denen die Horneburger Gegend kurzfristig von Preußen besetzt war, von Zeiten in denen sie unter französischer Verwaltung stand, zum Königreich Westfalen gehörte und 1810 – im Gebiet der Nordseeküste liegend – gleich den Hansestädten mit Frankreich vereinigt wurde. Große Kontributionen mußten geleistet werden, der Flecken mußte Pferde und Proviant aufbringen und Arbeiter zum Bau der Chaussee Hamburg-Bremen stellen. Hinzu kamen die Aushebungen junger Männer für die französische Armee. „So mancher aus unserem Orte entwich bei Nacht und Nebel über die Elbe nach Holstein oder England,“ schreibt Meyn.29)

Hans Rudolf Löhden, Horneburg, Vor Daudieck, hat dem Verfasser Einblick in die Chronik seiner Familie gewährt. Den Aufzeichnungen ist zu entnehmen, daß sein Ur-Ur-Großvater, der in Issendorf wohnende Hofbesitzer Jacob Löhden, zum Ausbau der Napoleonstraße von Bremen nach Hamburg -heute B 75 – für lange Zeit ein Gespann zur Arbeit bei Tostedt stellen mußte. Der Hof geriet dabei in Schwierigkeiten, so daß sein Sohn Barthold nur ein Erbteil von 20 Rtlr erhielt, nach Horneburg ging und Schiffer wurde. Mit ihm kam ein Mitglied der Familie Löhden nach Horneburg. 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die napoleonische Zeit auch die Schifffahrt beeinflußte. Erst kürzlich wurde darüber aus dem Alten Lande berichtet. Als Folge der 1806 verfügten Kontinentalsperre lagen im Borsteler Hafen Schiffskapazitäten brach und es verrotteten sogar „manche Ewer und Jollen.“ Der Schmuggel blühte, die Strafen waren drakonisch.30) Die Chronik der Familie Löhden berichtet von einem Ewer mit doppeltem Boden, mit dem sich Barthold Löhden am Schmuggel beteiligte.

5. Die Reihefahrten werden aufgehoben

Überraschend ist nach den Argumenten der Burgmänner der Schluß, mit dem sie ihre Stellungnahme vom 16. Mai 1809 beendeten. Sie schrieben nämlich, der Hauptzweck ihrer Ausführungen verfolge das Ziel, die „gnädige Bestätigung“ der Horneburger Regelung der Reihefahrten, die den Transport von Victualien, Gütern und Passagieren nach Hamburg und Altona zum Inhalt habe, zu erreichen einschließlich der Festsetzung der Zahl der Reihetage. Sie wollten also eine jahrelang praktizierte Regelung, die sie wohl doch nicht für gesetzlich hielten, sanktioniert haben. Ob Heitmann letzten Endes eine Konzession erhalten solle oder auf den Transport bestimmter Güter wie z.B. Holz und Torf beschränkt werde sollte, war ihnen vermutlich wohl gleichgültig. Diese Entscheidung stellten sie nämlich der „hohen Regierung“ anheim.

Auch diesmal war die Antwort der Regierung vom 24. Mai kurz. Sie gab dem Burggericht die Empfehlung, daß es „wohl thun“ würde, jeden Anlaß zur „Wiederaufgreifung und Fortsetzung“ der Beschwerde zu vermeiden. Die Regierung begründete ihre Empfehlung folgendermaßen: Zu Transporten von Personen und Waren sollten nach deutlichen Landesverordnungen nur die offenen Heerstraßen benutzt werden und zur Überfahrt über die Elbe seien im „Altenländischen Destricte“ nur die Fährstellen Cranz und Lühe zugelassen. Außerdem, so die Regierung weiter, sei landesherrlicherseits vorgeschrieben, daß alle von Bremen nach Hamburg gehenden Transporte und zurück über Stade, wo zu diesem Zweck auch schon eine Spedition eingerichtet wurde, abzuwickeln seien.

Anmerkung: Unter dem französischen Kaiser Napoleon wurde mit dem Bau von Durchgangsstraßen begonnen. Das waren Straßen, die auf Ländergrenzen keine Rücksicht nahmen; sie wurden Heerstraßen genannt. Kenntlich waren diese Straßen an einer geraden Linienführung und an den Pappeln, mit denen ihre Ränder eingefaßt waren.31)

Die Regierung sah keinen Grund, auch keinen rechtlichen, einen Horneburger Bürger an der „willkührlichen“ Benutzung seines Schiffes zu hindern, wenn es um erlaubte Transporte einheimischer Personen und Produkte gehe. Sie stellte auch klar, daß niemand zur Anmaßung eines „iuris prohibendi et concessionandi“ (= eines Rechtes zu verhindern und zu erlauben, d. Verf.) berechtigt sei und erwartete, daß der von Heitmann erhobenen Beschwerde abgeholfen und allen Weiterungen vorgebeugt werde. Das bedeutete das Ende der burggerichtlichen, also amtlichen, Regelung der Reihefahrten.

Nachdem diese Entscheidung der Regierung in Horneburg eingetroffen war, setzte das dortige Gericht einen Termin zur gütlichen Beilegung an. Es erschienen am 27. Mai alle vier Schiffer, die im Jahre 1808 die Sozietät gegründet hatten. Nur der ebenfalls geladene Heitmann fehlte und ließ sich durch seinen Schwiegervater Schröder vertreten. Das Gericht gab die Entscheidung der Regierung bekannt und teilte dann mit, daß es gerne eine gütliche Einigung erreichen würde, da alle weiteren Beschwerden nur Nachteile bringen würden. Es wollte die Reihefahrten durch Übereinkunft unter den Schiffern erhalten. Die erschienenen Schiffer waren, um eine gütliche Einigung zu erzielen, bereit, Heitmann vollberechtigt in die Reihefahrten aufzunehmen. Schröder zeigte sich namens seines Schwiegersohnes darüber erfreut, reklamierte aber gleichzeitig, daß dieser an allen anderen Tagen, auch wenn den anderen Schiffern die Reihefahrt zukam, das fahren dürfe, was er bekommen könne. Nach sicherlich zutreffender Beurteilung der anderen vier Schiffer wollte Heitmann zwar die Vorteile der Reihefahrt in Anspruch nehmen, die Nachteile aber vermeiden, Das konnten sie nicht akzeptieren, denn wenn Heitmann in den Reihefahrten „mit tanze“, müsse er auch die Pflichten der Ordnung auf sich nehmen. Sie erklärten, daß sie in einem solchen Falle versuchen würden, ihre bisherigen Rechte zu erhalten. Schröder sagte zu, mit seinem Schwiegersohn zu sprechen.

Am 31. Mai erklärte Heitmann dem Gericht, daß er sich nicht an den Reihefahrten beteilige, „sondern nach seiner Willkühr mit seinem Schiffe fahren wolle, wenn es ihm gut dünke.“

Bis zum Jahre 1816 ist in den zur Verfügung stehenden Akten nur noch ein Schriftstück aus dem Jahre 1815 vorhanden. Es handelt sich um eine Anfrage des Horneburger Einwohners Sander an den Gerichtsverwalter Müller, die außer dem Anliegen von Sander Bemerkungen über die Horneburger Schifffahrt enthält.

Sander hatte, was er nach seinen Worten als gerichtsbekannt annahm, offenbar in seiner bisherigen „Karriere“ kein Glück gehabt und bei aller Sparsamkeit nur kümmerlich gelebt. Diese Lage führte er auf den Einfluß der „verschiedenen Zeitläufe“ zurück. Den Zeitpunkt seiner Eingabe an das Gericht – er meinte sicherlich Beendigung der napoleonischen Kriege – sah er als „neue Epoche“ für sich an. Er hatte sich nun einen Ewer gekauft, den er teils in seinem Handel mit Feuerung, der sich auch nach auswärts erstreckte, einsetzen wollte, und den er auch für Fracht- und Passagierfahrten nach Hamburg verwenden wollte.

Nach eigenen Worten war Sander völlig in Unkenntnis darüber, ob zur Schifffahrt eine Konzession benötigt wurde. Bekannt war ihm nur, daß es im Flecken keine Schifferzunft und auch keine Fährgerechtigkeit gab. Falls notwendig bat er um die Erteilung der Erlaubnis zur freien Schifffahrt, wie sie von den anderen Schiffern auch ausgeübt wurde. Namentlich nannte er Jahnsen und Heitmann und verwies darauf, daß auch andere Schiffer Handel betrieben.

Vor allem sollte ihn diese Anfrage vor Unannehmlichkeiten und selbst Tätlichkeiten bewahren, die unter den anderen Schiffern bei der Ausübung ihres Gewerbes vorkamen. Hauptsächlich wollte Sander sein Schiff für seinen Handel gebrauchen. Nach seinen Worten hatte er mit den Horneburger Schiffern sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Wie manch anderer hatte er sich vieles von ihnen gefallen und sich nach ihrer Bequemlichkeit richten müssen, wodurch ein Kaufmann, wie er bemerkte, oft in eine mißliche Lage komme. Obwohl genug Schiffer vorhanden seien, so Sander, „accordiert man doch nur gegen schwere Bezahlung und gute Worte.“

Aus späteren Vorgängen ist ersichtlich daß Sander die Konzession erhielt. Seine Beschwerden gegen die Horneburger Schiffer erscheinen nicht grundlos. Im folgenden Abschnitt wird dargelegt, wie das Verhalten der Schiffer Heitmann und Jahnsen die Wiedereinführung von Reihefahrten auslöste.

Anmerkung: Im Jahre 1820, am 20. Oktober, wurden vom Horneburger Gericht die Gläubiger eines Georg Philipp Sander aufgefordert, ihre Ansprüche und Forderungen aus früheren Zeiten bis zum 30. November geltend zu machen. Nach deren „befundener Richtigkeit“, so die Anzeige, sei Befriedigung zu erwarten. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß es sich um den Schiffer Sander handelt. Die Anzeige enthält nämlich Hinweise, die auf einen Bruch in der Karriere von Sander hindeuten können. Das Gericht erwähnt, daß der Schuldner Sander in der französischen Zeit „Maire adjoint“ (=Beigeordneter des Bürgermeisters, der.Verf.) und im Jahre 1814 Verwalter eines Magazins an der Lühe gewesen sei.32)

D. Rückkehr zur Reihefahrt im Jahre 1816

1. Auswirkungen der „freien Schifffahrt“ in Horneburg

Im April des Jahres 1816 reichten die Horneburger Schiffer Kohrs, Barmföhr und Lorenz Ungefrorn als Supplikanten an die „Königlich Großbritannisch Hannöversche Regierungs Commission der Herzogthümer Bremen und Verden“ in Stade eine Vorstellung ein und baten um Wiedereinführung der Reihefahrten. Sie begründeten ihren Antrag und ihre Bitte damit, daß sie die beiden Schiffer Jahnsen und Heitmann eines Verhaltens beschuldigten, das wir heute als sittenwidrig oder zumindest als unlauteren Wettbewerb bezeichnen würden.

Anmerkung: Nachdem die französischen Truppen im Jahre 1813 nach der Völkerschlacht bei Leipzig die deutschen Länder räumen mußten, kehrte das Land Hannover zur alten Staatlichkeit zurück und es wurden als Mittelbehörden der Landesverwaltung zunächst vier Regierungskommissionen in Hannover, Stade, Osnabrück und Aurich gebildet. Aus ihnen gingen später, im Jahre 1817, vier Provinzialregierungen hervor.33)

Nach dem Vortrag der Antragsteller waren Jahnsen und Heitmann, die sich eine Zeitlang doch an den Reihefahrten beteiligt hatten, im Winter 1815/16 „in Compagnie“ getreten und hatten den Plan entworfen, alle Fracht an sich zu ziehen und die anderen Schiffer zum Verkauf ihrer Schiffe zu zwingen. Sie wollten – so würde man heute sagen – den Horneburger Markt für Schiffstransporte beherrschen. Die von ihnen zur Erreichung dieses Zieles angewendeten Mittel waren ebenso einfach wie aggressiv. Sie schickten, nach den Ausführungen der Antragsteller, am Sonntag und Montag ihre Gehilfen auf die Zufahrtsstraßen nach Horneburg, um die Frachtfahrten abzufangen und die Fuhrleute zu überreden, ihren Schiffsherren die Fracht anzuvertrauen. Wenn ihnen das gelang, begleiteten sie die Frachtwagen bis an die Schiffe von Jahnsen und Heitmann, um zu verhindern, daß die Fuhrleute unterwegs ihre Meinung änderten. Nach den Bekundungen der Beschwerdeführer verspotteten die Schiffersknechte dabei während der Fahrt durch den Flecken auch noch die anderen Schiffer, weil diese leer ausgegangen waren.

Es war nicht das einzige Mittel, dessen sich die Knechte bedienten. Ergab sich z.B. ab einem gewissen Zeitpunkt, daß die Schiffe von Jahnsen und Heitmann ausgelastet waren, dann versuchten die Knechte, die Fuhrleute für einige Tage zum Ausspannen in Horneburg zu überreden, bis der Transport ihrer Fracht auf den Schiffen ihrer Schiffsherren möglich war. Wenn das nicht gelang, machten die Schiffersknechte keineswegs auf die anderen Schiffer des Fleckens aufmerksam, sondern verwiesen die Fuhrleute an die Schiffer in Buxtehude und Stade. Nach Meinung der Beschwerdeführer wurde Jahnsen und Heitmann ihr Verhalten dadurch erleichtert, daß sie „gleich vorn an in Horneburg wohnen, wir aber am Ende des Fleckens unten am Wasser. Bey jenen passieren daher zuerst die Frachtwagen.“ Sie selber konnten von den ankommenden Frachtwagen nur dann erfahren, wenn sie sich ebenfalls auf der Heerstraße vor Horneburg aufhielten. Das war wegen ihrer „häußlichen Geschäfte“ nicht möglich.

Nach diesen Schilderungen trugen die Schiffer grundsätzliche Überlegungen vor. Sie griffen zwar nicht die von der Stader Regierung „erteilte“ Freiheit des Schiffergewerbes an, plädierten aber dafür, daß die Freiheit der Gewerbe nicht in Zügellosigkeit ausarten dürfe, ebensowenig wie die mildeste Monarchie nicht dulden könne, daß solches mit der dem Volke geschenkten Freiheit geschehe. „Ist dies der Fall, so ist der, dem die Freiheit ward, nicht der Freiheit wert,“ so heißt es in der Eingabe.

Anmerkung: Das von den Schiffern dargelegte Problem ist ernst und verdient alle Aufmerksamkeit. Die Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts lehrt, wie unter Ausnutzung der Vertragsfreiheit und rigorosem Verhalten die Gewerbefreiheit, zu der zweifellos der Wettbewerb gehört, tatsächlich oftmals nur noch auf dem Papier bestand und der Wettbewerb tatsächlich aufgehoben war. Die heutige soziale Marktwirtschaft vollzieht sich daher in einem Ordnungsrahmen, der die von den Schiffern beklagte Zügellosigkeit der Gewerbefreiheit und ihre Selbstzerstörung verhindern soll. Zu diesem Ordnungsrahmen gehört z.B. das Kartellgesetz.

Nach den Worten der beschwerdeführenden Schiffer hatten bereits Fuhrleute erklärt, mit ihren Frachtwagen zukünftig Horneburg als Verladeplatz zu meiden, wenn das Verhalten von Heitmann und Jahnsen anhalte. Für die Schiffer hatte das zur Folge, daß nicht nur sie sondern auch jene Gewerbe, für welche die Fuhrleute eine Nahrungsquelle seien, brotlos würden und letztlich der gesamte Flecken Schaden nehme.

Daher beantragten die Schiffer, an den beiden Hauptfrachttagen, Sonntag und Montag, die Reihefahrten wieder einzuführen und von diesen Fahrten Heitmann und Jahnsen keineswegs auszuschließen, sie vielmehr in die Fahrten einzubeziehen.

Die Stader Regierungskommission forderte vom Horneburger Burggericht einen „aufklärenden Bericht“. Das Gericht sollte sich sowohl über die Fakten der Beschwerde als auch über die Nachteile äußern, die durch die „gänzliche Ungebundenheit“ der Schifffahrt im Vergleich mit den früheren Reihefahrten entstanden waren.

2. Beweiserhebungen des Burggerichtes

Zu den Tatsachen verhörte das Gericht mehrere Einwohner des Fleckens, als ersten auf „Eid und Dienstpflicht“ den Fleckensgevollmächtigten Feindt, Leineweber von Beruf, der die Beschwerden als nicht grundlos bezeichnete. Er bestätigte, daß sich die Knechte von Heitmann und Jahnsen besonders des Sonntags bis Issendorf und dem Heidkrug34) begeben würden, um Fuhrleuten eine billige Überfahrt nach Hamburg zuzusichern. Feindt bestätigte auch, daß die Fuhrleute anschließend bis an die Schiffe „escortiert“ würden und daß Passagiere nach Buxtehude geschickt wurden. Er wußte schließlich, daß die des Fehlverhaltens beschuldigten Schiffer in der Woche vor Ostern drei Leute von Montag bis Donnerstag aufgehalten hätten, nur um ihren abwesenden Schiffen eine Anschlußfracht zu sichern.

Anmerkung: Die Fleckensgevollmächtigten waren Vertretungsorgane der Gemeinde, eine Art Gemeinderat oder Gemeindeausschuß. Sie wurden nicht gewählt oder bestellt sondern kamen durch den Reihedienst ins Amt, eine Verpflichtung für bestimmte Bürger, öffentliche Aufgaben zu übernehmen. Ihnen oblagen u.a. kontrollierende Aufgaben in der Gemeinde, und sie sollten auch besonders für den Frieden im Dorf sorgen.35)

Über die Wirkung der Strategie von Jahnsen und Heitmann gab der Gevollmächtigte zu Protokoll, daß die betroffenen Schiffer nur wenig verdient hätten und daß Kohrs als alter Mann besonders betroffen sei, da er kein weiteres Gewerbe ausübe. Nach seiner Beurteilung war die Zahl der Horneburger Fährschiffer zu hoch, und er glaubte, daß der eine oder andere scheitern werde. Zur Zeit seines Verhörs war die Lage so, daß Jahnsen und Heitmann alle Frachten an sich gezogen hatten.

In einem zweiten Gerichtstermin wurden die Gastwirte Krönke, Gründahl und Hartmann vernommen. Nach Belehrung, die Wahrheit so zu sagen als wenn sie beeidigt worden wären, äußerten sie sich vor allem über den Umgang von Heitmann und Jahnsen mit Reisenden. So berichtete Krönke, daß „drei Frauenspersonen“ aus Harsefeld auf ihre Anfrage bei Jahnsen, wann er nach Hamburg fahre, die Auskunft erhielten, er fahre am Donnerstag. Als sie sich zu diesem Termin einfanden, habe er gesagt, daß er am Sonntag fahre und sonst fahre niemand. Am folgenden Tage wurden sie nach Aussage von Krönke dann vom Schiffer Barmföhr mitgenommen. Krönke bestätigte auch, daß Jahnsen einen Reisenden nach Buxtehude wies, obwohl Barmföhr am folgenden Tage gefahren sei. Gründahl, mit Jahnsen weitläufig verwandt, berichtete von drei Reisenden aus Bremen, die von Jahnsen die Auskunft erhielten, daß vor dem Sonntage niemand nach Hamburg fahre. Als die Reisenden auf die Straße kamen und nach Buxtehude gehen wollten, habe ihnen eine „Frauensperson“ mitgeteilt, es sei soeben ausgerufen, daß Ungefroren am folgenden Tag fahre. Hartmann bestätigte das Ausschwärmen der Schiffersknechte auf die Straßen und sah Nachteile für den Ort, wenn die Übernachtungen zurückgingen, weil Leute fortgeschickt würden. Nach seiner Aussage war das Verfahren der beiden so ortskundig, „daß jeder darüber spreche.“ Heilsam war für Hartmann die Wiedereinführung der Reihefahrten. Notwendig war für die Reisenden, so seine abschließende Bemerkung, die Gewißheit zu haben, daß jeden Tag von Horneburg ein Schiff abgehe.

3. Bericht des Burggerichtes an die Regierung in Stade

Nach diesen Verhören zur Ermittlung der Tatsachen erstattete das Horneburger Gericht am 30. April 1816 den von der Stader Regierungskommission angeforderten Bericht. Offenbar hielt es die Ergebnisse des Verhörs – das Protokoll wurde als Anlage dem Bericht beigefügt – für zutreffend und zog daraus die Folgerung, daß die Supplikanten Hilfe verdienten.

Skeptisch war das Gericht jedoch gegenüber dem von den Schiffern gemachten Vorschlag, nur am Sonntag und Montag die Reihefahrt wieder einzuführen. Zwei Tage genügten nach Gerichtsmeinung nicht, um dem Verhalten von Jahnsen und Heitmann Einhalt zu gebieten. Das Gericht glaubte vielmehr, daß die beiden Schiffer es darauf anlegen könnten, die auf den Montag und Sonntag beschränkten Reihefahrten dadurch zu umgehen, daß sie Frachtfahrer und Reisende beeinflußten, nicht an diesen sondern an den anderen, von Reihefahrten freien Tagen, zu kommen.

Daher wiederholte das Gericht seinen schon früher gemachten – aber von der Regierung in Stade verworfenen – Vorschlag, sämtliche Fahrten nach Hamburg und Altona einer „beständigen“ Reihefahrt zu unterwerfen, alle anderen Fahrten aber von einer solchen Auflage frei zu lassen.

Noch einmal führte das Gericht die Gründe für seinen Vorschlag an. Nach seiner Darstellung gab es Einwohner, die einen „nicht unbedeutenden“ Handel mit Holz, Steinen und Torf betrieben, der auf die Schifffahrt angewiesen war. Es verwies auch auf die bereits zu Anfang dieses Berichtes angeführte Interdependenz. Die Schifffahrt, durch die der Ort, so das Gericht, gewissermaßen sein Leben erhalte, habe auch bedeutende Auswirkungen auf die Struktur des Handwerks. Ohne die Schifffahrt würde Horneburg nach Gerichtsmeinung nur einer „sich blos vom Bürgerlichen Gewerbe nährenden Stadt gleichen.“

Wir haben schon bemerkt, daß seitens des Gerichtes die Absicht verfolgt wurde, den konzessionierten Schiffern ihren Verdienst zu sichern. Die Notwendigkeit eines Schutzes der Schiffer begründete das Gericht in dieser Stellungnahme nun auch mit den von ihnen vorgenommenen Investionen. Es verglich Landfuhrleute mit Schiffern und wehrte sich gegen ihre Gleichstellung, die es seitens der Regierung offenbar vermutete. Landfuhrleute mußten nach Gerichtsmeinung für ihren Betrieb (in der Akte: Etablissement) etwa 100 Rtlr aufwenden, für ein Schiff seien hingegen 800-1000 Rtlr erforderlich. Im Falle des Fallierens eines Schiffers, so der Hinweis des Gerichtes, sei die Zahl der Betroffenen weit größer als bei einem Landfuhrmann, der zahlungsunfähig würde.

Schließlich gab das Gericht zu erwägen, ob nicht den Supplikanten eine Entschädigung zu gewähren sei. Sie sollten für einige Zeit das ausschließliche Recht zur Reihefahrt haben.

4. Erneute Anordnung von Reihefahrten

Die Regierungskommission traf ihre Entscheidung am 3. Mai 1816. Sie erkannte an, daß Jahnsen und Heitmann durch ihr Vorgehen die übrigen Schiffer behindert und ihrem Gewerbe Schaden zugefügt hatten. In Stade war man auch überzeugt, daß solches Verhalten auf den „Nahrungsbetrieb des Fleckens einen nachtheiligen Einfluß haben würde.“ Die Kommission stimmte mit den Schiffern schließlich darin überein, daß der Grundsatz der freien Schifffahrt keineswegs mit der Erlaubnis verbunden sei, alle Ordnung zu vernachlässigen und Einzelnen und dem Publikum Schaden zuzufügen.

Um die zutage getretenen Mißstände zu unterbinden, die Vorteile der Schifffahrt für den Flecken und seiner Umgebung zu sichern, wurde die Reihefahrt wieder eingeführt, allerdings nur in dem Umfang wie von den Schiffern beantragt, nämlich am Sonntag und Montag. Alle Personen, Sachen und Waren, die an diesen beiden Tagen nach Hamburg und Altona transportiert werden sollten, durften nur von demjenigen Schiffer weggebracht werden, der mit der Fahrt nach diesen Städten an der Reihe war. Eine Ausdehnung auf weitere Wochentage, wie vom Burggericht vorgeschlagen, wurde von der Kommission mit der Begründung abgelehnt, daß ihres Wissens der Umfang der Transporte an diesen Tagen von geringer Bedeutung sei und sich vornehmlich auf Holz und Torf erstrecke. An diesen Tagen sollte es daher jedem Schiffer erlaubt sein, sein Schiff zu befrachten. Die Reihefahrten sollten der Aufsicht des Gerichtes unterstellt werden.

Das Burggericht wurde angewiesen, den Schiffern diese Entscheidung zu eröffnen und entweder durch Los oder gütliche Einigung unter den Schiffern die Reihenfolge zu ermitteln. Hierfür lieferte die Kommission gleich eine Richtlinie mit. Es sollte derjenige, welcher zuerst an der Reihe sei, „die Fahrt am ersten Sonntage, der zweyte die Fahrt am Montage, dieser aber sie am nächsten Sonntage, und der dritte solche am Montage hat, und so in gleicher Weise fort, bis alle Schiffer beyde Reihefahrten gehabt haben, da denn der turnus von neuem wieder anfängt.“

Zwar war die Kommission überzeugt, daß die Schiffer diese Regelung begrüßen und befolgen würden, sie hielt dennoch Strafbestimmungen für notwendig. Jeder, der diese Bestimmungen verletzte oder seinem Nachfolger in der Reihe auf unerlaubte Weise Verdienst entzog, wurde mit einer Strafe von 2-5 Rtlr bedroht. Die Strafe sollte der Entschädigung des „Bevortheilten“ dienen.

Bereits einen Tag nach ihrem Eintreffen eröffnete das Burggericht den Schiffern die Entscheidung aus Stade, um die Reihenfolge der Fahrten und ihren Beginn festzulegen. Da unter den Beteiligten keine gütliche Einigung zu erzielen war, was nach dem Aktenstudium nicht verwunderlich ist, mußte die Reihenfolge im Losverfahren ermittelt werden; der Beginn der Fahrten wurde auf den folgenden Sonntag festgesetzt.

E. Das Schifffahrtsreglement aus dem Jahre 1816

Sehr bald nach Inkrafttreten der Reiheordnung gemäß der Entscheidung der Stader Regierungskommission erließ das Burggericht ein neues Schifffahrtsreglement, dessen Wortlaut an dieser Stelle vollständig wiedergegeben wird:

Schifffahrts Reglement

vom 1ten Juni 1816

Articulus 1.

Derjenige Schiffer, an welchen die Reihe der Sonntags oder Montags Fahrt nach Altona und Hamburg steht, ist allein berechtigt, die an beyden Tagen ankommenden Personen, Sachen und Waaren zur Ueberfahrt anzunehmen, und bleibt solches den übrigen Schiffern selbst dann, bey Vermeidung der gesetzlichen Strafe von 2 bis 5 Rtlr, welche nach Beschaffenheit der Umstände auferhöhet werden wird, verboten, wenn die Reisenden sie, unter Zusicherung der Entschädigung zur Ueberfahrt auffordern sollten.

Es ist vielmehr in solchen Fällen dem Gerichte davon die Anzeige sofort zu machen, und soll sodann nach Befinden der Umstände eine andere jedoch nur für diesen Tag geltende Verfügung getroffen werden, damit übrige Reisende nicht aufgehalten, und das Intereße sämtlicher Schiffer nicht gefährdet werde.

Articulus 2.

Das Recht des an der Reihe stehenden Schiffers, Waaren, Sachen und Personen anzunehmen dauert – wenn in Beziehung auf den vorhergehenden Artikel von Gerichtswegen kein anderes Regulativ getroffen wird – vom Tagesanbruch des Sonntags und Montags bis Abends 10 Uhr der genannten Tage.

Articulus 3.

Was danach Sonntag Abends nach 10 Uhr noch ankömmt, gehört dem Montags Schiffer, und was des Montags Abends nach 10 Uhr sich noch meldet, kann durch jeden anderen Schiffer weggebracht werden.

Art. 4.

Jeder Schiffer ist auf Erfordern und bey vorhandenen Verdachtsgründen verpflichtet, sich eidlich zu reinigen, daß er sich auf keine Weise irgend eines Mittels bedient habe, die vorhergehenden Artikel zu umgehen, unanwendbar zu machen, und sich Fracht für andere freye Schifffahrts Tage zu verschaffen, die ihm sonst nicht zu Theil geworden seyn würde.

Articulus 5.

Der Sonntags und Montagsschiffer ist nie verpflichtet, am Sonntage oder Montage abzufahren, sondern er kann die Fahrt respective bis zum Montage und Dienstage Morgens aufschieben, und nur eine gerichtliche Ermächtigung kann hiervon eine Ausnahme machen, wobey auf Wind, Wetter und andere Einfluß habende Nebenumstände Rücksicht genommen werden soll.

Articulus 6.

Alle von vorstehenden Artikeln abweichende und vom Gerichte zu machenden Bestimmungen werden nur dann Statt finden, wenn eine wenigstens aus 4 Schiffern bestehende Deputation in Person die Nothwendigkeit und den Nutzen zum Besten des Publici und der Schifffahrt mit gültigen Gründen darthun wird.

Anmerkung: Mit der Bestimmung, wem die vom Tagesanbruch bis 10 Uhr abends an den Reihetagen ankommende Fracht zustehe, klärte das Burggericht einen Streit, mit dem es sich noch wenige Tage vor Erlaß des Reglements beschäftigen mußte. In diesem Streit ging es darum, bis wann an einem Sonntag dem Schiffer, der an der Reihe war, die ankommende Fracht zustehe. Einig war man sich noch, daß dem Schiffer dieses Recht bis zu seiner Abfahrt zustehe. Das Gericht zog Erkundigungen über die „frühere Observanz in Ansehung der Abfahrt der Schiffe“ ein. Natürlich wurden unterschiedliche Angaben gemacht; sie schwankten zwischen 5 und 10 Uhr abends, wobei Wasserstand sowie Sommer und Winter eine Rolle spielten. Es kam auch vor, daß der Sonntagsschiffer erst am Montag abfuhr. Sicher ist positiv zu bewerten, daß sowohl dem Sonntags- als auch dem Montagsschiffer nach dem neuen Reglement ausdrücklich gestattet wurde, erst am folgenden Tage abzufahren.

Im Jahre 1817 erklärten die Schiffer vor dem Horneburger Gericht, daß es zum Besten des Publikums sei, wenn diese Bestimmung geändert werde. Ihres Erachtens war es notwendig, daß es jedem Sonntags- oder Montagsschiffer frei stehen solle, alle vor seiner Abfahrt, die vom Wasserstand abhängig war, ankommenden Sachen, Personen oder Waren zur Überfahrt anzunehmen, ganz gleich ob es am späten Abend oder am frühen Morgen sei. Sie wollten, wie sie sagten, für Reisende unnötige Wartezeiten vermeiden. Als das Gericht von ihnen eine Äußerung erbat, ob der dritte Artikel des Reglements aufgehoben oder wie er verändert werden sollte, konnten sie keine Angaben machen. Es blieb also bei der Regelung des Reglements.

Der Artikel 4 ist eine Antwort auf das Verhalten von Jahnsen und Heitmann in der Vergangenheit. In den vorhandenen Akten ist kein Beleg darüber vorhanden, daß sie oder ein anderer Schiffer weiterhin Frachtwagen auf den Zufahrtsstraßen nach Horneburg abfingen.

Die Akten des Staatsarchivs berichten von wiederholten Verstößen gegen das Reglement, vor allem wegen unberechtigter Annahme von Frachten, die anderen zustanden und von unberechtigten Fahrten. Sie berichten auch von Vorkommnissen, bei denen Strafen verhängt wurden.

Nach Erlaß des Reglements mußte ein in seinen Bestimmungen nicht behandeltes Problem einer Lösung zugeführt werden. Es handelt sich um die Frage, wann die Reihefahrten jährlich beginnen und wann sie enden sollten. Zwar war es möglich, einen Plan aufzustellen, aus dem ersichtlich war, welchem der Schiffer an den nach dem Kalender möglichen Reihetagen eines Jahres die Fahrt zustand. Nur konnte dieser Plan wegen der Witterung im Winter nicht eingehalten werden. Die Schiffer wollten ungeachtet der Witterung die Reiheordnung fortzählen, und es sollte im Frühjahr derjenige beginnen, welcher an der Reihe war. Das Horneburger Gericht folgte diesem Wunsche der Schiffer nicht, sondern bestimmte im Frühjahr 1817 folgendes: Die Reihefahrt sollte im Herbst mit Martini, also am 11. November, aufhören und am Palmarum des folgenden Jahres wieder beginnen und zwar mit demjenigen Schiffer, „welcher im Herbst die letzte Fahrt Sonntags oder Montags gehabt haben würde.“

Diese Regelung der Beendigung der Reihefahrt im Herbst deckte sich nicht immer mit dem Interesse der Schiffer. So herrschte z.B. am Martinstag des Jahres 1817 ein Wetter, das nach Auffassung der Schiffer noch die Fortsetzung der Reihefahrten erlaubte. Sie wurden deshalb beim Gericht vorstellig und erreichten für dieses Jahr die Fortsetzung der Fahrten über Martini hinaus bis zum Eintreten des Frostwetters. Ihnen wurde zur Auflage gemacht, dem Gerichte die Einstellung dieser Fahrten mitzuteilen und den Schiffer namhaft zu machen, der die letzte Fahrt hatte.

Im Jahre 1824 baten die Schiffer das Burggericht erneut um eine Änderung des Endes und des Beginns der Reihefahrten. Sie schlugen vor, daß die Sonntags- und Montagsfahrten solange dauern sollten, wie es das Wetter zulasse und im Frühjahr am Sonntag nach Fastnacht wieder beginnen sollten. Wenn das „Wasser“ aber noch keine Fahrt zulasse, so solle derjenige, welcher an der Reihe sei, der Fahrt verlustig gehen. Eine Eigeninitiative der Schiffer offenbarte sich darin, daß sie die Reihefahrten schon nach diesem Verfahren begonnen hatten. Das Gericht bestätigte diese Regelung, „weil kein Grund der Verwerflichkeit vorhanden war, als von nun an gültig.“

Anmerkung: Frostwetter konnte die Schifffahrt in der Tat sehr beeinträchtigen. In der Familienchronik Löhden wird aus der Zeit des Schiffers Barthold Löhden – das Jahr steht nicht fest – berichtet, daß er mit seinem Stiefsohn Hinrich Hagenah zu Martini mit einer Ladung Torf nach Hamburg fuhr. Während der Liegezeit im dortigen Hafen wurden sie von so starkem Frost überrascht, daß die Elbe „zum Stehen“ kam. Erst in der stillen Woche des folgenden Jahres konnten sie ihn holen. Einen dadurch drohenden Verlust glich Löhden aus. Er organisierte 18 Gespanne zum Torffahren nach Hamburg, die, wie es in der Chronik heißt, „ihren Weg auf der Lühe und dann auf der Elbe entlang nahmen.“

Eine weitere Frage, die zumindest aus der Sicht der Schiffer sehr wichtig war, bezog sich auf einen ganz besonderen jährlichen Reihetag, dem Palmsonntag. Die Fahrt an diesem Feiertag fand im Jahre 1824 das besondere Interesse der Schiffer. Dieser Sonntag, bekanntlich der vom Gericht bis zu diesem Jahr verordnete jährliche Beginn der Reihefahrten, galt unter ihnen als der „einträglichste“ Tag des Jahres. Da das Datum dieses Tages von Jahr zu Jahr schwankt, konnte es geschehen, daß der eine oder andere Schiffer an diesem Tage niemals in den Genuß der Reihefahrt kam. Daher wünschten die Schiffer, eine besondere Reihenfolge für diesen Tag durch das Los zu ermitteln. Diesem Antrag wurde durch das Gericht zugestimmt und die Reihenfolge bis zum Jahre 1830 ermittelt.

F. Zwiespältige Situation des Horneburger Burggerichtes

Das Horneburger Burggericht befand sich in diesen Jahren in einer zwiespältigen Lage. Einerseits war es an den Grundsatz der freien Schifffahrt durch Rescripte der Stader Regierung gebunden, andererseits hielt es dessen Auswirkungen für untragbar und war bemüht, den Vollzug zu vermeiden. Das zeigt ein Fall aus dem Jahre 1818. Im Mai dieses Jahres erreichte das Gericht ein Schreiben der Stader Provinzialregierung. Es sollte zu einer Beschwerde der Frachtschiffer Claus Barmföhr, Hinrich Cohrs und Consorten Stellung nehmen. Sie fühlten sich in der Ausübung ihres Schiffergewerbes dadurch beeinträchtigt, daß sich im Flecken mit Genehmigung des Gerichtes zwei Häuslinge aus dem Alten Lande als Schiffer niedergelassen hatten.

Das Gericht berichtete der Regierung, daß durch diese Niederlassung die Zahl der Fährschiffe nicht angewachsen sei. Die Häuslinge, Berend zum Felde und Jacob Bartels mit Namen, hatten das Schiff des bisherigen Schiffers Jahnsen je zur Hälfte erworben und 600 bzw. 550 Mark als Kaufpreis bezahlt. Für Jahnsen war es ein Verkauf, der es ihm ermöglichte, ihn bedrängende Gläubiger zu bezahlen und einen drohenden Konkurs zu vermeiden. Er lebte jetzt vom Holzhandel und „Krugnahrung“. Das Wisch-Gericht und das Grefen-Gericht in Jork hatten beiden Altländern, die sich auch in Horneburg häuslich niederließen, einen einwandfreien Leumund attestiert.

Anmerkung: Für die Umrechnung von Mark in Taler kann ein Verhältnis von 3:1 angenommen werden, d.h. 3 Mark gleich 1 Taler.36)

Unter Hinweis auf Rescripte der Regierung vom 30.4.1808, vom 21.4. und 15.5.1809 und vom 3.5.1816, so das Gericht, mußte es die Niederlassung zulassen. Nirgendwo werde die Ausschließung Auswärtiger gefordert, es werde auch der Schutz jedes Untertanen verlangt, „und es soll von einem Privilegio exclusivo, oder einer sonstigen Einschränkung der völlig freyen Schifffahrt überall nicht die Rede seyn.“ Nach Meinung des Gerichtes wollte die Regierung das Fahren von Frachten mit Pferd und Wagen oder per Schiff gleich behandeln und wenn es einem Häusling freigestellt sei, so das Gericht weiter, sich zum Frachtfahren ein Fuhrwerk anzuschaffen, könne man ihm nicht den Erwerb eines Schiffes zum gleichen Zweck untersagen.

So weit die Befolgung erlassener Vorschriften durch das Burggericht.

Andererseits hielt es das Gericht nicht für möglich, daß die damals vorhandenen sechs Fährschiffe ihre Besitzer ernähren konnten. Es stellte die Frage, was es dem Staate nütze, wenn jeder ein Gewerbe nach eigener „Willkühr“ betreiben könne, es nach wenigen Jahren aufgeben müsse und alle Mittel verloren habe, um etwas Neues zu beginnen. Nach den Angaben des Gerichtes war dies bei dem Schiffer Sander der Fall und werde vermutlich auch bei zum Felde und Wahlen eintreten.

Nach Meinung des Gerichtes waren für ein neues Schiff 700-800 Rtlr aufzuwenden, es bleibe 18-20 Jahre brauchbar, und nur bei guten Zeiten hatte ein Schiffer dann so viel erübrigt, daß er ein neues Schiff kaufen konnte. Viel besser war nach Meinung des Gerichtes derjenige gestellt, der für den gleichen Betrag ein kleines Wohnhaus kaufe, um darin sein Gewerbe auszuüben. Der Wert eines Wohnhauses war nach Auffassung des Gerichtes durch die Brandkasse „auf ewige Zeiten“ gesichert.

Anmerkung: Die Skepsis des Gerichtes erscheint gerechtfertigt. Der o.g. Schiffer Jacob Bartels geriet in Konkurs. Die Konkursmasse wurde am 24.4.1819 verteilt.37) Ob nun die Gründe des Konkurses, wie bei anderen Verfahren dieser Art auch, letzten Endes ihre Ursache in der Ausübung der Schifffahrt hatten, kann heute nicht mehr beurteilt werden; andere Gründe sind auch denkbar.

Erneut bat das Gericht um einen erweiterten Schutz der Horneburger Schiffer, „ohne daß es gerade ein unabänderliches Privilegium zu sein braucht.“ Es bat um Prüfung folgender Fragen:

Erstens sollten vorerst nicht mehr als die vorhandenen sechs Schiffe zugelassen werden. Sollte einer der Schiffer – wie Jahnsen und Sander – in Vermögensverfall geraten, so sollten die übrigen Schiffer verpflichtet sein, das Schiff nach dem „Taxator“ anzukaufen.

Zweitens sollte Altländer Schiffern verboten werden, an den Tagen der Reihefahrt in Horneburg anzulegen. Für auswärtige Schiffer sollten nur die übrigen Tage der Woche frei bleiben, damit das Publikum sich ihrer bedienen könne, wenn es sich mit den hiesigen Schiffern nicht einigen könne.

Drittens sollte es der Regierung vorbehalten bleiben, obige Punkte zu ändern, falls die Zeitumstände es erforderlich machten.

Zum Schluß vermutete das Gericht, daß die Schifferinnungen in Stade und Buxtehude ihre Entstehung wohl nur dem Sachverhalt verdankten, daß man höheren Ortes überzeugt war, daß ein im Schifffahrtsgewerbe investiertes Kapital besonderen Schutz verdiene, „wenn der Unternehmer nicht mehr als ein anderer Staatsbürger seinem Ruin aus gesetzt seyn sollte.“

Die Antwort der Stader Regierung ist nicht bekannt.

G. Ordnung der ElbSchifffahrt durch die ElbSchifffahrtsakte im Jahre 1822

In der Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815 wurde vereinbart, die Schifffahrt auf den Strömen (=größere Flüsse. d.Verf.) zu ordnen. Was in Vollzug dieser Vereinbarung die Elbe betrifft, wurde zur Förderung von Handel und Schifffahrt am 23. Juni 1821 von den Anliegerstaaten dieses Flusses die „Elbe=Schifffahrts=Acte“ abgeschlossen. Diese Akte wurde am 23. Januar im Königreich Hannover bekannt gemacht und zum 1. März 1822 in Kraft gesetzt.38) Im einzelnen wurde die Praktizierung der Akte durch Verordnung vom 7. Februar 1822 geregelt.39) Obwohl die Akte bestimmte, daß sie auf die Schifffahrt, die sich nur auf das Gebiet eines Landesherren erstreckte, keine Anwendung finde, ordnete das Königreich Hannover jedoch mit Verordnung vom 11. Februar 1822 an, daß die Verordnung vm 7.2 auch für diese Schifffahrt gelten solle.40)

Es ist für diese Abhandlung sicherlich nicht notwendig, den gesamten Inhalt der Verordnung vom 7. Februar 1822 darzustellen. Von Bedeutung für die Erteilung einer Konzession zur Schifffahrt sind vor allem die Artikel 1-4.

Danach mußte jeder, der die ElbSchifffahrt mit einem eigenen Schiff ausüben wollte, sich bei seiner Ortsobrigkeit melden und die Erteilung eines Erlaubnisscheines beantragen. (Art.1)

Zur Ausstellung dieser Erlaubnisscheine waren die Magistrate „in den canzleisässigen Städten, so wie die Beamten Unserer Ämter, nicht minder die Gerichtshalter in den geschlossenen adligen Gerichten“ berechtigt. (Art.2)

Anmerkung: Ein geschlossenes Gericht war den Ämtern gleichgestellt (koordiniert), im Gegensatz zu anderen Gerichten, die Ämtern untergeordnet (subordiniert) waren. Horneburg war ein geschlossenes Gericht.41) Die Burgmänner waren also zur Ausstellung von Erlaubnisscheinen berechtigt.

Vor der Erteilung eines Erlaubnisscheines hatten die zuständigen Behörden die persönliche Eignung des Bewerbers und seine Kenntnisse in der Schifffahrt zu prüfen. Das Leben der Passagiere und das Eigentum an der geladenen Fracht sollte nicht durch Unkenntnis und Fahrlässigkeit gefährdet werden. Verurteilungen zu einer kriminellen Strafe und wiederholte „Zoll= und Steuer=Defraudationen“ schlossen die Erteilung eines Erlaubnisscheines aus. Zu prüfen war schließlich die Brauchbarkeit der Schiffe und auch die Frage, ob auf den Schiffen eine geeignete Mannschaft diente. (Art.3) Weitere Anforderungen für die Erteilung eines Erlaubnisscheines sah die Schifffahrtsakte nicht vor.

Nach positivem Ausgang der Überprüfungen mußte der Erlaubnisschein unverzüglich

erteilt werden. Er mußte nach erneuter Prüfung gemäß Artikel 3 nach Ablauf eines Jahres erneuert werden. Die Gebühr für den Schein betrug 12 Ggr, wegen der einzuleitenden Prüfung hatten die Schiffer keine besonderen Gebühren zu entrichten. (Art.4)

Der Verordnung vom 7. Februar 1822 ist das Muster eines Erlaubnisscheines beigefügt.

No. Königreich Hannover

Erlaubniß=Schein zur Ausübung der Elb=Schifffahrt

für

den Schiffer N. N. aus

Nachdem der Schiffer N. N. aus bei uns um Ertheilung eines Erlaubniß=Scheins zur Ausübung der Elb=Schifffahrt geziemend nachgesucht hat und gegen seine persönlichen Eigenschaften, so wie gegen die Beschaffenheit seines Fahrzeuges nichts zu erinnern gefunden worden ist: so wird demselben Kraft Allerhöchsten Auftrags hiedurch die Erlaubniß ertheilt, auf der ganzen Strecke von Melnick in Böhmen bis in die offene See und aus der offenen See bis Melnick mit seinem unter No. verzeichneten Fahrzeuge die Schifffahrt auszuüben, und werden sämtliche hohe Elb=Ufer=Staaten, deren Flußgebiet derselbe mit seinem Fahrzeuge befahren sollte, hiedurch geziemend ersucht, ihm diejenigen Rechte zuzugestehen, welche durch die Elb=Schifffahrts=Acte für die freie Strohm=Schifffahrt ausbedungen worden sind.

Gegenwärtiger Erlaubniß=Schein ist gültig für ein Jahr und muß sodann gegen einen anderen ausgewechselt werden

So geschehen N. N. den ten

Königlich=Großbritannisch=Hannoversches Amt

(oder) der Magistrat der Stadt

(L. S.) Folgen die Unterschriften

Taxe

Anmerkung: Die ElbSchifffahrtsakte gestattete, wie der Text des Erlaubnisscheines besagt, die Ausübung der ElbSchifffahrt von Melnick in Böhmen bis in die offene See und zurück bis Melnick. Das war vorher nicht möglich, wie Oberschelp berichtet. Hannoversche Schiffer durften die Elbe früher nur bis Schnackenburg befahren; dann war die Schifffahrt „preußischen Untertanen vorbehalten.“42)

Das sich in den Akten befindliche Muster, das den Horneburger Schiffern ausgehändigt wurde, schließt: So geschehen Gericht Horneburg den 28ten Febr. 1822.

H. Auswirkungen der ElbSchifffahrtsakte auf die Reihefahrten

1. Zweifel an den Fahrzeugen und Personen der Schiffer Petersen, Jahnsen und Köpke

Weder die ElbSchifffahrtsakte noch die Einführungsverordnung vom 7. Februar 1822 enthalten direkte Bestimmungen über Reihefahrten und Begrenzungen der Zahl der zuzulassenden Schiffe. Dennoch konnte sich die Akte auf diese Fahrten, wie die folgenden Ausführungen zeigen, auswirken.

Ende Februar 1822 waren die Horneburger Schiffer, Johann Heitmann. Claus Barmföhr, Andreas Hörmann, Berend zum Felde, Claus Wichern, Claus Peters, Jürgen Jahnsen, Gottlieb und Heinrich Köpke und Heinrich Hagenah vom Horneburger Gericht vorgeladen. Ihnen wurde die Verordnung vom 7. Februar d.J. eröffnet, besonders wurde ihnen der Inhalt des Artikels 3 erklärt.

Im Mai 1822 wandten sich drei von ihnen an das Gericht und wiesen zunächst darauf hin, daß ihre Schiffe nach der Verordnung untersucht und als fahrbar befunden wurden. Sie hatten die entsprechenden Papiere erhalten und fühlten sich nun veranlaßt, die Aufmerksamkeit des Gerichtes auf den Torfschiffer Petersen sowie auf die Schiffer Jahnsen und Gottlieb Köpke zu lenken, die als Häuslinge in ihre „Fahrt eintreten“ wollten.

Anmerkung: In den Akten werden als Häuslinge diejenigen Personen bezeichnet, die keinen eigenen Grundbesitz hatten, also zur Miete wohnten.

Der erste Grund ihrer Eingabe war die Beschaffenheit der Schiffe, die von den Häuslingen gefahren wurden. Nach den Worten der Supplikanten, waren sie zur Fahrt

in Sturm und bei schlechtem Wetter, vor allem auch bei Gewitter, nicht mehr geeignet. Zwei dieser Schiffe waren von Horneburger Schiffern, die sie altershalber verkauft hatten, für 300 Mark erworben, ein drittes war lange außerhalb des Fleckens auf Werften zum Verkauf angeboten worden.

Heitmann und Consorten gaben diese Hinweise, wie sie sagten, aus Sorge um das Wohl der Mitmenschen. Sie sorgten sich auch um den guten Ruf der Horneburger Schiffer und um Einkommensverluste, die durch Unglücksfälle Horneburger Schiffe entstehen könnten und deshalb die auswärtigen Frachtwagen und Passagiere veranlaßten, andere Orte als Ausgangspunkt ihrer Schiffsreisen aufzusuchen. Sachverständige sollten, so ihre Bitte, die Schiffe begutachten und unter Eid ihr Urteil über die Brauchbarkeit der Fahrzeuge zu Protokoll geben.

Einwände wurden zweitens gegen die Schiffer persönlich geltend gemacht. Sie waren Häuslinge und einer von ihnen – auch darin sahen die Supplikanten ein Risiko – sogar ledig. Das Risiko bestand nach Meinung der Supplikanten darin, daß die Häuslinge keinen Grundbesitz hatten und nur mit ihrem alten Ewer für Schäden an Personen und Fracht haften konnten. Natürlich hatten sie Beispiele zur Hand. So hatte der Schiffer Bartels in der Vergangenheit den Kaufmann Plotzky um 300 Mark, die ihm zur Ablieferung nach Hamburg mitgegeben wurden, betrogen. Der Schiffer Jahnsen hatte einen Geldbrief verloren, konnte aber damals noch mit seinem Eigentum haften. Daher baten sie das Burggericht, von den Häuslingen die Gestellung einer Kaution zu verlangen, die in der Höhe dem Eigentum der Supplikanten entsprechen sollte.

Als Sachverständige (in den Gerichtsakten: Cunstverständige) schlugen die Supplikanten die Schiffszimmerleute Zitans, Grünendeich und Beus, auf der Höhe im Kirchspiel Borstel, vor.

Das Burggericht gab dem Antrag der Supplikanten statt und setzte den Termin für die Begutachtung der Schiffe auf den 10. Mai 1822 fest. Einen weiteren Antrag, den betroffenen Schiffern den Transport von Gütern und Passagieren vorläufig zu untersagen und ihnen eine Kaution abzufordern, lehnte das Gericht ab. Es erklärte, dazu nicht ermächtigt zu sein. Vielmehr lag es in der Absicht des Gerichtes, nach Abgabe der Gutachten der Regierung in Stade zu berichten und um Entscheidung zu bitten. Die fehlende Ermächtigung begründete das Gericht damit, daß die Regierung die Schifffahrt für frei erklärt habe. Schließlich forderte das Gericht die Supplikanten unter Androhung von Strafe auf, sich bis zum Abschluß des Verfahrens jeglicher Beeinträchtigung der betroffenen Schiffer, besonders „in Ansehung der Reihefahrt am Sonntage und Montage“, zu enthalten. Diese Auflage des Gerichtes läßt zumindest vermuten, daß es den Supplikanten nicht nur um den guten Ruf des Fleckens und seiner Schifffahrt sondern auch um einen Ausschluß der Häuslinge aus den Reihefahrten und damit um eine Begrenzung der Teilnehmer an diesen Fahrten ging.

2. Gutachten und ihre Folgen

An dem zur Begutachtung der Schiffe festgesetzten Termin am 10. Mai 1822 erklärten die Sachverständigen Zitans und Beus, ohne Hinzuziehung eines Schiffers kein Gutachten über die Brauchbarkeit der Fahrzeuge abgeben zu können. Sie schlugen als geeignete Personen entweder den Schiffer Dahs aus Steinkirchen oder den Schiffer Jungclaus aus Neuenkirchen vor.

In einem neuen für den 17. Mai anberaumten Termin erschienen die Sachverständigen dann mit dem Schiffer Jungclaus. Erschienen waren auch die Eigentümer der zu untersuchenden Schiffe. Nach ihrer Vereidigung, der eine Verwarnung vor einem Meineide vorangegangen war, wurden die Sachverständigen vom Gerichtsdiener Flachsbart an die Schiffe geführt. Der Gerichtsdiener hatte dafür zu sorgen, daß die Gutachter nicht durch dritte Personen oder die Schiffseigentümer bei ihren Untersuchungen gestört wurden.

Noch am selben Tage gaben sie ihre Gutachten mit nachstehenden Ergebnissen zu Protokoll.

a) Das Schiff Jahnsen: Der Gutachter Zitans sah dieses Schiff nicht als geeignet an, bei jeder Witterung auf der Elbe zu fahren, da es nicht dauerhaft und gut gebaut sei. Er befürchtete Gefahren für Passagiere und geladene Güter. Nach seinem Urteil war das Schiff nur noch bei stillem und ruhigem Wetter zum Transport von Holz und Torf auf der Elbe geeignet, da ein Schiffer dann im Gegensatz zu Passagier- und Frachtfahrten die Zeit für seine Fahrten frei wählen könne. Auf Befragen durch das Gericht, ob er Jahnsen für einen der Schifffahrt kundigen Mann halte, erklärte Zitans, daß er das nicht genau beurteilen könne und verwies auf den Schiffer Jungclaus.

Der Gutachter Beus kam hinsichtlich der Eignung dieses Schiffes zum gleichen Ergebnis, war aber in seinem Urteil über den Zustand des Schiffes im Ausdruck drastischer als Zitans, indem er kurz und bündig erklärte, das Schiff sei „miserabel.“ Er schloß nicht aus, daß das Schiff durch eine „bedeutende“ Reparatur noch für einige Zeit brauchbar gehalten werden könne. Die Kosten einer solchen Reparatur könne man, so der Gutachter, erst nennen, wenn die Arbeit begonnen und das Schiff an Land gebracht sei.

Der Schiffer Jungclaus bestätigte im wesentlichen die Urteile der Schiffzimmerleute. Zu den noch möglichen Holz- und Torffahrten meinte er, eine solche Fracht könne naß werden, da sie nur von geringem Wert sei. Jahnsen möge von der Schifffahrt so viel verstehen, um nach Hamburg fahren zu können, und was er nicht verstehe, das könne sein Gehilfe, der schon länger gefahren sei, meinte er zur persönlichen Eignung von Jahnsen.

b) Das Schiff Petersen: Zitans hielt dieses Schiff nicht für besser als das Schiff von Jahnsen und gab zu Protokoll, daß es nur noch zum Transport von Holz und Torf tauglich sei.

Sachverständiger Beus hielt dieses Schiff für etwas besser als das Schiff von Jahnsen. Bei gutem und stillem Wetter konnte es seiner Ansicht nach noch notdürftig einen Sommer zum Transport von Menschen und Gütern gebraucht werden. Das gelte jedoch nicht bei stürmischem Wetter, ein Gebrauch des Fahrzeuges sei dann gefährlich und nicht ratsam. Holz- und Torftransporte hielt er für unbedenklich.

Der Schiffer Jungclaus hob hervor, daß das Tauwerk, die Seilage, die Anker und Segel in gutem Zustande seien, um damit zu fahren. Das übrige Holzwerk schloß hingegen nach seinen Worten aus, das Schiff als brauchbar im Sinne der Verordnung vom 7. Februar zu bezeichnen. Er konnte auch nicht dazu raten, es reparieren zu lassen. Wenn das sinnvoll gewesen wäre, so muß man seine weiteren Einlassungen verstehen, hätte es der vorige Eigentümer Barmföhr nicht verkauft. Zur persönlichen Eignung von Petersen konnte er kein Urteil abgeben. Er verwies jedoch darauf, daß Petersen schon etwa 3-4 Jahre von Horneburg aus gefahren sei und daß man nichts Nachteiliges gehört habe. Den Gehilfen im jugendlichen Alter von 16 Jahren hielt er noch nicht für geeignet, es fehlten ihm noch Kräfte und Erfahrung, um den Gefahren auf der Elbe, besonders des Nachts, auszuweichen.

c) Das Schiff Köpke: Dieses Schiff hielt der Gutachter Zitans für besser als die ersten beiden. Nach seiner Meinung konnte es noch einen Sommer lang zu jedem Transport verwendet werden und müsse anschließend, so seine Auffassung, wieder untersucht und vielleicht abermals repariert werden.

Beus erklärte, daß dieses Schiff von „inwandigem Holze noch einigermaßen gut“ und wenigstens besser als die beiden anderen Schiffe sei. Wenn auch die Planken oben zerstört waren, hielt er es dennoch einen Sommer lang noch für brauchbar, da es wasserdicht sei. Nach dieser Zeit hielt er eine „bedeutende“ Reparatur, besonders neue Außenplanken, für notwendig, ohne darüber abschließend urteilen zu wollen.

Beus warf auch noch einmal die Frage der Reparaturen der Schiffe von Jahnsen und Petersen auf. Seines Erachtens waren sie nicht reparaturfähig. Sollten Reparaturen dennoch unternommen werden, so würden die Kosten so hoch sein, daß dafür beinahe neue Schiffe gebaut werden konnten.

Anmerkung: Heute ist dieses Problem vor allem bei Kraftfahrzeugen bekannt. Ab einem gewissen Alter erreicht die Höhe von Reparaturkosten häufig den Wert des Fahrzeuges oder übersteigt ihn sogar und wirft die Frage auf, ob nicht der Kauf eines neuen oder gut erhaltenen Gebrauchtwagens vorteilhafter ist. Andere Überlegungen stellen freilich die Besitzer eines „Oldtimers“ an.

Der Gutachter Jungclaus hielt das Schiff noch für die Dauer eines Jahres zur Elbfahrt geeignet, obwohl die Außenplanken schadhaft und die Seile etwas leicht seien. Eine Reparatur nach einem Jahr hielt er für erforderlich. Gottlieb Köpke war seines Erachtens für die ElbSchifffahrt geeignet. An dieser Eignung fehlte es seines Erachtens jedoch seinen beiden Brüdern, die auf dem Schiff als Gehilfen arbeiteten und beruflich nicht aus der Schifffahrt kamen.

Als Ergebnis der Anhörung der Sachverständigen ist festzustellen, daß die Anzeige gegen die betroffenen Schiffer offenbar nicht unbegründet war. Man kann darüber geteilter Meinung sein, ob deren Motiv wirklich die Sorge um das Wohl der Horneburger Schifffahrt und des Fleckens oder das Bestreben war, die Teilnehmer an den Reihefahrten zu reduzieren. Es kann auch beides gewesen sein.

Sogleich nach Erstattung der Gutachten verhängte das Burggericht unter Androhung einer Strafe von 20 Rtlr gegen die Schiffer Jahnsen und Petersen bis zur Entscheidung der Regierung in Stade ein Verbot, Passagiere und Frachtgüter auf der Elbe, insbesondere an Sonntagen und Montagen (Reihefahrten), zu befördern. Es blieb ihnen weiter unbenommen, Holz, Torf und andere Güter von geringem Wert zu transportieren.

Den Schiffern Heitmann und Consorten wurde am 20. Mai vom Gericht der Bescheid zuteil, daß wegen der Beschaffenheit der Schiffe und der von ihnen aufgeworfenen Frage der Gestellung einer Kaution durch die Häuslinge ein Bericht an die Regierung erstattet sei. Das Gericht befahl ihnen unter Androhung einer Strafe von 5 Rtlr die Gebrüder Köpke in den Reihefahrten nicht zu beeinträchtigen.

Die Entscheidung der Stader Provinzialregierung erbat das Horneburger Burggericht am 20. Mai 1822. Es räumte in seinem Bericht ein, daß die Schiffer Jahnsen, Petersen und Gebrüder Köpke Patente beantragt hatten und teils offenbar ohne nähere Untersuchung der Schiffe erhalten hatten. Als Begründung dafür führte das Gericht für die Schiffe von Jahnsen und Petersen an, daß sie Eigentümer von Schiffen waren, die schon früher in Horneburg zugelassen waren, ohne daß Beanstandungen erhoben wurden. Die Gebrüder Köpke hatten ihr Schiff im Alten Lande erworben, es wurde durch den Verwalter des Burggerichtes untersucht und für brauchbar befunden.

Das Gericht mußte also eingestehen, daß es nach den Ergebnissen der Gutachten eines Besseren belehrt wurde. Es erläuterte der Regierung seine oben dargestellten Entscheidungen und fragte an, ob es von den Schiffern Jahnsen und Petersen die Patente zurückfordern solle oder ob die Regierung eine andere Regelung verfügen wolle, damit die betroffenen Schiffer nicht ganz brotlos würden.

Besonders schwer war nach Meinung des Gerichtes eine Einziehung des Patentes für Jahnsen, der sein Wohnhaus verkauft habe. Er hatte mit dem Rest seines Vermögens das begutachtete Schiff erworben, es jetzt zur Reparatur gegeben und vertraute darauf, wieder die Schifffahrt ausüben zu dürfen.

Petersen hatte schon immer nur Torf und Holz gefahren und sein Compagnon Kursinski war nach Meinung des Gerichtes zu vernachlässigen, weil er durch eine gut gehende Töpferei sein Auskommen habe.

Das Gericht empfahl dann die Frage der Kaution für Häuslinge der besonderen Aufmerksamkeit der Regierung. Es bemerkte, daß der Schiffer Jahnsen bereits früher einmal 30 Pistolen, die ihm vom Kaufmann Winter anvertraut wurden, verloren habe. Weil er damals noch Grundbesitz hatte, konnte er sie ersetzen. So etwas konnte wieder passieren, weil er – wie man heute sagen würde – ein Alkoholproblem hatte.

Anmerkung: Bei den 30 Pistolen, die Jahnsen verloren hatte, handelt es sich nicht um Schußwaffen sondern um einen Geldbetrag. Neben dem Reichstaler, wie bereits bemerkt eine Silbermünze, gab es als Goldmünze die Pistole. Oberschelp gibt den Wert einer Pistole grob mit 5 Reichstalern an und nennt Schwankungen zwischen 4 2/3 Reichstaler und 5 Reichstaler 3 Mariengroschen 2 Pfennige.43)

Das Gericht selbst sah also ein Risiko darin, einem Schiffer, der kein Grundvermögen hatte, Geld oder Güter von Wert anzuvertrauen. Hinzu kam für das Gericht, daß in Horneburg 9 Schiffer, wovon 5 Häuslinge waren, ihr Gewerbe ausübten, eine Zahl, die zu hoch war, um existieren zu können. Die sich dadurch ergebende Not unter den Schiffern stellte nach Gerichtsmeinung eine Verführung zur Unterschlagung dar, die dann auch noch als zufälliger und unverschuldeter Verlust deklariert werde. Das konnte den Flecken in Verruf bringen und Landleute aus den Ämtern Harsefeld, Bremervörde, Zeven und dem Gerichte Hanstedt veranlassen, Horneburg als Verladeort zu meiden. Wie schon früher, verwies das Gericht auf die Auswirkungen auf andere Gewerbe.

Sodann wiederholte das Gericht nicht nur seine Auffassung, daß die Zahl der Schiffer begrenzt werden müsse, sondern es gab zu erwägen, von den Häuslingen, welche die Schifffahrt ausübten, die Gestellung einer Kaution von etwa 100 Rtlr zu fordern.

Bereits am 25. Mai 1822 billigte die Regierung die Maßnahmen des Burggerichtes. Den Schiffern Jahnsen und Petersen wurden Reihefahrten untersagt. Sie wies ferner darauf hin, daß die ElbSchifffahrtsakte von jedem Schiffer als allgemeine Bedingung die nötigen Kenntnisse, ein dauerhaftes Schiff und eine entsprechende Schiffsmannschaft verlange, unabhängig davon, ob er Passagiere, Kaufmanns- oder andere Frachtgüter transportiere. Das Burggericht wurde ermächtigt, alle Horneburger Schiffer, die einen Erlaubnisschein beantragten oder ihren Schein erneuern wollten, abzuweisen, wenn es an einer dieser gesetzlichen Voraussetzungen fehle.

Ferner hielt es die Regierung für angemessen, von den Schiffern, die in Horneburg als Häuslinge wohnten, zur Sicherheit des Publikums eine Kaution von wenigstens 100 Rtlr zu fordern, wenn sie „nicht sonst etwa Grundstücke oder notorisch (=offenkundig d. Verf.) hinreichendes Vermögen“ hatten. Die Kaution konnte nach den Umständen und dem Umfange des Schifffahrtsbetriebes ermäßigt werden.

Vom Horneburger Gericht wurde den Beteiligten die Entscheidung aus Stade eröffnet. Jahnsen und Petersen wurde der Transport von Menschen und Waren solange untersagt, bis sie ein von Sachverständigen für brauchbar erklärtes Schiff präsentieren konnten. Holz, Torf und Gegenstände ohne erheblichen Wert durften sie weiterhin fahren. Die ElbSchifffahrtskonzessionen hatten sie zurückzugeben.

Jahnsen ließ sein Schiff reparieren. Zusammen mit dem Schiffszimmermann Brösing aus Mittelnkirchen erschien er am 9. Juli 1822 vor dem Horneburger Gericht. Der Zimmermann trug vor, daß er das Schiff für den Betrag von gut 562 alter Kassenmünze repariert habe und leistete folgenden Eid:

„Ich pp schwöre und gelobe pp daß das von mir überall genau untersuchte, u. nach Beschaffenheit der vorgefundenen Mängel reparierte Schiff des Comparenten Jahnsen nunmehr von der Beschaffenheit sey, daß damit dem Leben der Menschen u. der Sicherheit der darin verladenen Güter, außerordentliche, u. nicht zu erwartende Ereignisse abgerechnet, unbeschadet, die Elbe bei jeder Jahreszeit und Witterung befahren werden könne.“

Seitens des Gerichtes wurde Jahnsen, „die geforderte Caution vorbehältlich“ (siehe folgenden Ziff.), wieder in die Reihefahrten aufgenommen. Dieser Beschluß wurde dem Schiffer Heitmann und Consorten eröffnet.

3. Kautionen von Schiffern ohne Grundbesitz

Am 14. Juni 1822 benachrichtigte das Burggericht alle Schiffer ohne Grundbesitz, daß sie vor weiterer Ausübung der Schifffahrt auf der Elbe eine Kaution von wenigstens 100 Rtlr zu leisten hätten und wurden zur Abgabe einer Erkärung für den 20. Juni auf die Gerichtsstube geladen. Betroffen waren die Schiffer Jahnsen, Wichern, zum Felde, Dahr und Köpke. Nichterscheinen bedeutete Untersagung der Schifffahrt. Einen Tag vor dem Termin in Horneburg legten zum Felde und Dahr, offenbar durch einen Rechtsbeistand, Beschwerde bei der Regierung in Stade ein.

Sie betrieben die Schifffahrt, so trugen sie zu ihrer Person vor, mit einem für 1600 Rtlr gekauften Ewer, der in ordentlichem Zusande sei, wobei zum Felde seit 14 und Dahr seit 3 Jahren in der Schifffahrt tätig war. Zum Felde war verheiratet, hatte drei Kinder, war nach seinen Worten ohne Schulden und sah die Gestellung einer Kaution als hart an. Dahr war als unverheirateter Mann Kostgänger bei Jochen Schröder.

Gegen die Auflage, eine Kaution zu stellen, brachten sie folgende Argumente vor:

Erstens verwiesen sie darauf, daß die ElbSchifffahrtsakte an keiner Stelle die Gestellung einer Kaution vorsehe und was nicht im Gesetz stehe, könne auch nicht verlangt werden.

Zweitens zogen sie die Schifffahrt im Alten Lande zum Vergleich heran. Nach ihren Angaben gab es dort etwa 500 bis 600 Schiffer. Dem Jorker Gericht aber falle es nicht einmal ein, so die Beschwerde, von diesen eine Sicherheit zu verlangen. Ihren Ausführungen nach gab es unter ihnen zahlreiche Arme und die mit Grundbesitz versehenen Schiffer waren oftmals die Ärmsten. „Oft gehört einem Hauseigenthümer kein Ziegel auf dem Dache, wie bekannt,“ so meinten die Beschwerdeführer. Zum Felde verwies auch darauf, daß der Wert ihres Ewers 1600 Rtlr betrage und sein gesamter Hausrat mehr als 100 Taler wert sei. Nach den Worten der Beschwerdeführer zeigte sich das Jorker Gericht weise, wenn es auf eine Kaution verzichte, da die Schifffahrt eine Wohltat für die Einwohner sei und eine Kaution nur ihr Verderben bedeute.

Anmerkung: Es ist durchaus richtig, daß, wie die Beschwerdeführer behaupteten, ein vorhandenes Grundstück keineswegs immer Sicherheit bedeutete. Die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person werden oftmals erst nach ihrem Tode offenkundig, wie sich im Falle des Horneburger Schiffers Claus Barmföhr zeigte. Nach seinem Tode mußte über seinen Nachlaß, zu dem auch Grundbesitz gehörte, im Jahre 1828 das Konkursverfahren eröffnet werden. Das Verfahren zog sich bis zum Jahre 1830 hin, weil für den Grundbesitz und Ewer keine „auskömmlichen“ Preise erzielt werden konnten.44)

Zum Felde und Dahr vertraten drittens die Meinung, daß sie überhaupt kein Patent benötigten, da sie nur bis Hamburg fuhren und keine Elbzollstädte passierten. Sie beriefen sich hierbei auf eine Entscheidung des Ministeriums an die Schiffer in Harburg und Buxtehude in einer ähnlichen Sache. Sie selbst hatten ein Patent nur für den Fall beantragt, daß sie doch einmal weiter fahren müßten.

Als im Termin am 20. Juni zum Felde und Dahr dem Gericht das Einlegen ihrer Beschwerde mitteilten, baten sie gleichzeitig, die Entscheidung der Regierung abzuwarten. Ihnen wurde eine Frist von acht Tagen eingeräumt.

Für den Schiffer Wichern übernahm dessen Schwiegervater, der Drechsler Prigge, die Bürgschaft, deren Umfang ihm erklärt wurde. Er belastete sein auf dem Marschdamm neben dem Schuster Buchholz gelegenes Haus nebst Zubehör mit einer Hypothek bis zu 100 Rtlr.

Der Schiffer Jahnsen bat um Befreiung, weil er vom dem Oberstleutnant von Holleuffer auf Erbenzins „18 Vorling Saatland und 6 Tagewerke Wiesen zu 12 Fuder angeschlagen“ besitze; der Erbenzins betrug 6 Pistolen. Das Gericht sah darin ein Risiko, weil der vorgehende Erbenzins, die Grundsteuer und die Berücksichtigung eines „möglichen Mißwachses“ keine ausreichende Sicherheit darstelle und forderte eine Kaution von 50 Rtlr. Jahnsen bat um Zulassung des Recurses nach Stade und um Abschrift des Protokolls, welche zugesagt wurden.

Die Gebrüder Köpke hofften auf eine Bürgschaft des Schuhmachers Buchholz.

Die Verhandlungen über die Gestellung von Kautionen wurden am 29. Juni vor dem Horneburger Gericht fortgesetzt.

Zunächst erklärte der Schiffer Dahr, daß er keineswegs seinem Compagnon zum Felde den Auftrag zu einer gemeinsamen Intervention bei der Stader Regierung erteilt habe. Der mit ihm erschienene Joachim Schröder übernahm sodann eine Bürgschaft von 50 Rtlr zugunsten des Schiffers und verpfändete sein an der Lühe gelegenes Grundstück.

Für die Gebrüder Köpke übernahm nicht der Schuhmacher Buchholz die Bürgschaft sondern der Gastwirt Brinckmann, der sein neben dem Glaser Conrad Schröder auf dem Vordamm belegenes Grundstück verpfändete und mit einer Hypothek belastete.

Was nun die Erledigung der Beschwerde von zum Felde und Dahr, die oben dargestellt wurde, anbetrifft, so ist zu bemerken, daß sie dem Burggericht zur Stellungnahme zugeleitet wurde; das Gericht gab seine Äußerung am 11. Juli 1822 ab.

Erstens entsprach es nach der Stellungnahme des Gerichtes nicht der Wahrheit, daß zum Felde und Dahr nur gelegentlich Frachten für Sonntag und Montag annehmen würden, wie sie in ihrer Beschwerde behauptet hatten. Sie nahmen vielmehr nach der Erklärung des Gerichtes regelmäßig an den Reihefahrten teil, beförderten in der Zwischenzeit Frachten und Geldbriefe und transportierten nur dann Holz, Torf und Mauersteine, wenn keine bessere Fracht zu haben war und sie nicht untätig sein wollten.

Das Horneburger Gericht vertrat zweitens die Auffassung, daß die Zweckmäßigkeit einer Kaution für Häuslinge nicht dadurch widerlegt werde, daß Häuslinge im Alten Lande keine Kaution zu leisten hätten. Vom Gericht wurde es vielmehr für besser gehalten, wenn auch dort eine derartige Regelung getroffen würde, vorausgesetzt, die dortigen Schiffer trieben Schifffahrt im gleichen Umfange wie in Horneburg, was vom Horneburger Gericht allerdings bezweifelt wurde. Auch wies das Gericht auf die andere Struktur der Schifffahrt im Alten Lande hin. Unter den dortigen Schiffen befanden sich eine große Anzahl von Jollen und sonstige kleine Fahrzeuge, die nur Gemüse und Früchte transportierten, Frachten, deren Transport keiner Kaution bedurfte. In diesem Zusammenhang teilte das Gericht der Regierung mit, daß es dem Horneburger Schiffer Petersen, der nur Holz und Torf fuhr, auch nur eine Kaution in gewissem Umfange abgefordert habe. Holz und Torf galten als Güter von geringerem Wert.

Ganz anders verhielt es sich nach der Meinung des Gerichtes bei Transporten von Personen und Gütern der Geestbauern von den Stapelplätzen Stade, Horneburg, Buxtehude und Harburg nach Hamburg und zurück. Solche Güter wurden kaum oder überhaupt nicht von den Schiffern des Alten Landes befördert, „denn der Commerz treibende Geestbewohner wird sich hüten, seine Fracht durch die tiefen Marschwege hin u. her zu schleppen,“ schrieb das Gericht.

Anmerkung: Die Bedeutung der Schifffahrt im Alten Lande wurde in jüngster Zeit von Kappelhoff beschrieben. Er bezeichnet sie neben dem Seehandel zwar als originären Komplementärfaktor des dortigen Wirtschaftslebens, bemerkt jedoch gleichzeitig, daß sie in den Jahren, aus denen hier berichtet wird, im wesentlichen als KleinSchifffahrt angesehen werden müsse. Zu etwa 80 Prozent bestand sie nämlich nur aus Jollen mit einer Tragfähigkeit von einer oder zwei Lasten.45)

Zum Vorbringen von zum Felde und Dahr, daß Buxtehuder Schiffer nicht zum Erwerb eines Patentes verpflichtet seien, meinte das Gericht, nach seiner Kenntnis beruhe das auf ihren Privilegien als Fährschiffer, die im übrigen auch mit Bürgerhäusern ausgestattet seien.

Sodann machte das Gericht noch einige allgemeine Bemerkungen. Zunächst teilte es mit, daß das Publikum die Gestellung der Kautionen als zweckmäßig aufgenommen habe. Es hob ferner hervor, daß die Häuslinge Wichern und Gebrüder Köpke ihre Kaution ohne Einspruch erbracht hätten. Zum Schiffer Jahnsen bemerkte das Gericht, daß dieser Mann nicht völlig frei bleiben könne, da es den Ertrag aus den in Erbenzins bewirtschafteten Ländereien nicht für ausreichend halte; die von Jahnsen geforderte Kaution betrug daher 50 Rtlr. Der Schiffer Dahr, auch das hob das Gericht hervor, hatte ohne Widerrede eine Kaution von 50 Rtlr geleistet und wurde als nüchterner und gesitteter Mann bezeichnet, dem schon einmal 80 Mark aus der Schiffskajüte gestohlen wurden. Nicht so positiv wurde sein Compagnon zum Felde beurteilt. Er war schon mehrmals im Zustande der Trunkenheit in Schlägereien verwickelt, und das Gericht vermutete, daß er auf Reisen nicht immer Maß halten könne. Auch bewertete das Gericht seine Vermögensverhältnisse nicht besser als die der anderen Häuslinge. Erwiesen war für das Gericht auch nicht, daß das ihm und Dahr gehörende Schiff völlig bezahlt sei. Zusammenfassend plädierte das Gericht dafür, zum Felde mit seiner Beschwerde abzuweisen.

Und so geschah es. Zum Felde wurde daher vom Burggericht aufgefordert, die Sicherheit binnen 8 Tagen zu leisten. Sollte das nicht geschehen, wollte das Gericht in Stade anfragen, ob er aus den Reihefahrten gestrichen und das gemeinschaftliche Schiff dem Schiffer Dahr zum Kauf angeboten werden solle.

Die Gestellung einer Kaution durch den Schiffer Jahnsen zog sich bis zum Jahre 1823 hin. Bei Durchsicht seiner Akten im April dieses Jahres stellte das Burggericht fest, daß Jahnsen die von ihm geforderte Sicherheit noch nicht geleistet hatte. Sie wurde nunmehr innerhalb von 8 Tagen gefordert unter Androhung des Ausschlusses von den Reihefahrten und unter Ankündigung einer Anfrage an die Regierung, ob er zukünftig noch das Schiffergewerbe ausüben dürfe. Nunmehr erschien Jahnsen innerhalb der gesetzten Frist und erklärte, daß er bei dem Gastwirt Gohde, der ihm 1000 Mark Kaufgelder schulde, den Betrag seiner Kaution stehen lassen wolle. Seitens des Gerichtes wurde Gohde auferlegt, von den schuldigen Hauskaufgeldern einen Betrag von 150 Mark Conventionsmünze nicht ohne Anmeldung beim Gericht auszuzahlen. Er wurde auch verpflichtet, bei Nichtbestehen der Schuld das Gericht zu benachrichtigen, sonst hafte er in dieser Höhe.

4. Das Jahr 1823. Die ElbSchifffahrtsakte findet in Horneburg keine Anwendung

Meinungsverschiedenheiten zwischen Burggericht und Schiffern mit bedeutenden Folgen entstanden im April 1823. Unter Berufung auf die Verordnung vom Februar des Vorjahres forderte das Gericht von den Schiffern eine erneute Untersuchung ihrer Schiffe auf Tauglichkeit. Diese Untersuchung war bekanntlich nach der ElbSchifffahrtsakte für die jährliche Erneuerung der Erlaubnisscheine vorgeschrieben. Den Schiffern wurde geraten, für diese Untersuchung aus den bereits früher tätig gewesenen Sachverständigen Zitans, Beus und Jungclaus zwei mit dieser Aufgabe zu betrauen und zwar einen Schiffszimmermann und einen Schiffer.

Von den Schiffern erschienen daraufhin Heitmann, Barmföhr, Hagenah und Wichern auf dem Gericht und erklärten, daß sie keine Verpflichtung hätten, ihre Schiffe auf ihre Kosten untersuchen zu lassen. Solche Untersuchungen, so die Schiffer, würden auch nicht im Alten Lande verlangt und darüber hinaus seien ihre Schiffe vollkommen in Ordnung.

Seitens des Gerichtes wurden keine Kosten verlangt, jedoch den Schiffern gesagt, wer die Sachverständigen nicht bezahlen könne, möge sich bei der Regierung um eine andere Entscheidung bemühen. Die Stader Provinzialregierung gab dem Burggericht mit Schreiben vom 30. April 1823 recht. Daher wurden die Schiffer vom Gericht aufgefordert, am 15. Mai 1823 die Sachverständigen zu präsentieren. Sollte das nicht geschehen, wollte das Gericht auf Kosten der Schiffer vom Gericht Jork zu benennende Sachverständige hinzuziehen.

Die Schiffer gaben sich nicht zufrieden. Sie, nun auch Dahr und Gebrüder Köpke, wandten sich am 16. Mai 1823 durch einen Rechtsvertreter erneut nach Stade an die Landdrostei und beriefen sich nun darauf, daß die „Buxtehuder und ähnliche Fähranstalten zur Fracht= und Passagier= Ueberfahrt nach Hamburg“ vom „Königlichen Cabinetts Ministerium“ von solchen Untersuchungen auf Antrag der Buxtehuder Schiffer befreit seien. Sie machten geltend, daß sich die Horneburger Schifffahrt nach Hamburg überhaupt nicht von der Buxtehuder unterscheide, den gleichen Bestimmungen und Gesetzen unterliege und daß es rechtlich unerheblich sei, daß in Buxtehude „eine geschloßene priviligierte Zunft“ bestehe. Wie die Buxtehuder wollten auch die Horneburger Schiffer vom Erwerb eines Erlaubnisscheines befreit werden.

Anmerkung: In obigen Ausführungen tauchen die Behördenbezeichnungen „Stader Provinzialregierung“ und „Stader Landdrostei“ auf. Dazu muß der Hinweis gegeben werden, daß im Königreich Hannover die 1817 gebildeten Provinzialregierungen aufgehoben wurden und an ihre Stelle ab 15. Mai 1823 die Landdrosteien traten. Es wurden sechs Landdrosteien errichtet und zwar in Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade, Osnabrück und Aurich.46)

Die Landdrostei mußte ihre erste Entscheidung korrigieren. Wie sie dem Horneburger Gericht am 21 Mai 1823 mitteilte, hatte das Ministerium den Buxtehudern eröffnet, „daß die nach dem 2ten Artikel der unter dem 16. Januar publizierten ElbSchifffahrts Acte eingeführte allgemeine Schifffahrts Ordnung auf Fähren und andere Anstalten zur Ueberfahrt von einem Ufer zum gegenüberliegenden sich nicht beziehe.“

Zu dieser Kategorie rechnete die Landdrostei nun auch die Horneburger Fähre, weil sie einem besonderen Reglement unterworfen sei oder doch zu jeder Zeit einem Reglement unterworfen werden könne. Die Regierung erklärte auch, daß Horneburger Fährschiffer vorerst vom Lösen eines Erlaubnisscheines „dispensiert“ seien. Vom Horneburger Gericht wurde allerdings eine Äußerung erwartet, ob es das im Flecken bestehende Reglement für ausreichend halte und ob etwa Verbesserungen angebracht seien. Eine Äußerung des Gerichtes ist nicht bekannt.

Anmerkung: Der in diesem Abschnitt genannte Schiffer Hagenah kam am 25. Februar 1825, so ist es in der Chronik Löhden verzeichnet, während einer großen Sturmflut in Horneburg ums Leben. Als bei dieser Flut der Elbdeich bei Lühe brach, wurden das Alte Land und in Horneburg der Bullenbruch, der Vordamm und der Marschdamm überschwemmt. Hagenah und sein Gehilfe versuchten dadurch zu helfen, daß sie den Eingeschlossenen Lebensmittel brachten und Gefährdete retten wollten. Bei diesen Rettungs- und Versorgungsfahrten kenterte der Ewer. Beide, der Schiffer und sein Gehilfe, ertranken. Hagenah hinterließ eine Familie bestehend aus Ehefrau und vier Kindern; ein fünftes Kind wurde erwartet. Zur Familie gehörten auch die alten Eltern der Ehefrau. Sie ehelichte im Jahre 1826 den bereits erwähnten Schiffer Barthold Löhden. Dieser übernahm den Ewer von Hagenah und beförderte auf eigene Rechnung Brennholz und Torf nach Hamburg.

Den zitierten Akten des Staatsarchivs Stade über die Horneburger Schifffahrt läßt sich nicht entnehmen, wie sich die Freistellung von der Pflicht, einen Erlaubnisschein zu beantragen, nach der Entscheidung des Ministeriums in Hannover auswirkte. Sie berichten für die Zeit nach dem Jahre 1824 nur noch in zwei weiteren Vorgängen, der eine aus dem Jahre 1831, der andere aus dem Jahre 1840, über die Reihefahrten der Horneburger Schiffer. Es sind Beschwerden einiger Schiffer beim Horneburger Gericht über ihre Kollegen. Immer fühlten sich die Beschwerdeführer in ihren Rechten nach der ihnen für einen bestimmten Tag zustehenden Reihefahrt verletzt und wollten Schadensersatz und Bestrafung der Schuldigen erreichen.

Für diese Darstellung sind Einzelheiten solcher öfter von Horneburger Schiffern erhobenen Beschwerden unwichtig. Wichtig ist vielmehr, daß in Horneburg für die Schifffahrt im Jahres 1840 noch immer das Reglement des Jahres 1816, in dem die Reihefahrt zuletzt geregelt wurde, galt. Wann in diesen Regelungen eine Änderung eingetreten ist, kann den Akten des Staatsarchivs nicht entnommen werden. Der Verfasser konnte auch an anderen Stellen keine Quellen zu dieser Frage ausfindig machen.

In Stade endeten die auch dort wie in Horneburg praktizierten Reihefahrten im Jahre 1840, als die dortige Gilde zur DampfSchifffahrt überging und einen Raddampfer erwarb.47) Auf der Este wurde eine DampfSchifffahrt ab Buxtehude über Cranz nach Hamburg im Jahre 1853 eingerichtet.48)

J. Schlußbemerkungen

Im Besitz von Helmut Schering, Horneburg, befindet sich ein Bericht aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der ein völlig anderes Bild von der Horneburger Schifffahrt vermittelt, als es bisher dargestellt wurde. Die im Horneburger Hafen einfahrenden Schiffe erreichten eine Größe von 50-75 t. Es kamen etwa 3 Schiffe in der Woche. Über Horneburger Schiffe und deren Eignern wird nichts gesagt. Geladen wurden vor dem Bau der Harsefelder Eisenbahn Kartoffeln von der Stader Geest, außerdem Getreide und Ziegelsteine. Zur Erntezeit der Kartoffeln stauten sich die Fuhrwerke auf dem Marschdamm vom Hafen bis an die Kirche.

Dieser Bericht stimmt mit der von Kappelhoff geschilderten Entwicklung der Altländer Schifffahrt seit etwa 1850 überein. Hinter dieser Entwicklung standen die Anfänge der Industrialisierung, die sich auf die Schifffahrt der gesamten norddeutschen Küstenregion auswirkte.49) Wörtlich schreibt Kappellhoff: „Für einige Jahrzehnte erlebte daher die Schifffahrt im Alten Land und in der gesamten Küstenregion Norddeutschlands eine Blüte wie nie zuvor, ehe im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, geprägt vom Siegeszug der so viel leistungsfähigeren modernen Verkehrsmittel, ihr allmählicher Niedergang einsetzte.“50) Diese Schifffahrt wurde nach Kappelhoff bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg im „wesentlichen von kleinen Segelfahrzeugen getragen.“51)

Bei seiner Auswertung der Horneburger Ratsprotokolle hat Helmut Stolberg, Horneburg, eine aufschlußreiche Aufstellung für das Jahr 1867 gefunden, die einen Einblick in den Betrieb im Horneburger Hafen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewährt. Während dieses Jahres wurden von Horneburg 151 Ladungen mit Steinen, Kopfsteinen und Pflastersteinen im Gesamtwert von 7.145 Talern verschifft. Zielort dieser Transporte waren Hamburg, Holstein und der Elbdeich. Nach Holstein gingen außerdem 31 Ladungen Busch (Wert: 1.085 Taler) und nach Hamburg 40 Ladungen Torf und Holz (Wert: 2.000 Taler). Der Transport von Vieh – zu erinnern ist an den zu Anfang dieser Abhandlung genannten Ochsenewer – nach Hamburg war beachtlich. Nach dieser Stadt gingen 1480 Schweine, 175 Ochsen und 275 Rinder; nach Hamburg gingen ferner 4800 Sack Kartoffeln. Sowohl verschifft als auch mit Wagen transportiert wurden im gleichen Jahre nach Stolbergs Ermittlungen ferner 375 Kartons mit Leder, 30.000 Pfund Wolle und 4.000 Wachs. Schließlich sind Branntwein und Essig zu nennen, gemessen nach Oxhoft. Für Essig nennt Stolberg z.B. 40 Oxhoft.

Anmerkung: Oxhoft ist ein altes Volumenmaß für Wein und Spirituosen. Für die Angabe dieses Maßes in Litern ist zu berücksichtigen, daß die Liter, die einem Oxhoft entsprechen, regional schwanken. In Preußen entsprachen bei Branntwein einem Oxhoft 206,106 l, in Leipzig 227,556 l, in Dänemark 226 l, in Schweden 235,548 l. Für Bremen werden 217,447 l genannt.52) Wendet man die niedrigste preußische Literzahl auf den von Horneburg tansportierten Essig an, so ergeben sich gut 10.305 l Essig.

Wie in Stade für die Schwinge und in Buxtehude für die Este wurde in Horneburg die DampfSchifffahrt für die Lühe angestrebt. Ein erster Antrag auf ihre Einrichtung wurde im Jahre 1862 von dem Schiffer H. Löhden und dem Gastwirt C. F. Hartmann an die Königlich Hannoversche Landdrostei eingereicht und seitens der Stader Behörde nach Einholung von Gutachten abgelehnt. Als Hindernis galten die drei festen Brücken, die von Horneburg bis zur Lühemündung zu passieren waren und die teilweise geringe Flußtiefe. Beide Antragsteller, diesmal unterstützt vom Horneburger Bürgermeister H. Dammann und seinen Beigeordneten D. Meineke und H. M. Martinius, wiederholten im Dezember 1866 ihren Antrag an die nunmehr Königlich Preußische Landdrostei. Sie erklärten, nunmehr ein Schiff von etwa 2 1/2 Meter Tiefgang und von solchen Dimensionen erwerben zu können, das eine „regelmäßige von den Wasserzeiten unabhängige Fahrt“ ermögliche. Die festen Brücken sahen sie weiterhin als Hindernis an, das auch durch beschwerliches Niederlegen der Schornsteine vor den Brücken nur unvollkommen überwunden werden könne und bei Hochwasser auch keineswegs ausreiche. Daher beantragten sie die Umwandlung der Brücken in Klappbrücken. Die Antragsteller befanden sich mit diesem Antrag, wie sie betonten, mit allen auf der Lühe Schifffahrt treibenden Schiffern und dem Flecken Horneburg einig. Sie vergaßen nicht darauf zu verweisen, daß die DampfSchifffahrt auf Schwinge und Este erhebliche Konkurrenz für sie bedeutete. Die Schiffer sprachen die Hoffnung auf Genehmigung ihres Antrages bis zum Frühjahr des folgendes Jahres 1867 aus.

Die Landdrostei bekundete ihre grundsätzliche Bereitschaft, die Brücken entsprechend herzurichten. Vor Genehmigung des Antrages mußte allerdings die Kostenfrage zwischen Brücken- und Schifffahrtsinteressenten gekärt werden. Die Schiffer sollten darüberhinaus den Nachweis führen, „daß ein Dampfschiff sich construieren lasse und in Aussicht stehe, welches, ohne die sonstige Schifffahrt auf der Lühe zu hindern und ohne die Uferwerke zu schädigen, nicht nur die Lühe bei Niedrigwasserstande, sondern auch die Elbe bis Hamburg ohne Gefahr für die Passagiere zu befahren im Stande sei.“ Nur dann, so die Landdrostei, sei die DampSchifffahrt für das Publikum interessant und die Kosten zu rechtfertigen.53)

Soweit der Verfasser ermitteln konnte, trat erst im Jahre 1906 eine Änderung ein. Am 18.1. dieses Jahres berichtete die Horneburger Zeitung54), daß „im Zeichen des Fortschritts“ zwischen Horneburg und Steinkirchen eine Motorbootverbindung mit einem in Vegesack in Auftrag gegebenen Motorboot eingerichtet werde. Vorkehrungen im Horneburger Hafen, wie der Bau einer Lauftreppe am Bollwerk und die Planung einer Wartehalle, waren bereits getroffen; die Genehmigung des Landrates lag vor. Auch das benötigte Kapital war gezeichnet. Dieses Motorboot mit 16 Sitz- und 50 Stehplätzen, „Horneburg“ genannt, legte am 29.4.1906 vom Anleger „Motorbootfahrt Horneburg – Lühe“ zur Eröffnungsfahrt ab. Der Anleger befand sich am „Altländer Fährhaus“ an der Lühe in Horneburg. Das Fährhaus ist als Abfahrtsstelle der Dampf-und Motorboote gekennzeichnet.55)

Die jeweils gültigen Fahrpläne bis Lühe, wo auch Anschluß an Elbdampfer bestand, wurden in der Horneburger Zeitung veröffentlicht. In einem solchen Plan aus dem Frühjahr 1907 ist als Betreibergesellschaft die „DampfSchifffahrt auf der Lühe Ges. m. beschr. Haftpflicht“ genannt.56) Befördert wurden Passagiere, auch Gepäck und Stückgüter , und zwar“billigst“ wie es hieß. Angeboten wurden z.B. auch Sonderfahrten für Vereine und Gesellschaften auf der Lühe und Elbe. Aus diesem Fahrplan ist auch zu ersehen, daß bereits ein zweites Boot, die „Steinkirchen“, angeschafft worden war. Auskünfte wurden in Horneburg von R. Löhden und Fr. Drecoll erteilt.

Die Anschaffung eines zweiten Motorbootes mag auf eine gute Inanspruchnahme der Verbindung zurückzuführen sein. Sicher ist auch, daß sie technisch notwendig war. Bei der Eröffnungsfahrt hatten sich nämlich Anlaufschwierigkeiten gezeigt. Sie bestanden in einem Maschinenschaden, niedigem Wasserstand und flachen Stellen in der Lühe, die ausgebaggert werden mußten. Um die Pünktlichkeit der Fahrten zu gewährleisten, wurde die Anmietung eines Hilfsmotorbootes und die Anschaffung eines zweiten Bootes mit niedrigerem Tiefgang beschlossen.57)

Für die Schifffahrt des Fleckens Horneburg muß ihre Entwicklung ab diesem Zeitpunkt Gegenstand einer weiteren Untersuchung sein, um den Rahmen dieser Abhandlung nicht zu sprengen.

Anhang: Der Verkauf eines Ewers

Wiederholt war von Horneburger Schiffern in ihren Eingaben an das Gericht von Verkäufen bzw. Käufen von Schiffen oder Ewern, dem benutzten Schiffstyp, die Rede. Wenn diese Verkäufe in einem Konkursverfahren oder im Wege der freiwilligen Versteigerung „gegen auskömmliches Meistgebot“ erfolgten, wurden sie vom Horneburger Gericht bekannt gemacht, so z.B. der Verkauf des Ewers der Schiffer Dahr und Wahlers im Jahre 1828.58) Einzelheiten der Verkäufe können diesen Mitteilungen allerdings nicht entnommen werden.

Helmut Schering, Horneburg, ist im Besitze eines Kaufvertrages über einen Ewer und hat ihn dem Verfasser zur Einsicht überlassen. Der Vertrag vermittelt Einzelheiten eines solchen Verkaufes und soll diese Abhandlung abrunden. Ergänzt wird sie durch eine Darstellung der Finanzierung des Kaufpreises. Auch diese Unterlagen stellte Helmut Schering dem Verfasser zur Verfügung. Begonnen werden soll mit dem Wortlaut des Vertrages:

Kund und zu wissen sei hiermit, daß zwischen dem Gastwirthe Hein Springborn und dem Schiffer Gerd Minners, beide zu Horneburg, der resp. nachstehende Kauf -und Gesellschafts-Contract wohlbedächtig verabredet und abgeschlossen worden ist.

§1.

Der Schiffer Gerd Minners verkauft, cedirt und überläßt an den Gastwirth Hein Sprinborn den halben Antheil an seinem Schiffs Ewer, genannt „der junge Heinrich von Horneburg“, und den halben Antheil davon und darauf befindlichen Inventar-Teilen an Tau- und Takelwerk, Segel, Anker und was sonst dazu gehört, für und um die wohlbehandelte Kaufsumme von 800 Mark, schreibe Acht Hundert Mark in grobem Hannoverschen Courant.

Anmerkung: Unter grobem Kurant sind alle Münzen zu verstehen, deren Silbergehalt ihrem Wert entspricht.59) Es gibt in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung grobe Münzen. Darunter werden größere Silbermünzen des 16. bis 19. Jahrhunderts verstanden bis hinunter zum 1/6 Taler.60)

§2.

Von dem stipulierten (= ausbedungenen oder vereinbarten d. Verf.) Kaufgeld sind alljährlich, und zwar Michaelis 1847 zum ersten Male Einhundert Mark abzutragen. Auch sind alljährlich auf Michaelis von der jedesmal rückständigen Kaufsumme vier Procent Zinsen zu erlegen, welche Verzinsung von Michaelis dieses Jahrs anhebt.

§3.

Wie demnach der gedachte Schiffsewer nebst dem Inventario von jetzt an sich in gemeinschaftlichem Eigenthum beider Contrahenten befindet, so vereinbaren dieselben sich hiermit, ihn nunmehr gemeinsam zu befahren oder befahren zu lassen, und diesen nach den betreffenden Verdienst und Gewinn wie auch die erforderlichen Arbeiten, Verwendungen und Reparaturen gleichmäßig und redlich unter sich zu vertheilen.

§4.

Jedem Contrahenten bleibt zwar unbenommen, seinen Schiffs-Antheil zu verkaufen und damit aus der Gemeinschaft zu treten, jedoch bestellen die Contrahenten für diesen Fall sich einander ein Vorkaufsrecht und setzen zu dem Ende den Schiffsewer gegenseitig zur Hypothek.

§5.

Der Verkäufer reserviert sich das gefahrlose Eigenthum an dem verkauften halben Ewer bis das Kaufgeld sammt Zinsen vollständig bezahlt sein wird. Dahingegen leistet er dem Käufer Gewähr für alle An- und Zusprüche Dritter.

§6.

Die Contrahenten entsagen allen wider diesen Contract zu erhebenden Einreden, als des Betrugs, des Irrthums, der Ueberredung, der Verletzung, und wie sie sonst genannt werden mögen.

Geschehen Horneburg, den 27 Juni

1846

Handzeichen X X X des Schiffers Gerd Minners

H. Springborn

Daß der Schiffer Gerd Minners und der Gastwirth Hein Springborn zu Horneburg vorstehenden Contract nach geschehener Verlesung genehmigt und zum Zeichen dessen resp. unterkreuzt und unterschrieben haben, wird hiermit bescheinigt.

Königliches-Hannoversches Gericht

Horneburg des 6ten Juli 1846

Siegel Unterschrift

Auf dieser Urkunde sind drei weitere Erkärungen vorhanden. In der ersten vom 26. Dezember 1847 erklärt der Verkäufer Minners, daß der Käufer Springborn die erste Anzahlung auf den Kaufpreis und auch die Zinsen für den Zeitraum 1846/47 bezahlt habe. Er hatte, wie er weiter erkärte, nun auch die zweite Hälfte des Ewers für 850 Mark Courant an Springborn verkauft und darauf sofort eine Anzahlung von 450 Mark erhalten. Das Restkaufgeld von 400 Mark sollte zu Ostern 1848 entrichtet werden.

Die zweite Erklärung datiert vom 25. April 1848. Darin quittiert Minners den Empfang des Restkaufgeldes und der fälligen Zinsen und „cedierte“ die ihm bislang noch gehörende Hälfte an Springborn, der diese Erkärung ebenfalls unterschrieb. Nach den vorhandenen Unterlagen ist zu vermuten, daß Sprinborn das Restkaufgeld nicht aus eigenen Mitteln leistete. Zwei Tage vor der Anzahlung auf die zweite Hälfte des Ewers, am 23. April 1848 , nahm er von dem Kaufmann August Schering in Horneburg eine Anleihe von 100 Rtlr in preußischem Courant auf. Die Zinsen in Höhe von 4% waren halbjährlich zu Ostern und Michaelis zu entrichten. Vereinbart wurde zwischen den Partnern eine halbjährliche Kündigung.

In der Schuldurkunde über diese „Anleihe“ erklärte Springborn, daß das Geld für „Abbezahlung und Tilgung der Schuld“ auf seinem Ewer Verwendung finden sollte. Der Schuldner Springborn räumte seinem Gläubiger Schering „die erste Sicherheit und das erste Anrecht“ an seinem Ewer ein. Springborn erklärte sich insbesondere damit einverstanden, daß Schering sich den Ewer aneignen und „damit schalten und walten auch sogar anderweitig verkaufen“ könne, wenn die Zinsen nicht rechtzeitig entrichtet oder die Anleihe bei Kündigung nicht fristgerecht zurückgezahlt werde.

Anmerkung: Zum preußischen Kurant ist folgendes zu bemerken: Als nach den napoleonischen Kriegen die Währungsverhältnisse in Deutschland neu geordnet werden mußten, kehrte das Land Preußen im Jahre 1821 zum 14-Taler-Fuß zurück.61) Aus der kölnischen Mark feinen Silbers wurden 14 Taler geprägt. Preußen wählte auch eine andere Unterteilung des Talers. Er hatte 30 Silbergroschen = 360 Pfennige.62)

Über die dritte Erklärung wird später berichtet.

Es gibt verschiedene Anzeichen, daß sich Springborn in diesen Jahren in finanziellen Schwierigkeiten befand.

In einer Urkunde, ausgefertigt in „Grünendeich, in den acht Tagen Weihnachten am 28 Decb. 1848,“ bekannte Springborn, für sich, seine „Erben und Erbnehmer“ auf seine Bitte von dem Maurermeister Ossenkopf in Grünendeich die Summe von Dreihundertmark in Hannoverschem Courant geliehen zu haben. Die Verzinsung wurde mit 4%“in kapitalgleicher Münze“ vereinbart. Beide sollten ein halbjährliches Kündigungsrecht haben. Springborn versprach, das Geld zu seinem und seiner Angehörigen „guten Nutzen“ , den Ankauf eines Ewers, zu verwenden. Er versprach auch den „feierlichsten Verzicht“ auf jegliche Einreden gegen den Inhalt der Urkunde. Als Sicherheit für die Schuld bei Ossenkopf verpfändete er sein gesamtes gegenwärtiges und zukünftiges bewegliches und unbewegliches Vermögen. Er setzte dieses Vermögen zur Hypothek ein und ermächtigte seinen Gläubiger, die Sicherheit zu verwerten, falls er, der Schuldner, seinen Verpflichtungen nicht nachkomme.

Anmerkung: Es erscheint zumindest verwunderlich, daß Springborn das Geld zum Ankauf eines Ewers verwenden wollte. Nach den oben zitierten Unterlagen war der Kauf zum Zeitpunkt dieser Darlehensaufnahme bereits abgeschlossen.

Ein weiteres Anzeichen finanzieller Schwierigkeiten ist sicherlich in einer öffentlichen Mitteilung der Königlichen Steuer=Direction in Lüneburg vom 27. April 1850 zu erblicken. Aus dieser Verlautbarung geht hervor, daß Sprinborn eine gegen ihn „wegen wiederholter Steuerfraude“ (= Steuerhinterziehung d. Verf.) verhängte Geldstrafe bezahlt habe, welches nach den gesetzlichen Bestimmungen bekannt gemacht werde.63)

Es ist noch nach einer weiteren Erklärung zu vermuten, daß sich Springborn auch noch 1851 in Schwierigkeiten befunden hat. Nach dieser Erklärung auf der sich im Besitz von Helmut Schering befindlichen Schuldurkunde war dieser bereit, das seinem Schuldner geliehene Kapital „stehen zu lassen.“ Es wurden gleichzeitig – das läßt ebenfalls finanzielle Schwierigkeiten vermuten – weitere zusätzliche Sicherheiten bestellt. Springborn setzte erstens für den Schering geschuldeten Betrag „sein gesamtes Vermögen zur Hypothek ein, unbeschadet der meinem Gläubiger vorstehend ertheilten besonderen Rechte.“ Zweitens übernahm seine Ehefrau Anne Margarethe, geb. Lühmann, für Kapital, Zinsen und Kosten die Bürgschaft. Sie setzte ihr gesamtes Vermögen, insbesondere ihre Illaten (= in die Ehe eingebrachtes Gut) zur Hypothek ein und begab sich „aller Einreden, namentlich auch der Vorausklagung“ und wollte „der gesetzlichen weiblichen Rechtswohlthaten gerichtlich entsagen.“

Die rechtliche Bedeutung dieser sehr weitgehenden Erklärung wurden der Ehefrau Springborn in ihrer Wohnung vom Amtmann des Gerichtes – sie war erkrankt und der Amtmann sich dorthin begeben – eingehend erklärt und sie unterkreuzte die Urkunde, was vom Gericht beglaubigt wurde.

Die vom Ehepaar Springborn bestellten Hypotheken wurden am 13. September 1851 in das Gerichtshypothekenbuch eingetragen.

Bald darauf, am 30.10.1851, verstarb Springborn im Alter von nur 36 3/4 Jahren.64) Nach seinem Tode blieb der Ewer nicht mehr lange im Besitz der Familie. Seine Ehefrau verkaufte das Schiff am 16. Januar 1852, also innerhalb eines Vierteljahres nach dem Tode ihres Ehemannes, mit dem nachstehend wiedergegebenen Vertrag.

Contract

Zwischen der weil. Schiffers Hein Springborn Wittwe zu Horneburg und dem Schiffer Ludwig Peters daselbst ist am heutigen Tage nachstehender Contract abgeschlossen.

§1

Die Wittwe des Schiffers H. Springborn verkauft an den Schiffer L. Peters ihr gehörenden Ewer (genannt Catharina) mit allem Zubehör und Inventarium für die Summe von 1350 Mk. Han. Crt. ( schreibe Dreizehn hundert und Fünfzig Mark Hannoversches Corant.

§2

Der Käufer Ludwig Peters verpflichtet sich, gleich beim Zuschlage des Ewers 6oo (Geldzeichen,d. Verf.) aus zu bezahlen, Pfingsten 1852 wieder 300 (Geldzeichen, d. Verf.) ohne Zinsen, den Rest von 450 (Geldzeichen, d. Verf.) Jährlich 100 (Geldzeichen, d. Verf.)zu bezahlen, welches aber bis zur gänzlichen bezahlung mit 4 procent von 100 verzinst wird. Mit die bezahlung der 450 (Geldzeichen,d.Verf)) wird Fastnacht 1852 der Anfang gemacht, und bis zur ganzen bezahlung des Restes ohne Kündigung fortgefahren. Dem Käufer stehet es frei, wenn er mehr als 100 (Geldzeichen, d.Verf.)) abtragen will, so viel wie in seinem belieben ist abzutragen.

Anmerkung: Die Geldzeichen bedeuten: Mark hannoversches Courant, wie einer Erläuterung an anderer Stelle in den Unterlagen zu entnehmen ist

§3

Nach dem Zuschlage und empfang nahme des Ewers geht alle Gefahr auf den Käufer über, und haftet die verkäuferin weiter für nichts.

§4

Darum vorstehender Contract von den benannten contrahenden abgeschlossen, so wurde er auch von beiden Theilen eigenhändig unterschrieben

Horneburg

d 16. Januar 1852

Das mir von Ludwig Peters zu Horneburg heute 600 (Geldzeichen, d.Verf.) schreibe sechshundert Mark hannoversches Corant auf den Ewer genannt Catharina bezahlt sind wird hiermit quitirend bescheinigt.

Horneburg

d 16. Jan. 1852

Der dem Verfasser vorliegende Vertrag trägt keine Unterschriften. Dennoch ist zu vermuten, daß er zustande gekommen ist. Diese Vermutung stützt sich auf vorhandene Unterlagen, die aussagen, welche Zahlungen Witwe Springborn nach dem oben genannten Datum des 16. Januars geleistet hat.

Es wurde oben bereits berichtet, daß der Kaufvertrag zwischen Minners und Springborn drei Erklärungen enthielt und daß über die dritte an anderer Stelle berichtet werde. In dieser dritten Erklärung vom 18. Januar 1852, also zwei Tage nach Vertragsabschluß zwischen Witwe Springborn und Peters, quittierte Minners den Erhalt der letzten noch ausstehenden 100 Mark und bekundete außerdem, daß er keine weiteren Forderungen wegen des Ewers mehr habe. Die Restzahlung wurde von der Witwe Springborn geleistet.

Am 13. Oktober des gleichen Jahres bestätigte der Maurermeister Ossenkopf der Witwe die Rückzahung der an Springborn verliehenen Gelder und der zu zahlenden Zinsen. Schließlich erkärte der Kaufmann August Schering am 16. Oktober 1852 die Rückzahlung des an Springborn verliehenen Kapitals in Höhe von 100 preußischen Courant zuzüglich der Zinsen.


Quellen

  1. Kappelhoff, Bernd: Die 150jährige Geschichte der Kreissparkasse Stade und ihrer Vorgängerinstitute in Freiburg, Assel, Harsefeld, Himmelpforten und Horneburg im historischen Umfeld des Elbe-Weser-Raumes Stade 1993 S. 21-22

  2. Oberschelp, Reinhard: Niedersachsen 1760-1820 Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur im Lande Hannover und Nachbargebieten 2 Bände Hildesheim 1982 Bd. 1 S. 212-215

  3. Schlichtmann, Hans-Otto: Stader Schifffahrt und Häfen Bd. I Hrsg. Kreissparkasse Stade 1997 S.185

  4. Staatsarchiv Stade: Rep. 74 Nr. 1479 Der Geschäftsbetrieb und das Reglement der Horneburger Schiffer

  5. Ebenda Rep. 74 Nr. 1482 Verzeichnis der in Horneburg vorhandenen See=, Watt=, und Fluß=Schiffe, sowie auch der Schiffs=Werften und darauf in Bau begriffenen See=, Watt= und Fluß=Schiffe

  6. Wernet, Karl Friedrich: Handwerksgeschichte als Forschungsgegenstand 1. Teil S. 35 in: Forschungsberichte aus dem Handwerk Bd. 4 Münster- Westf. 1961

  7. Schlichtmann, Hans-Otto: Stader Schifffahrt und Häfen Bd. I a.a.O. S. 185

  8. Tiedemann, Claus: Die Schifffahrt des Herzogtums Bremen zur Schwedenzeit (1645-1712) Stade 1970 S. 52

  9. Schlichtmann, Hans-Otto: Zwischen Oste und Este Häfen an der Unterelbe Bd. II Hrsg. Kreissparkasse Stade 1998 S.152

  10. Tiedemann, Claus: Die Schifffahrt des Herzogtums Bremen zur Schwedenzeit (1645-1712) a.a.O. S.52

  11. Schlichtmann, Hans-Otto: Zwischen Oste und Este Häfen an der Unterelbe a.a.O. S, 152

  12. Kappelhoff, Bernd: Die 125jährige Geschichte der als „Spar- und Leih-Casse des Altenlandes“ gegründeten Altländer Sparkasse Jork 1998 S. 26-27

  13. Wernet, Karl Friedrich: Handwerksgeschichte als Forschungsgegenstand 1. Teil a.a.O. S.26

  14. Schlichtmann, Hans-Otto: Stader Schifffahrt und Häfen Bd. I a.a.O. S. 185

  15. Stavenhagen, Gerhard: Geschichte der Wirtschaftstheorie Zweite völlig neubearbeitete Auflage Göttingen 1957 S. 50

  16. Meyn, Wilhelm: 700 Jahre Horneburg 1256-1956 Hrsg. Flecken Horneburg S.34

  17. Intelligenz-Blatt der Herzogthümer Bremen und Verden 1817 Stade S. 193, 277, 293, 258, 474, 710 sowie 1819 S. 573 Im Folgenden zitiert als: „Intelligenz-Blatt Bremen und Verden“

  18. Schlichtmann, Hans-Otto: Stader Schifffahrt und Häfen Bd. I. a.a.O.S. 185

  19. Gerdes, Friedrich: Chronik des Kirchspiels an der Este Rotenburg/Wümme 1969 S: 169-170

  20. Schlichtmann, Hans-Otto: Stader Schifffahrt und Häfen Bd. I a.a.O. S. 185

  21. Gerdes, Friedrich: Chronik des Kirchspiels an der Este a.a.O. S. 170

  22. Arnold, Küthemann, Steinhilber: Grosser Deutscher Münzkatalog von 1800 bis heute 10 Auflg. Augsburg 1990 S.121

  23. Ebenda

  24. Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover vom Jahre 1818 Erste Abtheilung S.20-22 Hannover 1818 Im Folgenden zitiert als: „Gesetzessammlung Hannover“

  25. Kahnt, Helmut u. Knorr, Bernd: Alte Maße, Münzen und Gewichte Mannheim/Wien/ Zürich 1987 S.371

  26. Arnold, Küthemann, Steinhilber: Grosser Deutscher Münzkatalog a.a.O. S.121

  27. Gesetzessammlung Hannover 1834 S. 25 ff

  28. Bechtel Heinrich: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands Im 19. Und 20. Jahrhundert München 1956 S. 354

  29. Meyn, Wilhelm: 700 Jahre Horneburg 1256-1956 a.a.O. S. 34-35

  30. Schmidt-Petersen: Rund um den Borsteler Hafen Ein historischer Ort der maritimen Landschaft an der Niederelbe Stade 2000 S. 11-12

  31. Bechtel, Heinrich: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands Im 19. Und 20. Jahrhundert a.a.O.1956 S. 48

  32. Intelligenz-Blatt Bremen und Verden Stade 1820 S.689

  33. Oberschelp,Reinhard: Niedersachsen 1760-1820 Bd.2 a.a.O. S.103

  34. Der Heidkrug befand sich an der heutigen Kreuzung Feldkrug. Dort kreuzt die Straße Horneburg-Deinste die Straße Stade-Harsefeld.
    Diese Auskunft verdankt der Verf. Herrn Helmut Stolberg Horneburg.

  35. Isensee, Klaus: Historische Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung auf dem Lande – Beispiele aus Harsefeld und Umgebung In: Geschichte und Gegenwart Jg. 1993 Herausgegeben vom Verein für Kloster- u. Heimatgeschichte Harsefeld e.V. S.29

  36. Kahnt, Helmut u. Knorr,Bernd: Alte Maße, Münzen und Gewichte a.a.O. S. 308

  37. Intelligenz-Blatt Bremen und Verden Stade 1819 S. 210

  38. Gesetzessammlung Hannover 1822 I. Abtheilung No. 3. S.7-22

  39. Ebenda No. 6. S.55-48

  40. Ebenda No. 7. S.59-60

  41. Meyn, Wilhelm: 700 Jahre Horneburg 1256-1956 a.a.O. S. 40

  42. Oberschelp, Reinhard: Niedersachsen 1760-1820 Bd.1 a.a.O. S.212

  43. Ebenda S. 50 ff

  44. Intelligenz-Blatt Bremen und Verden Stade 1828: S. 790 1829: S. 201, 207, 279,348, 395, 428 1830: S. 673

  45. Kappelhoff, Bernd: Die 125jährige Geschichte der als „Spar – und Leih – Casse des Altenlandes“ gegründeten Altländer Sparkasse a.a.O. S.26-27

  46. Gesetzessammlung Hannover 1823 S. 121

  47. Schlichtmann, Hans-Otto: Stader Schifffahrt und Häfen Bd. I a.a.O. S. 185

  48. Gerdes, Friedrich: Chronik des Kirchspiels an der Este a.a.O. S.170

  49. Kappelhoff, Bernd: Die 125jährige Geschichte der als „Spar- und Leihkasse des Altenlandes“ gegründeten Altländer Sparkasse a.a.O. S. 27 ff

  50. Ebenda S. 27-28

  51. Ebenda S.96 und ebenso in: Die 150jährige Geschichte der Kreissparkasse Stade und ihrer Vorgängerinstitute in Freiburg, Assel, Harsefeld, Himmelpforten und Horneburg im historischen Umfeld des Elbe-Weser-Raumes a.a.O. S.29

  52. Kahnt, Helmut und Knorr, Bernd: Alte Maße und Gewichte a.a.O. S.206-207

  53. Staatsarchiv Stade: Rep. 74 Nr. 1483 Die Errichtung einer DampfSchifffahrt auf dem Lühefluß

  54. Horneburger Zeitung 15. Jg.
    Der Verfasser verdankt diesen Hinweis Herrn Helmut Stolberg, Horneburg

  55. Schlichtmann, Hans-Otto: Zwischen Oste und Este Häfen an der Unterelbe a.a.O.

  56. Horneburger Zeitung 16. Jg. v. 21.3.1907

  57. Horneburger Zeitung 15. Jg. v. 5.5.1906

  58. Intelligenz-Blatt Bremen und Verden 1828 Stade S.20

  59. Diese Auskunft verdankt der Verf. Frau Dr. Elfriede Bachmann, Bremervörde

  60. Fassbender, Dieter: Lexikon für Münzsammler Augsburg 1961 S.49
    Diesen Hinweis verdankkt der Verf. Herrn Peter Lück, Horneburg

  61. Bechtel, Heinrich: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands Im 19. Und 20 Jahrhundert a.a.O. S. 82

  62. Kahnt, Helmut u. Knorr Bernd: Alte Maße, Münzen und Gewichte a.a.O. S. 251

  63. Intelligenz-Blatt Bremen und Verden 1850 Stade S.395

  64. Kirchenbuch Horneburg Jg.1851 S.285
    Diese Auskunft verdankt der Verf. Herrn Hinrich Oldhaber Horneburg. Er besitzt eine selbst angefertigte Abschrift des Buches

 

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