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REISEN IM MITTELALTER

– Beweggründe – äußere Bedingungen – soziale Wirkungen – Erlebnisse –
von Peter Ahrens
Quellen und kleine Beiträge Nr.: 1

 

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Übersicht

Im 7. bis 16. Jahrhundert war Reisen im heutigen Sinne nicht nur für Mitteleuropäer eine eher ungewöhnliche Tätigkeit. Reisen im Mittelalter fand aus anderen Beweggründen und Anlässen statt als im Altertum, sieht man von Handelsreisen und Kriegszügen einmal ab, die seit Erfindung des Rades bis heute zu allen Zeiten unternommen wurden.

Griechen und Römer kannten die Sommerreise, die die Oberschicht aus den heißen Stadtklimata Korinths, Syrakus´ oder Roms in kühlere Gefilde der Berge oder ans Meer führte.

Bildungs- und Forschungsreisen des Altertums sind vielfach beschrieben, so von Hekaistos von Milet, dem Geografen Herodorus oder Pausanias, dem „Baedecker“ des Altertums. Auch aus kultischen und religiösen Gründen wurde damals gereist. Denken wir an Petrus und Paulus.

Wanderungsbewegungen ganzer Volksstämme waren typisch für die zwischen Altertum und Mittelalter liegende Übergangszeit.

Zu den häufigsten Reiseformen des Mittelalters zählten die Pilgerfahrten, besonders nach Jerusalem, Rom und Santiago de Compostella, während die kürzeren Wallfahrten erst seit dem Hochmittelalter und dann von allen Schichten der Bevölkerung unternommen wurden. Auch Wanderungen der Handwerker, sowohl von Gesellen als auch von Meistern bestimmter Handwerke, sind mittelalterliche Reiseformen seit der Jahrtausendwende und teilweise noch bis ins 20. Jahrhundert.

In der Neuzeit kommen weitere Formen des Ortswechsels hinzu:

als Folge des Dreißigjährigen Krieges verändern Menschen als Bettler, Haus- und Heimatlose, Gaukler und Krüppel ihren Standort. Hausierende und herumziehende Kleinhändler verdienen in den Städten und versorgen den ländlichen Bereich mit Dingen des täglichen Bedarfs.

Gesellen wandern nach ihrer Lehrzeit nun wegen Konkurrenz abwehrender Zunftordnungen, nicht mehr nur wegen der Arbeitsplatzsuche oder im Gefolge Ihrer Landes- oder Kirchenherren.

Auswanderer und Wanderarbeiter (z.B. „Hollandgänger“ oder Ziegeleiarbeiter) weichen ganz oder zeitweise vor der wirtschaftlichen Not.

Religionsbedingte Wanderungsbewegungen und Vertreibungen kennzeichnen die gesamte Neuzeit. Bildungsreisen des europäischen Bürgertums und häufiger Universitätswechsel von Studenten, schließlich der heutige Ferien- und Wochendtourismus bilden selbstverständlich gewordene Ortswechsel unserer Zeit.

Infrastrukturverlust

Reisen im Mittelalter bedeutete gegenüber der Reisekultur des Altertums einen Rückschritt. Jede absterbende Epoche, die einer neuen Platz machen muss, birgt auch Verlust an zivilisatorischem Zugewinn. Einerseits hatte der mehrere Jahrhunderte von Norden nach Süden drängende Strom von Völkerschaften kein Interesse am Erhalt der hochentwickelten Verkehrsinfrastruktur in einer Gegend, die man auf immer zu verlassen aufgebrochen war. Andererseits setzte der geistige Aufbruch ins Mittelalter derart unerbittlich neue Akzente, dass vieles, was Wissenschaft, Technik und Organisationstalent in der Antike an Innovation hervorgebracht hatten, unter den grundsätzlich anderen und den täglichen Anforderungen des Christentums zurückgedrängt wurde oder gar völlig verlorenging.

Pilgerfahrt

So wurde denn in Europa vor allem im Namen des Herrn gereist. Pilgerzüge entwickelten sich zu einem Massenphänomen. Die Gläubigen keuchten über primitive Wege und mühselige Saumpfade – ein Zustand, der das Verkehrswesen der nächsten tausend Jahre prägen sollte. Allenfalls erinnerten noch bemooste Meilensteine an jene einst hochentwickelte Straßen-Baukunst des Römischen Reichs, über die nun Gras wucherte. Flächen erschließender Straßenbau setzte erst im 19. Jahrhundert wieder ein. Strategische Überlegungen und die logistischen Anforderungen der beginnenden Industrialisierung waren dann die Triebfedern. Doch den Frommen des Mittelalters galt die Strapaze als eine Waffe im Kampf um ihr Seelenheil.

Andere scherten sich weniger um die Befriedigung selbstquälerischer Bußübungen auf den Wegeresten einer vergangenen Kultur. So demonstrierten Fürsten und höhere Kleriker des Mittelalters ihre Glaubensstrenge durch stattlichen Aufwand und eine mehr oder minder große vorauseilende und begleitende Dienerschaft und Schutzmacht. Standesbewusstsein oder Reichtum zur Schau stellend sorgte ein Tross von Wagen und Mauleseln für die bequemere Variante der Pilgerfahrt.

In den herrschaftlichen Gefolgen befanden sich häufig ausgewählte Handwerker und Künstler, die im Auftrage ihrer Herren vor allem alle Sparten der sakralen Bautechnik anderer Territorien und Kulturen zu studieren, ja auszuspionieren hatten, um sie, heimgekehrt, zum Ruhme der Herrschaft zu kopieren.

Kaufmannsreisen und Entwicklung der Handelshäuser

Während des Früh- und Hochmittelalters waren Kaufmannstätigkeit und Reisen untrennbar miteinander verbunden. Die Notwendigkeit des Eigenhandels trieb jeden Kaufmann zur Reise. Seine Waren begleitend zog er in die Fremde, zu Handelspartnern, Märkten und Messen.

Eine wesentliche Neuerung im Hinblick auf die herkömmliche Verbindung zwischen Handel und Transport setzte im 14. und 15. Jahrhundert ein. Zwar hatten bereits im 13. Jahrhundert einzelne Kaufleute begonnen, die Führung und Begleitung ihrer Warentransporte beauftragten Handelsdienern oder Frachtführern (Fuhrleuten) zu überlassen, so wurde dies jetzt zur Norm. Nur wenn wichtige Gründe für die persönliche Anwesenheit des Kaufmanns sprachen, reiste dieser noch selbst, jedoch nicht mehr unbedingt mit seinem Warenzug. Mit Pferd oder Kutsche ließen sich sowohl Zeit sparen als auch größerer, standesgemäßer Komfort genießen.

Im Gefolge wachsender Handelshäuser und Reedereien führte das Auseinandergehen von Transport und Handel zur Ausbildung eines selbständigen Transportgewerbes. Es entstand das Dienstleistungsgewerbe der Fuhrleute also noch einmal neu; diesen Erwerbszweig hatte es ja in römischer Republik und Kaiserreich schon einmal gegeben.

Der Großkaufmann blieb zu Hause und dirigierte seine Handelsgeschäfte von seinem Kontor aus. Der Zusammenschluss von Kaufleuten in Gesellschaften, Vereinbarungen von Städten untereinander, Privilegienverteilungen, die Verbreitung der Schriftlichkeit im Geschäftsverkehr, das Aufkommen der Buchführung und deren Fortentwicklung sowie der beginnende Wechselverkehr waren hierfür wesentliche Voraussetzungen.

Die Leitung und die Mitarbeit in einem solchen Kontor, das seinen Sitz in einer der größeren oder kleineren Handelsstädte hatte, erforderte immer mehr Sachverstand. Umfangreiche, bis ins Detail gehende Warenkenntnisse waren ebenso erforderlich wie das Wissen um die politische und geografische Beschaffenheit, die Sprache sowie die Münz-, Maß- und Gewichtsverhältnisse fremder Territorien und Herrschaftsbereiche.

Wer dies lernen wollte, musste Handelsdiener oder Handelsgehilfe werden und sich aus der täglichen Erfahrung und auf eigenen Reisen das Nötige aneignen; der Handelsdiener war also vorwiegend im Außendienst tätig, mit dem Einkassieren von Außenständen, dem Ankauf von Waren und der Begleitung von Warenzügen beschäftigt. Dies erforderte eine ausgedehnte Reisetätigkeit.

Reiseanstrengungen

Welchen Belastungen mittelalterliche Herrscher ausgesetzt waren, davon mögen die Reisewege Karls d.Gr. eine Vorstellung geben. Man hat berechnet, dass Karl in den viereinhalb Jahrzehnten seiner Königsherrschaft Entfernungen zurückgelegt hat, die zusammen dem mehrfachen Erdumfang entsprechen.

Ursächlich dafür war, dass der Herrscher des Mittelalters keinen „Regierungssitz“ kannte. Das Zentrum der Macht lag immer dort, wo König oder Kaiser sich aufhielt. Deren ordnende und integrierende Kraft beruhte u.a. auf ständig wechselnder Präsenz von Pfalz zu Pfalz und Burg zu Burg. Wenn unter den Großen so viele als junge Menschen gestorben sind, dann auch deshalb, weil sie den Strapazen des Reisens nicht gewachsen waren.

Die teilweise großen Tagesleistungen reitender Boten, das Vibrieren, Schütteln und Stoßen ungefederter Last- und Reisewagen über Wurzeln, Schlaglöcher und Steine verschlissen Bandscheiben und Gelenke der Reisenden, der Kauf- und Fuhrleute ebenso wie die teilweise beachtlichen Trag- und Zuglasten umherziehender Händler.

Dazu gesellten sich Unbilden des Wetters, Kälte und Nässe und die dagegen meist unzureichende Schuh- und Oberbekleidung des Mittelalters. Welche Bedeutung das für die Menschen hatte, lässt sich aus der Tatsache ableiten, dass viele Herbergen über beheizte Trocknungsräume (für Männlein und Weiblein getrennt) verfügten.

Äußere Sicherheit

Im Mittelalter hatte man gegen Überfälle von Wegelagerern oder einer marodierenden Soldateska genauso wenig ein probates Mittel zur Hand wie in der Antike oder später in der Neuzeit. Militärische Bedeckungen verteuerten die Reisen des Adels enorm, während Kaufleute, Händler, Pilger, Handwerker und Künstler mit dem ständigen Risiko von Überfall, Raub und Schändung leben mussten oder sich gelegentlich aber zeitaufwendig abseits der Hauptreiserouten auf Saumpfaden und Nebenwegen und damit unter Verzicht auf wenigstens mittelmäßigen Herbergstandard ihren Reisezielen näherten.

Die Menschen reagierten unterschiedlich. Nach Möglichkeit stimmten sie mit den Füßen ab und mieden die gefährlichsten Gegenden. Städte schlossen sich dauerhaft zu Hansen oder Eidgenossenschaften, Einzelreisende in den Herbergen zu befristeten Reisegruppen zusammen, um das Risiko des Angreifers zu erhöhen. Waffen gehörten im frühen Mittelalter zur selbstverständlichen Reiseausstattung.

In der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts mit der starken Zunahme des Reiseverkehrs erkannten Kirche und weltliche Machthaber die Bedeutung gesicherten Reisens. Die Praxis, Schwächere und Fremde wie bisher schamlos auszuplündern, wurde sowohl aus christlichen als auch wirtschaftlichen Gründen aufgegeben.

Die verkündeten Gottes- und Landfriedensbewegungen stellen Kleriker, Mönche, Frauen, Kaufleute, Pilger, Bauern und Juden unter besonderen Schutz. Ihn genießen auch feste Zeiten (Donnerstag bis Sonntag jeder Woche, Advents- und Fastenzeiten, Feste), bestimmte Orte (Kirchen, Friedhöfe, Mühlen) sowie Zugtiere, Ackergeräte u.a.

So erklärte der Erzbischof von Köln für sein Erzbistum, dass Vornehme, die den Frieden brechen, das Land verlassen müssen und ihre Lehen verlieren, „Habenichtse“ wurden an Leib und Leben gestraft: „Verstümmeln der Hände darf nicht bei Knaben vorgenommen werden, die das Alter von zwölf Jahren noch nicht erreicht haben, wohl aber bei denen, die in diesem Alter, also mit zwölf Jahren, Volljährigkeit erreicht haben“.

Solche Sanktionsdrohung war zwar ein aufgeklärter Ansatz, bewirkte aber noch für Jahrhunderte keine durchgreifende Verbesserung. Wer bestimmte, was Raub und Wegelagerei war? Wer war bereit, sich einem Spruch zu beugen, wer, gegen einen Mächtigen anzutreten?

Seit damals überliefert hat sich das Asylrecht: Räuber, Dieb und Wegelagerer werden von jedem Frieden ausgeschlossen, erfreuen sich aber des Asyls: in Kirchen und auf Friedhöfen darf er nicht gefangen oder getötet werden, „vielmehr soll er dort solange belagert werden, bis er, vom Hunger getrieben, zur Übergabe gezwungen ist“.

Seit dem Hochmittelalter stellte sich dem Reisenden deshalb die Frage: Sollte, durfte er mit oder ohne Waffen reisen? Beides hatte Vor- und Nachteile. Wer waffenlos reiste, räumte den Beherrschern und den Bewohnern der durchzogenen Gebiete einen Vertrauensvorschuss ein und verpflichtete sie zu Entgegenkommen; im Falle von Fehde oder Krieg konnte man leichter den Beweis der Neutralität erbringen und deshalb vielleicht mit dem Leben davonkommen.

Andererseits weckte der Fremde grundsätzlich Misstrauen: Kam er als Spion, als Dieb, als Mörder? Verbreitete er vielleicht ansteckende Krankheiten? Wer ohne Waffen reiste, konnte sich nicht gegen Angreifer wehren.

Die Herrschaften verpflichteten Reisende oft dazu, ganz bestimmte Wege zu benutzen. Wer abseits solcher Wege angetroffen wurde, galt als Zollhinterzieher (Kaufleute) oder verlor den Königsschutz, den vor allem Pilger genossen. Diese Wege waren natürlich auch den Ganoven bekannt. Nicht genug damit, dass der Verkehr auf bestimmte Wege eingeschränkt wurde: Wollte man sich nicht verdächtig machen, musste man unterwegs Lautzeichen geben, im Wald etwa regelmäßig rufen – und vielleicht gerade dadurch lauernde Übeltäter auf die eigene Spur lenken!

Fernkommunikation

Schriftlichen, mittelalterlichen Postverkehr gab es weniger. Er ist ein Kind der beginnenden Neuzeit. Während sich die politischen und kirchlichen Machtzentren, aber auch die wenigen großen europäischen Handelshäuser eigener, in der Regel berittener Kuriere bedienten, wurde die schriftliche Post des mittleren und niederen Adels, der kleineren Kaufleute, Bürger und Handwerker von den örtlichen Fuhrleuten oder Fußboten besorgt. In der Regel beschränkten sich letztere Verbindungen ja auch auf kürzere Entfernungen.

Große politische Bedeutung hatte dagegen der persönliche Bericht:

Die Kurie bestellte ihre Bischöfe zum Hausbericht (ad limina-Besuch) nach Rom oder entsandte bevollmächtigte Nuntien zu den Ortskirchen, die Entscheidungen des Papstes überbringen und sich über das Leben von Laien und Klerikern, Bischöfen und Königen informieren sollten. Oft genug erschienen allerdings die Päpste auch in eigener Person. Seit der Zeit der Kirchenreform im 11. Jahrhundert übten sie ihr Hirtenamt auch im Herumreisen aus, vergleichbar dem Reisekönigtum. Papst Urban II. stellte sich sogar selbst an die Spitze eines Kreuzzuges.

Im weltlichen Bereich geht die Einrichtung ständiger Botschafter auf Venedig zurück (Erlass von 1288). Venedigs Berichterstatter hatten regelmäßig nach Rückkehr Berichte über ihre Erfahrungen und Beobachtungen in fremden Ländern abzuliefern. Sie berichteten über alles, was sie auf offiziellen und inoffiziellen Wegen an ihrem Tätigkeitsort und unterwegs in Erfahrung gebracht hatten.

Die Unterhaltung eines eigenen Botendienstes war kostspielig. Zur Besoldung kamen die Aufwendungen für Pferde, Übernachtungen, Wege- und Fährbenutzung, zu schweigen von Bestechungs- und anderen Geldern. Deshalb schlossen sich Interessierte zusammen, oder man suchte Gelegenheitsboten. Kaufleute konnten ein Vermögen gewinnen oder verlieren, je nachdem, ob sie vom Untergang oder der glücklichen Ankunft eines Schiffes früher oder später als die Konkurrenz erfuhren. Der erste derartige gemeinsame Botendienst wurde 1357 von sieben florentinischen Handelshäusern gegründet. Andere folgten bald (Turn und Taxis waren seit 1495 mit kaiserlichem Postverkehrsauftrag ausgestattet).

Geldwirtschaft

Als hätten Reisende noch nicht genug Hindernisse zu überwinden, sahen sie sich künstlichen Sperren der örtlichen Machthaber gegenüber, die das Reisen nachhaltiger erschwerten als Klima, Wälder, Ströme oder Gebirge es vermochten: Der Füllung der Kassen dienten Zölle, Wegegelder, Stapel- und Geleitzwang (Stapelzwang bedeutete, dass Kaufleute ihre mitgeführten Waren zum Verkauf anbieten mussten). Solches Recht war von Willkür, Räuberei und Wegelagerei oft nicht zu unterscheiden.

Ohne Bargeld ging nichts; nur welches es sein musste, ergab sich aus dem örtlich geltenden Münzrecht. Nicht ortsübliches Geld musste entweder in der Stadt und natürlich mit Wertverlust beim Geldwechsler eingetauscht werden oder der Reisende zahlte gleich in Goldstücken.

Der Zwang, auf Reisen Geld in größeren Summen mitzuführen, weckte zuverlässig fremde Begehrlichkeiten. Dass der Einzelreisende sein Geld in der Bekleidung an verschiedenen Stellen einnähte, war so selbstverständlich wie die Notwendigkeit, nachts darauf zu schlafen und seine Waffen im Bett bei sich zu haben.

Herbergswesen

Reisezweck, Stand und Beruf bestimmten in der Regel und wenn möglich die Herbergswahl. Übernachtete der Papst, Nuntius oder Bischof selbstverständlich in Klöstern, so der Kaiser und König auf Burgen, Pfalzen und festen Schlössern von Verbündeten. Der Kaufmann suchte den Handelspartner, der Pilger die besondere Pilgerherberge, häufig in Anlehnung an Klöster, auf. Wandernde, vor allem zünftige Handwerker fanden wenigstens in den Städten Unterkunft in eigens von den Zünften unterhaltenen Gesellenherbergen, in Gilde- oder Zunftstuben.

Je höher der Stand, desto sorgfältiger und frühzeitiger die Reiseplanung. Päpstliche und königliche Vorauskommandos sicherten den Erhalt des angemessenen Lebensstandards auch während der Reise und warnten Wegelagerer durch ihre Machtdemonstration. Kaufleute kündigten dem Geschäftspartner ihre Ankunft an und ließen sich oder ihre Transporte gelegentlich von ihnen an den Herrschaftsgrenzen abholen.

Auf den Hauptreisewegen gab es Herbergen in Abständen von 20 – 30 Kilometern, häufig angelehnt an Wegezollstellen der örtlichen Herrschafts- oder Lehnsbereiche. In der Regel waren dort Pferdewechsel- (Ausspann), Übernachtungsmöglichkeit und Wasservorrat vorhanden.

Im Gegensatz zu den Herbergen in den Städten hatte der Reisende auf dem Lande keine Wahl im Komfort. Häufig gab es keine Restauration in diesen Stationen, man kochte, wenn überhaupt, mitgeführte Verpflegung. Futter für die Zug- und Reittiere dagegen war in der Regel zu erwerben, da die Wirte meist Landwirtschaft für die Selbstversorgung und ihre reisende Kundschaft betrieben. Ställe waren immer, Betten, vor allem auf dem Lande, nur gelegentlich vorhanden.

Da in den Herbergen entweder im Strohlager übernachtet wurde oder etliche Betten auf engstem Raum beieinander standen, in denen auch jeweils mehrere Personen beiderlei Geschlechts schliefen, kam es häufig zu ersehnten oder peinlichen Begegnungen.

Licht war teuer und gefährlich, ein „Kammertopf“ selten. Wer nachts verschwinden musste, tastete auf den Hof oder in den Stall und fand sich auf dem Rückweg in der Dunkelheit des fremden Hauses und zwischen mehreren Betten auf engem Raum nicht immer zurecht, oder stieg bewusst in die Schlafstatt eines geliebten Menschen.

Auf die Körperwärme eines Bettgenossen war man auch deshalb angewiesen, weil man im Allgemeinen unbekleidet schlief. Daher die Redewendung, dass derjenige, der sich zerstritten hatte, „dem andern die kalte Schulter zeigt“.

Flöhe, Läuse und Wanzen waren verhafte, aber wohlbekannte Strohsack-Gäste in den Herbergen. Trotzdem: Waschen und Baden des ganzen Körpers bildete im Mittelalter eher die Ausnahme.

In den Städten fand man dagegen regelmäßig Herbergen unterschiedlichen Standards vor. Aber auch hier erwarteten den Reisenden Unannehmlichkeiten genug. An erster Stelle ist schlechte Luft in den Gast- und Schlafräumen zu nennen, die ihre Ursache nicht nur in den Ausdünstungen selten gewaschener Körper und Füße hatte. Abfall und Unrat aus den städtischen Haushalten wurde entweder einfach auf die häufig unbefestigte, bei und nach Regenfällen verschlammte Straße gekippt oder in Gräben und Gruben hinter den Häusern verbracht, wo sie selten weggeräumt wurde und deshalb einen unverwechselbaren Geruch verbreiteten, nicht selten bis sie verrottet waren.

Nicht beherrschbar war in den Städten deshalb außerdem die Rattenpopulation mit der Folge ständiger Seuchengefahr. Hinzu kam vor allem von Herbst bis Frühjahr schwer erträglicher, beißender Qualm aus unzähligen Kaminen, denn selten war der Hauptbrennstoff Holz abgelagert, sondern meist frisch geschlagen und feucht.

Erst Anfang des 18. Jahrhunderts mit der allmählichen Verbesserung des Straßenbaus, der Zunahme des Handelsumschlages nach dem Dreißigjährigen Krieg und dem wachsenden Bedürfnis der reisenden Bürger nach einer bequemeren Einkehr nahm auch der Gasthof einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung.

Literatur:

Hermann Bausinger u.a. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus. München.

Rainer S. Elkar (1991): Handwerksgeschichtliche Mobilitätsforschung. Überlegungen sozialwissenschaftlicher Deskription und historischer Statistik.

In: Wolfgang Griep (Hrsg.) (1991): Sehen und Beschreiben. Europäische Reisen im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Eutiner Forschungen, Bd. 1, Heide

Jürgen Lotz (1995): Über die Lust und die Last des Reisens.

In: Die Waage (Zeitschrift der Grünenthal GmbH), Nr. 1, Bd. 34.

Norbert Ohler (41995): Reisen im Mittelalter. München.

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