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Der Horneburger Müller Friedrich Prohme scheitert mit einem Antrag auf Errichtung einer Lohmühle

von Dr. Hans-Georg Augustin

Herausgegeben: Dezember 1998
Quellen und kleine Beiträge Nr.: 6

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In seinem Buch „Niedersächsische Mühlengeschichte“ berichtet Kleeberg, daß der Müller Friedrich Prohme in Horneburg seine Mühle verlegen und gleichzeitig einen Lohgang einbauen wollte. Sein Antrag wurde wegen des Einspruches des Deinster Müllers Steffens von der Regierung in Stade abgelehnt.1) Über diesen Vorgang gibt es im Staatsarchiv Stade eine Akte, welche die Hintergründe der geplanten Verlegung, die Regulierung des Gewerbes durch den Staat zeigt und auch Einblicke in das Wirken der Horneburger Burgmänner sowie in die Lebensverhältnisse des Fleckens gewährt.2)

Der Vorgang hat sich im Jahre 1800 zugetragen. In den ersten Apriltagen dieses Jahres erreichte die Regierung in Stade ein Gesuch Prohmes. Dem Inhalt dieses Gesuches nach besaß er seit einiger Zeit als Erbenzinsmann eine kleine Wassermühle mit zwei Mahlgängen bei dem Flecken Horneburg.

Anmerkungen: Ein Erbenzinsmüller war ein Mühlenbesitzer, der einem Obereigentümer zu einer Zinszahlung, also nicht zu einer Pachtzahlung, verpflichtet war. Mit dieser Zinszahlung war ein Erbrecht der Nachkommen des Mühlenbesitzers verbunden, so daß der zu entrichtende Zins Erbenzins genannt wurde. Kleeberg3) vermutet, daß diese Eigentumsform das Ergebnis schlechter Erfahrungen mit Mühlenverpachtungen war. Vielfach hatte sich herausgestellt, daß Verpächter, die auf hohe Pachtzahlungen bedacht waren, eines Tages abgewirtschafteten und hoch verschuldeten Pächtern, die auch häufig berufsfremd waren, gegenüber standen. Die Pachtobjekte waren verfallen und wenig instandgehalten. Mühlen wechselten somit häufig die Pächter und der Verpächter mußte einen neuen Partner suchen. Diese Nachteile wurden beim Erbenzinsmüller vermieden, der im Vergleich zur Pacht eine niedrigere Zahlung zu leisten hatte. Das gleichzeitig bestehende Erbrecht der Nachkommen war zugleich Ansporn, die Mühle instandzuhalten und – wie der hier dargestellte Fall zeigt – zu verbessern.

Diese Mühle lag, so führte Prohme aus, an einem kleinen Bach, an dem sich keine weiteren Mühlen befanden. Prohmes Vorgänger hatten die Mühle immer wieder aufgegeben, weil der Mühlenbetrieb ihnen Verluste eingebracht hatte. Bei trockenem Wetter mangelte es an Wasser. Vom Wassermangel war auch schon Prohme des öfteren betroffen worden. Er wußte jedoch einen seines Erachtens einzig möglichen und leicht zu realisierenden Weg, die Verlustquelle zu beseitigen. Dieser Weg bestand darin, aus der vorhandenen Mühle einen Mahlgang zu entfernen und ihn oberhalb derselben wieder anzulegen, „sodaß der eine Mahlgang dem anderen das Wasser zumahlet.“ Diese Maßnahme würde nicht nur den Wassermangel beseitigen, so Prohme, sondern gleichzeitig auch zusätzlich den Einbau eines Lohganges „bei dieser neuen Vorrichtung“ erlauben. Eine Lohmühle sei, wie Prohme ausführte, im Flecken Horneburg, in dem viele Lohgerber ansässig seien und die sich eine solche Mühle wünschten, „fast unentbehrlich.“ Nach seinen Worten behinderte Prohme mit seinem Vorhaben keine anderen Müller. Er wiederholte, daß an dem Bach keine weiteren Mühlen vorhanden seien, „und eine Lohmühle,“ so wörtlich, „der ich Abbruch thun könnte, existiert in der Nähe überall nicht.“ Er bat die um die Wohlfahrt der Untertanen besorgte Regierung untertänig und gehorsamst um Erteilung der Konzession, „zu vorgedachter Veränderung meiner itzigen Mühle und zu Vorrichtung eines Lohganges.“

Anmerkungen: Prohme führt in seinem Gesuch an, daß in seiner Nähe keine Lohmühle existiere und daß die Horneburger Lohgerber sich eine solche Lohmühle wünschten. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß im Januar 1799 dem Horneburger Lohgerber Johann Georg Clemens Weizker4) die Konzession zum Bau einer Lohmühle erteilt wurde. Als im Jahre 18O8 H.D.von Holleuffer auf Gut Daudieck eine Lohmühle bauen wollte, bemerkten die Horneburger Burgmänner in ihrem Bericht zu diesem Vorhaben an die Regierung in Stade, daß Weizker die Mühle nicht mehr nutze, auch nicht für den eigenen Bedarf. Er betrachtete sie als „lästige Vorrichtung“5), die er zum Verkauf angeboten hatte. Eine genaue Zeitangabe, ab wann Weizker die Mühle nicht mehr nutzte, fehlt allerdings; die Burgmänner sprachen etwas vage von „seit geraumer Zeit.“

Bereits am 5. April bat die Stader Regierung die Horneburger Burgmänner um einen Bericht zu dem Antrag des Müllers Prohme. Sie wies die Burgmänner gleichzeitig darauf hin, daß in Horneburg bereits eine Lohmühle existiere und meinte offensichtlich die 1799 genehmigte Mühle des Lohgerbers Weizker. Außerdem teilte die Regierung mit, daß sie auch den Deinster Müller Steffens anhören wolle.

Der Deinster Müller Steffens hatte schon von dem Vorhaben Prohmes gehört und wurde bei der Stader Regierung mit einer Eingabe vorstellig; sie erreichte die Behörde bereits am 25. April. Eingangs erinnerte Steffens daran, daß er bereits im Jahre 1794 bei der Regierung Stade und bei der Königlichen Kammer in Hannover seinen „sehnlichsten“ Wunsch vorgetragen habe, „daß mir die huldreiche Versicherung ertheilt werden möchte, daß in meinem Bezirk von 3 Meilen keine Lohgärber Mühle in Rücksicht der Meinigen angelegt würde.“ Dieser Wunsch wurde ihm nicht erfüllt und er wolle sich daher, so schrieb er, zu allen beabsichtigten Anlagen von Lohmühlen äußern, damit seine Ansichten mit in landesväterliche Erwägung gezogen würden. Mißgunst lag ihm nach seinen Worten fern.

Zunächst lag Steffens an der allgemeinen Feststellung, daß sich seit 1794 die Konkurrenz und die Umstände des Lohmahlens verschlimmert hatten. Alsdann trug er vor, daß die Konzessionierung einer Lohmühle unter zwei Gesichtspunkten zu prüfen sei. Erstens mußte nach seiner Meinung geprüft werden, ob durch bereits vorhandene Mühlen für das „Publicum“ hinreichend gesorgt sei. Zum Zweiten hielt er die Prüfung der Frage, ob eine neue Mühle nicht die bereits vorhandenen in ihrer Existenz gefährden werde, für notwendig.

Zur zweiten Frage trug er in seiner Eingabe die seines Erachtens bestehende Gefährdung der eigenen durch Wasser angetriebenen Loh- und Kornmühle vor, wenn Prohme sein Vorhaben verwirklichen konnte. Nach Steffens Darlegungen war seine Kornmühle fast unrentabel. Ursächlich dafür waren die hohen Kosten (im Text: schwere Kosten), die durch das Halten von vier Pferden und durch die Beschäftigung eines Mitarbeiters (im Text: Knecht), entstanden. Diese Kosten waren für das Zusammenholen des Kornes notwendig. Seine „Hauptnahrung“, so Steffens, müsse daher aus der Lohmühle kommen. Diese Mühle hatte er in den vergangenen Jahren so instandgesetzt, „daß ich jeden Mahlgast gleich prompt mit der feinsten Lohe dienen kann.“

Zur Frage, ob das „Publikum“ durch vorhandene Mühlen hinreichend versorgt sei, erklärte Steffens, daß er den Bedarf „der ganzen umliegenden Gegend“ decken könne, wenn er im Jahresdurchschnitt pro Woche einen Tag Lohe mahlen könne. Es war aber so, wie Steffens schrieb, daß er Wochen und manche 14 Tage keinen „Sack Rinde zu vermahlen habe, sondern meine Mühle stille steht.“

Der Deinster Müller führte dann einen weiteren Sachverhalt an, durch den seine Erwerbsmöglichkeit eingeschränkt wurde. In Niederochtenhausen, etwa anderthalb Meilen von Deinste entfernt, wurde vor knapp zwei Jahren die dortige Windmühle um einen Lohgang erweitert, der vorher in Dollern installiert war. Etwaige Vermutungen, daß diese Verlegung ihm nicht geschadet habe, wies Steffens zurück und erklärte, daß er durch die Verlegung „einen unglaublichen Abbruch“ um ein Drittel erlitten habe. Zur Erläuterung führte er aus, daß Aufträge an ihn aus Horneburg vor der Verlegung etwas gemindert gewesen seien, da Horneburger ihre benötigte Lohe teils in Dollern mahlen ließen. Nach der Verlegung, so Steffens, blieben jedoch alle Aufträge von der „Oste Seite“ aus. Besonders nannte er Osten, einen Ort, in dem viele Lohgerber ansässig waren und in dem auch viele Schuhmacher die Lohgerberei betrieben. Eine Lohmühle gab es dort nicht.

Steffens verblieben als Absatzgebiet somit nur noch Horneburg, Buxtehude und Stade. Eine Lohmühle in Horneburg würde ihm, so Steffens, die Horneburger und Buxtehuder Märkte, eventuell auch den Stader Markt, nehmen. Messerscharf schloß er aus dieser Sicht der Lage, daß „in hiesiger Gegend“ für die Existenz mehrerer Lohmühlen kein Raum sei.

Sodann stellte Steffens für die Lohmüllerei eine pessimistische Prognose auf. Er machte darauf aufmerksam, daß „nahe Lohe “ in beachtlicher Menge nach England ausgeführt werde und wies auf Verknappungserscheinungen bei Eichenholz hin. Die Verknappungen hatten nach seinen Worten dazu geführt, daß Lohgerber ihre Lohe „aus der Fremde und vorzüglich über die Elbe herkommen lassen.“ Namentlich nannte er den Gastwirt Plate in Freiburg, der auch eine Gerberei betrieb und einst ein guter Kunde von ihm war. Plate bezog nun Lohe aus dem „Dänischen“. Am gegenüberliegenden Elbufer befanden sich nach Kenntnis von Steffens sehr viele Lohmüller, die oft keine Kunden hatten. Wenn hiesige Lohgerber von dort Lohe bezogen, so würden sie auch dort, so argumentierte Steffens, mahlen lassen, da der „Mahlzins“ dort nicht höher sei und sich dann ein Transport nach hiesigen Mühlen erübrige.

Am Ende seiner Ausführungen sprach Steffens die Hoffnung aus, daß seine Darlegungen erwogen würden, „wenn der gedachte Müller (gemeint war Prohme) sich mit seinem Gesuche anhero wenden sollte.“

Die Eingabe von Steffens leitete die Regierung umgehend den Horneburger Burgmännern zu, die lange Zeit schwiegen. Sie hatten ihren Bericht, in dem sie Steffens Eingabe berücksichtigen sollten, auch noch nicht abgegeben, als Steffens im August 1800 erneut vorstellig wurde. Er bezog sich auf sein Schreiben vom April und dankte zunächst dafür, daß es den Horneburger Burgmännern zugeleitet worden war. Seine erneute Eingabe reichte er ein, weil er bei seinen Ausführungen vom April nicht genau über Prohmes Vorhaben informiert gewesen sei.

Wie Steffens schrieb, hatte er im April angenommen, Prohme wolle seine bisherige Mühle nur um einen Lohgang erweitern. Inzwischen hatte er von Prohmes weitergehenden Absichten erfahren. Die Mühle lag – insoweit stellen Steffens Ausführungen eine Ergänzung des Antrages von Prohme und eine genauere Lagebeschreibung seiner Mühle dar – „nach der Gegend von Daudieck hin.“ Weiter in Richtung Daudieck, „in einer kurzen Distanz“, lag ein Karpfenteich, der sich im Eigentum des Generals von Düring befand. „Dem Verlaute nach“, so Steffens, hatte Prohme diesen Teich nach Meierrecht oder unter einer anderen Bedingung erhalten. An diesem Teich wollte Prohme nach Steffens Mitteilungen ein Mühlengebäude errichten und es sowohl mit einem Korn- als auch mit einem Lohgang ausstatten. Die alte Mühle sollte dann nur noch einen Korngang enthalten. Steffens bestätigte bis auf das Vorhandensein des Teiches und seine Nutzung also im wesentlichen die Ausführungen von Prohme.

Steffens hatte auch gehört, daß die Horneburger Burgmänner Prohme die Verlegung des Kornganges nicht gestatten wollten, „weil hierunter ihre übrigen Mühlen zu Horneburg zu sehr leiden würden, denn alsdann könnte er natürlich mit zwei Gängen, die auf verschiedenen Wassern liegen, weit mehr mahlen als mit seinen zwei Mahlgängen, die in einer Mühle und auf ein und demselben Wassern liegen.“ Steffens verwies auf diese Fürsorge der Horneburger Burgmänner für ihre Kornmühlen und meinte, man könne es daher auch ihm nicht verdenken, wenn er die Herren der Regierung „so dringend anflehe“, die Situation seiner Lohmühle, die sich durch Prohmes Vorhaben ergebe, „einer gnädigen Aufmerksamkeit zu würdigen.“

Nach den weiteren Ausführungen des Deinster Müllers verhielt sich Prohme auch bereits so, als ob ihm die Mühle bereits „mündlich concediert“ sei. Steffens war in der fraglichen Gegend gewesen und hatte ermittelt, daß Prohme schon den Bach unter Aufwendung hoher Kosten aufgeräumt und Zimmerleute mit den erforderlichen Arbeiten beauftragt hatte (im Text: in Verding genommen). Von Prohme hatte Steffens persönlich gehört, daß er die Mühle bauen werde. Steffens monierte auch, daß Prohme schon lange auf eine Entscheidung warte und vortragen könne, er habe deshalb auf die Konzession hoffen können und in dieser Hoffnung schon viele Kosten aufgewendet. Prohme, so Steffens, würde es als hart bezeichnen, wenn diese Kosten als Folge einer Ablehnung vergeblich gewesen sein würden. Der Deinster Müller schloß auch nicht aus, daß für das Verhalten Prohmes auch Eigenmächtigkeit in Frage kommen könne. Da sich Steffens gegen das Vorhaben aussprach, wollte er nicht, daß sich einer seiner Mitmenschen vergeblich in Kosten stürzte. Jedenfalls führte er das als Grund seiner Anzeige an.

Die entstandene Lage führte der Deinster Müller darauf zurück, daß die Horneburger Burgmänner bis dahin noch nicht den von der Stader Regierung erbetenen Bericht abgegeben hatten. Er vermißte bei ihnen die Würdigung seiner Interessen, während sie sehr wohl an die Interessen der Horneburger Mühlen dachten.

Am Schluß seiner Vorstellung bat Steffens die Regierung, den Bericht des Horneburger Gerichtes, falls er noch nicht vorliege, „binnen ganz kurzer Zeit anhero befordern zu lassen“, und gleichzeitig eine Weisung (im Text: dem Gerichte aufzugeben) zu erteilen. Sie sollte Prohme eröffnen, daß ihm Vorkehrungen zwar nicht verwehrt werden könnten, daß er es sich aber selbst zuzuschreiben habe, wenn darauf keine Rücksicht genommen werde.

Die Horneburger Burgmänner gaben ihren Bericht am 13. September ab. Die verspätete Abgabe entschuldigten sie mit Ortsabwesenheit einiger Burgmänner, deren Meinung wichtig erschien. Eingangs protestierten sie gegen die Anlegung eines neuen Mahlganges durch Prohme in seiner Kornmühle. Sie wollten sowohl den innerhalb als auch außerhalb des Fleckens bestehenden Mühlen keinen Nachteil und Schaden zufügen. Gegen die Konzession für einen Lohgang hatten sie keine Einwendungen, wenn sie seitens der Regierung erteilt würde. Im Gegenteil: Die Burgmänner sahen in dem Vorhaben Prohmes beträchtliche Ersparnisse an Transportkosten für die Horneburger und Buxtehuder Lohgerber und auch für jene Lohgerber „an mehreren Orten hiesiger Gegend.“ Sie alle, so die Burgmänner, mußten nicht mehr – besonders auch nicht zur Winterzeit – „auf beschwerlichen Wegen“ nach Deinste fahren. Für die außerhalb des Fleckens ansässigen Lohgerber verkürzten sich die Wegstrecken nach einer Horneburger Lohmühle gegenüber der Entfernung nach Deinste nach Ansicht der Burgmänner auf die Hälfte.
Anmerkungen: Das Argument der Transportkosten hatte 1798/99 bereits der Lohgerber Weizker aus Horneburg gebraucht, als er die Konzession für eine Lohmühle beantragte.

Was die Argumente des Deinster Müllers Steffens gegen eine Lohmühle von Prohme anbelangte, erklärten die Burgmänner, daß der Vorteil eines einzigen Mannes nicht ausschlaggebend sein könne. Sie wollten den Nutzen des „Publicums“ beherzigt sehen. Von ihnen wurde – zu Recht – die Vermessenheit von Steffens kritisiert, gegen den Antrag von Prohme „zu contradieren“, und sie kritisierten auch sein Bestreben, ein Monopol zu erzwingen. Nach Auffassung der Burgmänner hatte Steffens „sein reichliches, Prohme dagegen ein „kümmerliches Auskommen.“ Ursache für die Lage von Prohme war nach Bericht der Burgmänner die Konkurrenz der übrigen in Horneburg vorhandenen Mühlen. So bekundeten sie volles Verständnis für den Antrag, der sowohl dem Nutzen des Publikums als auch dem Nutzen und Fortkommen von Prohme diene. Von Vorbereitungen seitens Prohmes war den Burgmännern nichts bekannt.

Am Ende ihres Berichtes stellten die Burgmänner die Entscheidung in das Ermessen der Regierung. Auf die Lohmühle des Lohgerbers Weizker gingen sie nicht ein.

Die Stader Regierung verkündete ihre Entscheidung am 19. September 1800. Der Antrag des Müllers Prohme wurde abgelehnt. Zur Begründung ihrer Entscheidung bezog sich die Regierung auf die Horneburger Burgmänner. Sie folgte erstens deren Protest gegen die Anlegung eines neuen Mahlganges und erklärte zum Lohgang, den Prohme anlegen wollte, daß er seitens der Burgmänner „für unnöthig befunden worden“ sei.

Anmerkungen: Es ist am bisherigen Verlauf des Verfahrens unverständlich, daß die Burgmänner nach den Ausführungen in ihrem Bericht zum Lohgang keine Befürwortung dieser Einrichtung aussprachen, sondern die Entscheidung vollkommen dem Ermessen der Regierung überließen. Eine eindeutige Stellungnahme wäre logisch gewesen. Unverständlich ist aber auch, daß die Regierung in Ausübung ihres Ermessens aus dem Bericht der Burgmänner folgerte, daß diese den Lohgang für „unnöthig“ hielten.

Mit der Entscheidung vom September war das Verfahren nicht beendet. Am 14. November des Jahres ging ein Schreiben Prohmes bei der Stader Regierung ein. Prohme bezog sich auf eine Mitteilung, die ihm von einigen Burgmännern gemacht worden war. Sie hatten ihm erzählt, daß vor wenigen Tagen ein Bericht an die Regierung abgesandt worden sei, in dem die Burgmänner und die Deputierten des Fleckens den Wunsch nach einem Lohgang innerhalb des Fleckens vorgetragen hatten. Prohme bat erneut um die Konzession.

Der von Prohme genannte Bericht war bei der Regierung am 9. November eingegangen. Eingangs betonten die Burgmänner, daß sie „für das Beste und den Wohlstand unserer Gerichtsunterthanen nach Möglichkeit sorgen“ wollten. Dazu gehörte ihres Erachtens auch die Anlegung eines Mahlganges, der dem Flecken und den Lederfabrikanten zum Vorteil gereiche. Aber nicht nur die Lederfabrikanten zogen nach Darstellung der Burgmänner Vorteile aus einer Lohmühle in Horneburg, sondern auch die Sattler und eine große Zahl von Schuhmachern, „die fast alles zu ihrer Profession benöthigtes Leder selbst gerben.“ Sie alle konnten in vorangegangenen Zeiten den „Lohbedarf ihres Metiers“ mit sehr geringen Kosten in Dollern mahlen lassen, solange es dort eine Lohmühle gab. Nach deren Verlegung nach Niederochtenhausen waren sie auf die Deinster Mühle angewiesen. Die Nachteile lagen für die Burgmänner auf der Hand. Ihr Arbeitsablauf geriet in Unordnung (im Text: derangiert), und es entstanden hohe Transportkosten auf den beschwerlichen Wegen nach Deinste. Im Winter konnten die gerbenden Horneburger Gewerbetreibenden auch oftmals keine Lohe gemahlen erhalten. Diese Nachteile erzwangen Preissteigerungen für Leder, worunter Handwerker und Publikum zu leiden hatten. Wenn dagegen Lohgerber, Sattler und Schuhmacher gemahlene Lohe im Ort erhalten könnten, so die Burgmänner, werde sich das Leder verbilligen, „mithin das Commercieren und das Publicum“ gewinnen.

Hinzu kamen Vorgänge, die das Fuhrwesen generell nachteilig beeinflußten. Zu nennen sind nach Darlegungen der Burgmänner ein Anstieg der Futtermittelpreise (im Text: Fourage) über mehrere Jahre und ein Verlust von Weideland (im Text: Gräserei) und Äckern. Dieser Verlust war durch den Abbau (im Text: Hinwegnahme) der großen Lüheschleuse entstanden. Der Abbau der Schleuse hatte zu großen Überschwemmungen geführt. Als Folge dieser Ereignisse schafften viele Fuhrleute ihre Pferde bis auf diejenigen ab, die sie für den eigenen Ackerbau benötigten. Andere Fuhrleute schafften ihre Pferde gänzlich ab, so daß kaum noch Pferd und Wagen zu erhalten waren.

In ihren weiteren Ausführungen brachten die Burgmänner zum Ausdruck, daß auf Grund ihrer Schilderungen kein Zweifel über die Genehmigung des Antrages von Prohme bestehen könne. Sie erklärten zur Person des Antragstellers, daß er in seinem „Metier“ als sehr geschickt und weiter als einsichtsvoller Mann gelte. Nach ihren Worten hatte er viele Jahre die Mühle auf dem Marschdamm gepachtet, diese aber aufgegeben (im Text: quittiert), weil auch sie durch den Abbau der Lüheschleuse gelitten hatte. Ausdrücklich vermerkten die Burgmänner, daß Prohme seine Pacht „immer sehr prompt“ bezahlt habe. Nach den Worten des Gerichtes wollte Prohme den Lohgang „bei seiner itzigen kleineren Erbenzinsmühle vor dem hiesigen Flecken anlegen.“

Zu den Einwendungen (im Text: Contradictiones) von Steffens erklärten die Horneburger Burgmänner, das öffentliche Wohl und die Entwicklung des Ortes könne „nicht dem Gewinn und der Habsucht eines einzigen Mannes“ untergeordnet werden. Steffens, so das Gericht, wolle für sich eine Zwangsmühle erzwingen.

Ihrer Stellungnahme fügten die Burgmänner zwei Protokolle bei.
Das erste vom 4. November enthielt Erklärungen, die von den „Fleckens-Gevollmächtigte“ Conrad Oldhaber und Jacob Nibbe vor dem Burggericht abgegeben wurden. Sie bestätigten die bereits angeführten Argumente für die Erteilung der Konzession. Es war für sie eine Pflicht als Bevollmächtigte, sich für das Beste der Fleckenseinwohner einzusetzen. Sie befüchteten für die Fuhrleute, daß „dieses ansehnliche Gewerbe gleichsam ins Stocken geraten würde“.

Das zweite Protokoll vom 5. November enthielt eine Erklärung Prohmes. Er gab zu Protokoll, daß er von sich aus keine weiteren Schritte unternommen hätte, jedoch von den Lohgerbern, Sattlern und Schuhmachern gebeten worden sei, sein Vorhaben nicht aufzugeben. Ausdrücklich bestätigte er seinen Verzicht auf einen Korngang, den er ursprünglich beantragt hatte und bat um Unterstützung der Burgmänner nur für den Lohgang.

Alle Argumente, die im Laufe des Verfahrens für eine Konzession vorgetragen wurden, waren erfolglos. Am 11. November schrieb die Stader Regierung an die Horneburger Burgmänner. Nach eingehender Erwägung, so stand in dem Brief, der seitens der Burgmänner am 6. November vorgelegten Vorstellungen müsse es bei dem abschlägigen Bescheid vom 19. September verbleiben. Besonders zog die Regierung hierbei in Betracht, daß dem Horneburger Weizker am 19.1.1799 eine Konzession für eine Loh-Roßmühle erteilt wurde.

Anmerkungen: Leider sagt die Entscheidung der Stader Regierung nicht, auf Grund welcher Erwägungen im einzelnen es bei dem ablehnenden Bescheid vom 19. September verbleiben mußte. Denkbar ist, daß sie die Argumente der Horneburger Burgmänner für übertrieben hielt, weil sie das Ziel verfolgten, Prohme die Einrichtung eines Lohganges zu ermöglichen. Den Einwand des Übertreibens in der Argumentation kann man jedoch auch gegen Steffens erheben, der eine Lohmühle in Horneburg verhindern wollte. Über die Frage, welche Argumente die Regierung nun als erheblicher ansah, können nur Vermutungen angestellt werden. Diese Vermutungen stützen sich zunächst auf den Hinweis der Regierung auf die dem Horneburger Lohgerber Weizker im Jahre 1799 erteilte Konzession für eine Lohmühle.6) Auch gegen die Erteilung dieser Konzession an Weizker hatte Steffens opponiert, war aber mit seinen Argumenten nicht durchgedrungen. Nach anfänglichem Zögern und Konsultation der Königlichen Kammer in Hannover erkannte die Regierung in Stade die Vorteile einer Lohmühle für die Lohgerber in Horneburg und Buxtehude an. Vor allem wollte sie auch kein Monopol für Steffens und mit der Erteilung einer Konzession an Weizker den Deinster Müller in eine Konkurrenzsituation versetzen. Unser heutiges Wissen, daß zwei Anbieter auf einem Markt bei weitem noch nicht Konkurrenz und Marktwirtschaft bedeuten, war damals noch kaum bekannt. Die Regierung in Stade mochte also glauben, eine – nach heutigem Sprachgebrauch – mögliche Marktmacht von Steffens bereits durch die Konzession für Weizker gebändigt zu haben.

Eine weitere Vermutung kommt hinzu. Sie ergibt sich aus dem Genehmigungsverfahren aus dem Jahre 1808 für den Bau einer Lohmühle durch H.D.von Holleuffer auf Gut Daudieck.7) Auch dagegen hatte Steffens Einspruch erhoben. Von der Stader Regierung wurden das Amt Harsefeld und das Burggericht Horneburg gehört. Beide Behörden äußerten sich in ihren Berichten auch zur Ablehnung des Antrages Prohme. Das Amt Harsefeld vermutete zur Ablehnung dieses Antrages, daß damals die „kostbare Anlage“ in Deinste „allen höheren Schutz und Rücksicht“ verdient habe. Das ist das Prinzip des Bestandsschutzes für eine einmal genehmigte Anlage.

In der obigen Darstellung des Antragsverfahrens sind uns verschiedene Hinweise auf den Standort der Mühle des Erbzinsmüllers Prohme begegnet. Kleeberg, der zu Anfang zitiert wurde, schreibt, daß Prohme Pächter der Gutsmühle v.Düring, später Sierke, war und diese Mühle später an den Düringschen Karpfenteich verlegen wollte.8) Daraus könnte der Schluß gezogen werden, daß es sich um die Mühle auf dem Marschdamm handelte. Daran ergeben sich nach dem hier dargestellten Akteninhalt Zweifel. Der Akteninhalt läßt vielmehr den Schluß zu, daß es sich um die frühere Mühle in der Wilhelmstraße handelt. Zur Begründung, daß es diese und nicht die Mühle auf dem Marschdamm gewesen sein muß, sei auf folgende Einzelheiten hingewiesen. Erstens erklärte Prohme in seinem Antrag, er besitze als Erbenzinsmann eine Wassermühle vor dem Flecken an einem Bach. Die Mühle auf dem Marschdamm erhielt ihr Wasser aber von der Aue/Lühe und nicht von einem Bach. Erinnert sei zweitens auch an den Bericht der Burgmänner vom November 1800, die bestätigten, daß Prohme die Mühle auf dem Marschdamm zwar lange gepachtet, die Pachtung aber quittiert habe. Die Überflutungen nach dem Abbau der Lüheschleuse hatten der Mühle Schaden zugefügt. Drittens beschreibt Steffens in seiner Eingabe vom August 1800 an die Regierung die Lage der Prohmeschen Mühle als „nach der Gegend von Horneburg nach Daudieck hin.“ Nach den Angaben der Burgmänner lag Prohmes „itzige (= jetzige, der Verf.) kleinere Erbenzinsmühle vor dem hiesigen Flecken“, eine Lagebeschreibung, die sich mit den Angaben Prohmes deckt. Übrigens benutzen die Burgmänner die Formulierung „itzige kleinere Erbenzinsmühle“ im Vergleich mit der früher von Prohme gepachteten Gutsmühle. Drittens treffen solche Lagebeschreibungen wie „nach Daudieck hin“ oder „vor dem hiesigen Flecken“ für die Marschdammühle nicht zu, wohl aber für die zumindest den älteren Horneburgern noch bekannte Mühle in der Wilhelmstraße, die in Richtung Daudieck lag. Eine dem Verfasser von Helmut Stolberg, Horneburg, überlassene Kopie des Ortsplanes von Horneburg aus dem Jahte 1789 zeigt für das Gebiet der Wilhelmstraße keine Besiedlung. In der Tat lag die Mühle also „vor dem Flecken“ und nicht wie die Marschdammühle innerhalb des Fleckens. Dieser Sachverhalt ergibt sich auch aus der Beschreibung des Fleckens, die 1795 vom damaligen zweiten Prediger in Horneburg, Wilhelm Heinrich Rotermund, verfaßt wurde.9) Zu Zeiten Rotermunds gab es in Horneburg nur drei große (Vordamm, Marschdamm, Langestraße) und zwei kleine (im Gebiet der unteren Langenstraße) Ortsstraßen.

Nach dieser sich aus den Akten ergebenden Ortsbestimmung besteht kein Zweifel, daß es sich um die frühere Mühle in der Wilhelmstraße handelt. Sie gehörte zum Horneburger Gut V. Einzelheiten zu dieser schon 1617 urkundlich erwähnten Mühle, besonders auch ihre Verkehrsanbindung an Bliedersdorf, hat Herbert Feindt unter Benutzung von Unterlagen aus dem Archiv von Helmut Stolberg dargestellt. Für diese Abhandlung sei nur vermerkt, daß Prohme im Jahre 1799 in den Besitz der Mühle kam. Sie gehörte bis zu diesem Jahre dem Generalmajor von Düring .10)
Der Grund und Boden der früheren Mühle in der Wilhelmstraße befindet sich heute im Eigentum von Richard Wilke, der dort einen Fischzuchtbetrieb unterhält.

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Quellen:

1) HermKleeberg, Wilhelm: Niedersächsische Mühlengeschichte Detmold 1964 S.284

2) Staatsarchiv Stade: Rep 80 G Bd.II Tit.266 No.5

3) Kleeberg, Wilhelm: Niedersächsische Mühlengeschichte a.a.O. S.71-72

4) Staatsarchiv Stade: Rep. 80 G Bd.II Tit.266 No.4

5) Staatsarhciv Stade: Rep. 80 G Bd.II Tit.266 No.6

6) Staatsarchiv Stade: Rep. 80 G Bd.II Tit. 266 No.4

7) Staatsarchiv Stade: Rep. 80 G Bd.II Tit.266 No.6

8) Kleeberg, Wilhelm: Niedersächsische Mühlengeschichte a.a.O. S.284

9) Rotermund, Heinrich Wilhelm: Historisch=statistische Beschreibung des Burgfleckens Horneburg im Herzogthum Bremen In: Annalen der Braunschweig=Lüneburgischen Churlande Neunter Jahrgang Erstes Stück Hannover 1795 S.212-254

10) Feindt, Herbert: Postmoor 1795-1995 Geschichten und Erzählungen aus zweihundert Jahren – Eigenverlag S.68

 

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