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REISEN IN DER FRÜHEN NEUZEIT

– äußere Bedingungen – soziale Wirkungen –

von Peter Ahrens
Quellen und kleine Beiträge Nr.: 2

 

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Das Reisen in der frühen Neuzeit unterschied sich in seinen äußeren Bedingungen vom Reisen im Mittelalter [1]; nur gering. Änderungen traten im wesentlichen erst mit dem mehr oder minder planmäßigen Ausbau der Fernverkehrswege zu Beginn des Jahrhunderts ein [2].

 

Verkehrswege und Straßenbau

Anders als in dem territorial zersplitterten Römischen Reich deutscher Nation wurden in den größeren, zentral gelenkten Königreichen, besonders in England und Frankreich, Anstrengungen zum Bau und zur Unterhaltung von gut befestigten und gepflegten Fernstraßen unternommen. Ausgangspunkte der Verkehrswege waren hier die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Metropolen London und Paris. Ein vergleichbar beherrschendes Zentrum fehlte bekanntlich im Reich. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts bildeten sich mit Berlin, Frankfurt, Nürnberg und Wien solche Kristallisationspunkte eines mitteleuropäischen Verkehrswegenetzes heraus.

 

In England beispielsweise forderten schon vor der eigentlichen Industrialisierungs-phase die frühen ökonomische Entwicklungen, nämlich die privaten Wirtschaftsinteres-sen der gewerkeübergreifenden Produzenten und der Kaufmannsgesellschaften schnelleren Verkehr und schwerlastgeeignete Verbindungen auf der Insel. Die Gründung von Straßenbetriebsgesellschaften, die sog. „TURNPIKE-TRUSTS“ (das waren Mautgesellschaften in der Betriebsverfassung von Aktiengesellschaften), ermöglichten die Ausführung privaten Straßenbaus und dessen Finanzierung.

 

Wie die engen, mitteleuropäischen Zunftregeln die weitere Entwicklung der noch mittelalterlich strukturierten Handwerksbetriebe und deren Produktionsverfahren bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts behinderten, so verzögerten vom Absolutismus geprägte Egoismen der deutschen Kleinstaatenfürsten eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im Reich nachhaltig. Zwar wurde die Bedeutung leistungsfähigerer Straßenverbindungen spätestens in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges von den Militärs und in der diesem Kriege folgenden Aufbauphase auch von der Kaufmannschaft erkannt und gefordert, aber das Konkurrenzdenken der Potentaten verhinderte jede überregionale und koordinierte Straßen-, Brücken- und Entwässerungsplanung. Verkehrswegebau und Straßenzoll wurden zuerst als Geldquelle zur Finanzierung aufwendigen, höfischen Lebens verstanden und nicht als das erste und wirkungsvollste Mittel einer Landesentwicklung und -wohlfahrt.

 

So waren es diese fiskalischen Interessen, die die Fürsten nicht nur zur effektiven Reparatur der vorhandenen, grundlosen, ausgefahrenen und häufig verschlammten und breiten Wegetrassen veranlassten, sondern auch zum Neubau von Fernstraßen, die in Kontinentaleuropa bald nach französischem Vorbild als Chausseen bezeichnet wurden. Die mittelalterlichen Verfahren und Techniken, Straßenausbesserungen von Nichtfachleuten mit den Mitteln der Hand- und Spanndienste und den am Ausbesserungsort vorgefundenen Materialien, Steinen, Erdaushub, Holz- und Zweigpackungen vorzunehmen, waren bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts auch bei der Fernstraßenpflege die Regel.

 

In Preußen bemühte sich Friedrich der Große Mitte des 18. Jahrhunderts zunächst mit Landstraßen- und Wegeordnungen die Ausstattung der Verkehrswege zu vereinheitlichen. Danach hatten alle Eigentümer, deren Grundstücke an „Heer- und Poststraßen grenzten, an den Straßenseiten Bäume zu pflanzen und Gräben anzulegen. Damit aber hier einheitlich verfahren werde, so sollen die Haupt- und Heerstraßen drei Wagenspuren breit, andere aber, worauf nicht so starke Passage geht, zwei Wagenspuren breit gelassen und eingerichtet werden. Die Gräben müssen so gut es geht in gerade Linie gezogen, vier Fuß breit und drei Fuß tief angelegt werden. Die Bepflanzung geschieht in der Weise, dass die Bäume anderthalb bis zwei Ruten (6 bis 8 Meter) weit auseinander hinter den Gräben ackerwärts zu stehen kommen, damit sie die Feldfrüchte nicht beschatten noch auch verursachen mögen, dass die Wege nicht gehörig austrocknen. Die Bäume müssen aus allerlei nützlichen Arten bestehen und sechs Fuß Stamm unter der Krone haben; es darf jedoch kein Holunderflieder noch anderes Stauden- und Heckenwerk gepflanzt werden. Die gepflanzten Bäume müssen sogleich ordentlich bepfählet und mir Dornen umwunden werden, damit dieselben gegen den Anlauf des Viehs und andere Anfälle verwahrt bleiben. [3]

 

Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurden die preußischen Anstrengungen durch „Chausseereglements“ ergänzt. Dabei handelte es sich vor allem um Bauvorschriften, die von personell aufwendigen preußischen Wegeämtern überwacht wurden. Die Straßenbeläge sollten aus drei Schichten bestehen: grobsteinigem Unterbau und zwei Deckschichten aus mittel- bzw. feinkörnig zerschlagenen Steinen. Diese Technik garantierte eine ausreichende Wasserdurchlässigkeit, die durch eine starke Straßenwölbung noch ergänzt wurde. Die uns heute gelegentlich noch bekannten natursteingepflasterten Straßen aus der Zeit nach 1800 entsprachen späterer französischer Fernstraßenbautechnik für Heeresbewegungen.

 

Die ersten Verkehrsregeln in Norddeutschland kennen wir aus dem Jahr 1796. Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm II legte darin fest, dass „in eine schon bestehende Spurrille keiner mehr hineinfahren darf. Auch dürfen zwei oder mehrere Wagen und Karren nicht direkt hintereinander in einer Spur fahren. Das Befahren der neben der Chaussee angelegten Erd- oder Sandwege ist nur bei deren völliger Trockenheit oder bei festgefrorenem Boden erlaubt. Bei dieser Beschaffenheit der Erd- oder Sandwege muss auch das schwere Fuhrwerk, also zwei-, drei- und vierspännige Karren sich derselben bedienen“. „Auf den Fußwegen darf übrigens nicht gefahren werden. Von gesattelten Reitpferden und Schubkarren dürfen diese Wege im Sommer und Winter zwar genutzt werden, aber nur bei trockener Witterung und bei Frost“.

 

Brücken, Stege, Furten und Fähren

Neben dichten und ausgedehnten Wäldern und Gebirgen stellten die Flüsse schwer überwindbare Hindernisse für den Landverkehr dar. Brücken waren selten, an den großen Flüssen war man meist auf Fähren, natürlich gegen eine (häufig willkürlich bestimmte) Gebühr, angewiesen. Kleinere Flüsse und Bäche überquerte man an Furten oder über wenig vertrauenswürdige Holzstege. Zu den Ausnahmen zählte im 17. Jahrhundert die hölzerne Rheinbrücke bei Straßburg [4]. Beachtlich sind bei diesem Bauwerk die Spannhöhe über dem Wasserspiegel, die eine problemlose Durchfahrt der Flusskähne ermöglichte, sowie die zweistufige, ebenfalls aus Holz konstruierte Uferbefestigung.

 

Während des Mittelalters war mit anderen Kenntnissen auch die hochentwickelte Brückenbaukunst der Antike in Vergessenheit geraten. Die bestehenden Steinbrücken wurden daher während der frühen Neuzeit oft zu Recht den Römern zugeschrieben, wenn nicht gar der abergläubige Volksmund dem Teufel als Bauherren diese unerklärlichen Zeugnisse der Ingenieurkunst zuschrieb. Neben der vom Laien kaum nachzuvollziehenden Baukunst beschäftigte die Kühnheit, mit der sich die Brücken insbesondere im Hochgebirge über gähnende Abgründe spannten, die Phantasie der Zeitgenossen. So nimmt es nicht Wunder, dass sie gelegentlich als Stilmittel für gruselige Stimmungen in Märchen und Sagen eingesetzt wurden.

 

Im Zuge des wenn auch zögerlichen Ausbaus der Verkehrswege wurden diese altertümlichen Brücken zu regelrechten Engpässen. Meist waren sie so schmal, dass jeweils nur ein Wagen passieren konnte und sich regelrechte Staus bildeten. Dennoch waren Brücken stets angenehmer und vor allem ungefährlicher als die ansonsten übliche Überquerung eines Flusses mit einer Fähre oder durch eine Furt. An den seichte Flussübergängen hatten sich seit dem frühen Mittelalter Siedlungen entwickelt, die zu florierenden Umschlagplätzen und bedeutenden Städten wurden. Viele Ortsnamen erinnern heute noch an diese alte Funktion und den Entstehungszusammenhang: Frankfurt und Schweinfurt am Main, Frankfurt an der Oder, Oxford an der Themse oder Hannover = Hohes Ufer.

 

Einen ersten Innovationsschub erlebte der Brückenbau während der Renaissance, als im Zusammenhang mit der Stadtplanung, mit dem Schlossbau, aber auch mit dem Festungsbau stilistisch an antike Vorbilder angelehnte Brücken gebaut wurden. Punktuell verbesserte sich dadurch zwar die Verkehrssituation, jedoch ging man nicht vor dem Chausseebau des 18. Jahrhunderts dazu über, Brücken mit stärkeren Widerlagern an den Ufern und flacheren Brückenbögen zu spannen. Diese neue Manier verringerte Kosten und Bauzeit und trug auch dem erhöhten Schiffsverkehr Rechnung, indem ein breiterer Durchlass zwischen den Pfeilern möglich wurde.

 

Wurden die großen und aufwendigen Brückenbauten in landesherrlicher Regie durchgeführt, mussten die kleineren Brücken, ähnlich wie die Straßen, auf Kosten der Städte und Gemeinden, in deren Gemarkung sie lagen, unterhalten werden. Kam ein Reisender durch eine baufällige Brücke zu Schaden, hafteten die Einwohner gemeinschaftlich. Andererseits waren Brücken- und Wegezölle fast obligatorisch. Schlagbäume hielten den Verkehr an. Sie waren in aller Regel außerhalb der Ortschaften vor den Herbergen aufgestellt und der Wirt kassierte die Gebühren für den Eigentümer der Straßen und Brücken.

 

Wie der Straßenbau wurde auch der Brückenbau seit dem Dreißigjährigen Krieg vor allem auf militärische Forderung, also nach strategischen Gesichtspunkten angelegt. Die Entwicklung der Artillerie und ihre herausragende Bedeutung für die neuzeitliche Kriegs- und Verteidigungsführung forderte breite Straßen und starke Brücken. So nimmt es nicht Wunder, dass solche Bauten besonders in Preußen, Bayern und Böhmen/Mähren zuerst angeordnet und ausgeführt wurden.

Verkehrsmittel

 

In der frühen Neuzeit waren die meisten Menschen „auf Schusters Rappen“ unterwegs, und die eigenen Schuhe waren das bei weitem wichtigste, für die Armen ohnehin das einzige „Verkehrsmittel“. So begegnete man im städtischen Handwerk und in den ländlichen Siedlungen unzähligen Schuh- und Stiefelmachern, aber noch mehr Flickschustern, die für die Reisenden als „Pannenhilfe“ bei abgelaufenen Absätzen oder durchlöcherten Sohlen fungierten. Von einfachsten Stiefeln mit dicken, hölzernen Sohlen und groben Nähten bis zu leichten Ledersandalen war auf den Straßen und Wege jede Art von Schuhwerk unterwegs. Den meisten Fußwanderern war nach des Tages Mühen eines gemeinsam: gequollenen, aufgescheuerte Füße.
Bei tagelangen Fußmärschen auf schlammigen oder steinigen Wegen war das Schuhwerk nicht nur bald völlig durchnässt, sondern hing buchstäblich in Fetzen von den Füßen. Glücklich war, wer zwei Paar besaß: eines „stark, grob und dickbesohlt mit großen dickköpfigen Nägeln beschlagen für die steinigen Bergstraßen, für nasses Wetter und für Schnee und Eis; ein anderes auch ein starkes aber gegenüber den ersten leichtes Paar für die ebene trockenen guten Wege. [5]

 

Die Fußgänger, die man antraf, waren meist selbst Transportmittel: An Schultertragen, in Kiepen und Körben, in ledernen oder textilen Rucksäcken oder dem Felleisen wurden Waren und eigene Reiseutensilien von Ort zu Ort geschleppt. Die menschliche Tragekapazität lag selten über drei bis vier Dutzend Kilogramm. Wer die finanzielle Möglichkeit dazu hatte und größere Warenmengen transportieren musste, nutzte, wenn sich überhaupt die Gelegenheit ergab, die weitaus größere Tragfähigkeit von Last- und Reittieren, die mehrere Zentner betragen konnte. Neben dem schnellsten, aber auch teuersten Tier, dem Pferd, griff man auch auf in der Unterhaltung genügsamere Ochsen, Maultiere und Esel zurück. Selbst kleinere Tiere wie Ziegen oder Hunde wurden zum Transport genutzt.

 

Tragekapazitäten waren kostbar. Nur ungern ließ man Lasttiere deshalb ohne Beladung auf die Rückreise gehen. Ihre Besitzer versuchten aus diesem Grunde stets, auf der Rückreise noch unterwegs Ladung zu ergattern. Dass Fußreisende solche sich bietende Gelegenheiten nutzten, gegen geringes Entgeld in den Genuss eines Rittes zu kommen, ist nur zu verständlich.

 

Mochte es sich hier um wohl eher zufällig gekommene Mietgeschäfte handeln, so wurden bald, insbesondere an stärker frequentierten Reiserouten, regulär Mietpferde für eine bestimmte Strecke angeboten.

 

Eine bessere Ausnutzung von menschlicher und tierischer Muskelkraft ermöglichte der Transport auf Achsen. Die frühe Neuzeit kannte eine außerordentliche Typenvielfalt an Radfahrzeugen für die verschiedensten Zwecke und Güter. Grundsätzlich waren ein- und zweiachsige Fahrzeuge üblich. Wurde zum Beispiel die „Schottsche Karre“ von einer oder zwei Personen geschoben oder mit Hilfe über die Schulter gelegter Zugseile gezogen und gelenkt, so gab es für Tiere vom Hunde- oder Ziegenwagen bis zum zwölfspännigen Pferdegespann für Schwerlasttransporte von mehreren Tonnen Ladegewicht, der Postkutsche oder der herrschaftlichen Luxuskarosse unzählige Wagentypen. Die zweiachsigen Fahrzeuge waren erst nach dem Dreißigjährigen Krieg grundsätzlich mit lenkbarer Vorderachse ausgerüstet. Auch Bremssysteme unterschiedlichster Art und Wirkungsweise kamen erst jetzt zunehmend in Gebrauch. Radtypen von der Vollkonstruktion bis zum künstlerisch verzierten, leichten Speichenrad von Prunkkarossen wurden genutzt. Auffällig ist der häufig große, fast mannshohe Wagenradtyp für Reisewagen und Schwerlastfahrzeuge. Die Felgenbreite richtete sich nach dem Transportgewicht und lag zwischen 7 und 18 cm für Kutschen bzw. Lastwagen. Beides, Raddurchmesser und Felgenbreite, diente dem Reisekomfort und der Beweglichkeit auf den üblicherweise immer noch schlechten Straßen.

 

Reisevorbereitung und –ausrüstung

Das Zedlersche Universallexikon gibt uns eine Vorstellung von den Vorbereitungen und Vorbedingungen, die erfüllt sein sollten, wenn man eine Reise tat:

 

  • mache dich mit den Münzen bekannt und lasse sie dir von Kaufleuten, die deine guten Freunde sind, erklären. Denn sonst lernst du dieselben gewiss in der Fremde mit deinem Schaden kennen
  • kaufe die neuesten und speziellsten (Reise-)Beschreibungen
  • habe akkurate Spezialkarten bei dir, damit du sehen kannst, wo du in der Welt seist und korrigiere dieselben, wenn sich Unstimmigkeiten einstellen
  • nimm Empfehlungsschreiben mit
  • habe überhaupt nicht mehr Bagage bei dir, als nötig: Denn es ist kostspielig und beschwerlich, viel mit sich zu schleppen
  • distinguiere deinen Koffer durch ein gewisses Zeichen, so er von anderen kenntlich ist
  • gehe in kein Land, wenn du nicht zuvor die Sprache des Landes ein wenig verstehst und reden kannst
  • kuriere dich vor der Reise recht aus, gebrauche Blutreinigungen usw. und führe diejenigen Medikamente mit, die deiner Konstitution am zuträglichsten sind
  • tritt deine Reise lieber an zur Frühlingszeit als zur Winterszeit, weil die Wege nicht allein zu der Zeit schlimmer sind, sondern auch sonst ungesunder und unangenehmer zu reisen ist
  • setze dich nicht eher auf den Postwagen, bis du gesehen hast, wo und wie deine Sachen platziert sind
  • wo gefährliche Orte sind, wie Berge, Fähren, böse Brücken usw. laß den Postillion anhalten, steig lieber herunter und gehe zu Fuß, als dass du dich in Lebensgefahr begibst …
  • willst du, dass die Postillione schneller fahren sollen, so glaube sicherlich, dass die Versprechung eines guten Trinkgeldes mehr ausrichten wird als die Androhung von Schlägen, wie manche Passagiere zu tun pflegen
  • wenn du Wälder passierst, so schlaf nicht, besonders nicht bei Nacht, weil du nicht allein von den Ästen der Bäume herunter gefegt werden kannst, sondern es finden sich wohl auch in den Wäldern böse Buben, die den Passagieren auflauern. Daher wache und halte dein Gewehr in guter Bereitschaft
    -familiarisiere dich nicht mit den Frauenzimmern IN DER Kutsche; insbesondere wenn es hübsch und jung ist, weil solche dann öfters verlangen, dass man sie freihielte
  • beim Ausgehen trage allerhand kleine Münzsorten bei dir, besonders wenn du dich in Armen-, Waisen- und Gefangenenhäusern herumführen lassen willst. Denn dort wirst du öfters mit großer Heftigkeit von solchen Leuten um eine Gabe angeschrien.“

 

Diese Zedlerschen Tips mögen zwar eine Anweisung zum bequemeren Reisen gewesen sein, aber das Hauptproblem des Unterwegsseins, nämlich die existentielle Unsicherheit, konnten sie nicht grundsätzlich lösen. Selbst bei freiwilligen, also in der Regel gut vorbereiteten Reisen, blieb ein hohes Maß an Unwägbarkeiten und Gefahren bestehen. Da man nie wissen konnte, ob man selbst zurückkehrte oder die Daheimgebliebenen je wiedersehen würde – immerhin gehörte der unvermittelte und überraschende Tod durch Seuchen und Krankheiten zum frühneuzeitlichen Alltag – widmete man der Abschiedszeremonie besondere, heute übertrieben wirkende Aufmerksamkeit. Freitags abreisen brachte unweigerlich Unglück. Anrufung der Heiligen, die zum Helfen verpflichtet waren, war fester Bestandteil der Reisevorberei-tungen. Entsprechend wurde auch die Rückkehr gefeiert und mit christlichem Dankgebet geschlossen: „Auf, auf! mein Herz und Sinn, wirf Furcht und Sorgen hin: die Reis ist nun vollendet, der Unfall abgewendet, der mich bisher bedreuet, Auf, auf! und sei erfreuet. / Mein Leib und Leben war in ernster Gefahr, doch Gott hat mich erhalten, den ich allein ließ walten. Er hieß mich bewahren durch seiner Engel Scharen.“

 

Die jeweilige Ausrüstung und Bekleidung der Reisender richtete sich natürlich vornehmlich nach deren finanziellen Möglichkeiten. Für abgelegene Strecken empfahl es sich, neben der angemessenen Bekleidung auch einen tüchtigen Vorrat an Lebensmitteln mit sich zu führen. Vor allem Arme und Vagierende, also praktisch alle Menschen, die aus wirtschaftlicher Not oder Vertreibung auf die Straße gezwungen wurden, waren für die längeren Touren und Übernachtungen unter freiem Himmel in der Regel nur unzureichend ausgerüstet.

 

Selbst unter den freiwillig Reisenden gab es nur wenige, die sich gezielt auf eine längere Reise vorbereiten und mit zweckdienlicher Kleidung und Ausrüstung versehen konnten. Der weitaus größere Teil der freiwillig zu Fuß Reisenden besaß einen breitkrempigen Hut gegen Sonne und Regen, einen Mantel, auch zum Schlafen unter freiem Himmel, festes Schuhwerk und zum Transport der Utensilien einen Rucksack, das sogenannte Felleisen, oder einen Mantelsack, in den das wenige Gepäck eingeschlagen war und der zugleich eben als Mantel und als Zudecke während der Nacht diente.

 

Für Wohlhabendere, die mit der Kutsche oder dem Planwagen reisten und die des Lesens kundig waren, scheint die mitgeführte Reiselektüre besondere Bedeutung gehabt zu haben, denn die täglichen Reisezeiten waren lang, so lang wie das Tageslicht; die dabei aufkommende Langeweile konnte schließlich am Besten mit Lesen vertrieben werden. Es entstand sogar eine eigene Gattung von Unterhaltungsliteratur für Reisende. Eines der frühesten Werke solcher Art ist das „Rollwagenbüchlein“ von Jörg Wickram, das zuerst 1555 in Straßburg erschien. Es handelt sich um eine Sammlung von Schwänken, die in lebhaftem Stil Streiche und Possen von Bürgern, Bauern und Landsknechten schildern. Diese Schwänke waren nicht nur für die intime Lektüre gedacht, sondern eigneten sich auch vorzüglich zum Vorlesen und zur Unterhaltung einer ganzen Reisegesellschaft.

 

Schlussbemerkungen

Äußere Umstände und Reisekultur der frühen Neuzeit unterschieden sich von den Reisebedingungen des Mittelalters wirklich nur marginal. Erst mit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts und vor Allem aus Frankreich und von Napoleons Wissen über die Bedeutung großflächiger Logistik im Kriege hat die Verkehrsinfrastruktur zu Gunsten des Reisens, des Handels und des Warenverkehrs wesentliche neue Impulse erhalten. Schließlich erfolgte durch den zunehmenden Eisenbahnbau der Durchbruch zum modernen Verkehrswesen zu Lande.

 


[1] Peter Ahrens: Reisen im Mittelalter. In: Geschichte und Gegenwart, Bd. 10; S. 26ff., Stade 1997
[2] Gräf/Pröve: Wege ins Ungewisse. Reisen in der frühen Neuzeit. Frankfurt/Main 1997
[3] Mylius, Christian Otto: Corpus Constitutionum Marchicarum …, Berlin 1736 ff.
[4] von Wenzel Hollar 1665 in Kupfer gestochen
[5] Johann G. Ebel: Anleitung auf die nützlichste und genussvollste Art in der Schweiz zu reisen. Zürich 1793

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