Die Amtsartikel des Horneburger Schmiedeamtes von 1819/1820
von Dr. Hans-Georg Augustin
Herausgegeben: 1996
Quellen und kleine Beiträge Nr.: 8
I. Der Antrag auf Errichtung des Amtes
Zu Beginn des Jahres 1819 gab es in Horneburg 6 Hufschmiede und 4 Schlößner, von denen jeder einen, einige sogar zwei Lehrlinge hielten. Sechs dieser Handwerker, nämlich Diedrich Koch, J.D. Bösch, Johann Gottfried Kohler, Johann Jacob Bösch, Carl Klug und Johann Diedrich Loose, beantragten am 27. April 1819 bei der Provinzialregierung in Stade die Errichtung einer Schmiedezunft.1) Eine Zunft für die von ihnen betriebenen Handwerke, so ist ihren Darlegungen zu entnehmen, hatte es bislang in Horneburg nicht gegeben.
Das Fehlen einer Zunft, so führten die Schmiede zunächst aus, hatte zur Folge, dass ihre Lehrlinge bei ihnen nicht auslernen konnten. Sie mussten, um einen Lehrabschluß zu erlangen, wenigstens für ein halbes Jahr zu einem zünftigen Meister nach außerhalb gegeben werden. Die Horneburger Schmiede konnten dagegen auf ihre Arbeitskraft nicht verzichten. Bei dieser Lage, so die Schmiede, zogen es Lehrlinge von vornherein vor, gleich bei einem zünftigen Meister in die Lehre zu gehen.
Alsdann bekundeten die Schmiede und Schlößner des Fleckens, dass sie mangels einer Zunft auch keine guten Gesellen sondern nur den „Auswurf“ bekommen könnten. Gesellen zogen die Arbeit bei einem zünftigen Meister der Arbeit bei einem unzünftigen vor, weil der ihnen „keine Kundschaft erteilen“ konnte.
Anmerkungen: Eine „Kundschaft“ ist die berufliche Legitimation, die einen wandernden Gesellen als „zünftig“ ausweist.2) Sie wurde 1732 durch die Kaiserliche und Reichskonstitution eingeführt und bestimmte im Paragraphen 2, dass kein wandernder Geselle in einer Zunft Arbeit aufnehmen durfte, wenn er keine Kundschaft bei sich hatte. Die Kundschaft gewann somit neben dem Lehrbrief eine große Bedeutung.3) Zu vergleichen ist sie vielleicht – mit allem Vorbehalt – mit heutigen Zeugnissen.
Arbeit bei einem unzünftigen Meister werde aber auch deswegen ungern genommen, ergänzten die Schmiede ihren Antrag, weil ein Geselle, der unzünftig gearbeitet hatte, im Falle einer späteren Arbeitsaufnahme bei einem zünftigen Meister in einem anderen Orte oftmals eine Strafe zahlen müsse.
Anmerkungen: Die im Jahre 1847 verkündete Gewerbeordnung für das Königreich wertete die Stellung eines unzünftigen Gesellen auf. Sie bestimmte im §126, dass einem unzünftigen Gesellen Arbeit bei einem zünftigen Meister nicht verwehrt werden dürfe.4)
Nach Meinung der Schmiede wurde auch die Ausbildung der Lehrlinge nach Errichtung eines Amtes besser, weil sie dann auch „geschickte aus der Fremde herwandernde Gesellen“ beschäftigen könnten, hieß es im Antrag. Es gab nämlich nach ihrer Darlegung Gegenden, in denen vorzüglich gearbeitet werde und das müsse sich auch auf die Ausbildung der Lehrlinge im Betrieb auswirken. Nach Meinung der Schmiede blieb ein Geselle, der nicht gewandert ist, ein „Stümper.“
Weiter erhofften sich die Schmiede von der Konstituierung eines Amtes eine Vergrößerung ihrer Betriebe, weil die Beschäftigung von mehr Gesellen und Lehrlingen ermöglicht werde.
Das „Publikum“ habe, wie die Antragsteller ausdrücklich betonten, durch Errichtung des Amtes keine Nachteile, der Flecken nur Vorteile. Sie waren auch der Meinung, dass alle Handwerker eines Ortes in einer Zunft vereinigt sein müssten, solange Zünfte überhaupt als notwendig erachtet würden.
Die „Königlich Großbritannische und Churfürstliche Regierung“ in Stade schrieb auf diesen Antrag am 3. Mai 1819 an das Burggericht in Horneburg, dass sie die Errichtung von Ämtern und Innungen für bedenklich halte. Da es den Horneburger Schmieden, so die Regierung weiter, jedoch darum gehe, dass Lehrlinge bei ihnen zünftig auslernen und sie ohne Schwierigkeiten Gesellen erhalten könnten, vertagte sie die Entscheidung. Sie ersuchte stattdessen um Vorlage eines Entwurfes der Amtsartikel nach den Vorstellungen der Antragsteller und um eine gutachtliche Äußerung des Gerichtes zu diesen Artikeln.
Anmerkungen: Eine Begründung, warum sie gegen die Errichtung eines Schmiedeamtes Bedenken hegte, gab die Regierung in Stade nicht. Es erscheint denkbar, dass die Gründe mit einer Diskussion um das Problem der Gewerbefreiheit zusammenhingen. Diese Gewerbefreiheit war unter der Herrschaft Napoleons im Lande Hannover eingeführt und nach seiner Niederlage wieder aufgehoben worden. Gleich nach Aufhebung der Gewerbefreiheit stellte die Göttinger Sozietät der Wissenschaften die Preisfrage, wie Nachteile nach Aufhebung der Zünfte vermieden werden könnten. Im Hannoverschen Magazin von 1815 äußerten sich zwei Autoren. Beide stellten die Zunftbindung in Frage und hielten sie bei verschiedenen Berufen für unnötig. Einer der Autoren, Carl Heinrich Rau, sah die Hauptziele der Innungen im Schutz einer bestimmten Zahl von Handwerkern und in der „Erhaltung der einmal herrschend gewordenen Kenntnis der Gewerbetreibenden.“5) Als Nachteile dieser Bindung führte er an: Verteuerung der Produkte, stagnierende Technik, ungebührliche Ausdehnung der Lehrjahre zwecks längerer Nutzung des Lehrgeldes oder der unentgeltlichen Arbeitskraft des Lehrlings, (Rau befürwortete eine Lehrzeit von 2-3 Jahren), unnötige Erschwerungen des Meisterstückes (Rau wünschte Prüfung durch eine Behörde).6)
Das Burggericht antwortete der Regierung am 18. Juli 1819 und legte die Entwürfe der Amtsartikel nach den Vorstellungen der Horneburger Schmiede vor. Sie hatten ihren Entwurf in Anlehnung an die Amtsartikel der Stader Schmiede entwickelt und zwar, so ihre Bemerkung, „wie diese Artikel aus dem Plattdeutschen übersetzt worden.“ Außerdem hatte das Gericht von sich aus einen Entwurf angefertigt, den es ebenfalls der Regierung in Stade vorlegte.
In seiner Stellungnahme bemerkte das Gericht zunächst, dass es für jeden Handwerker von großem Nutzen sei, einer ordentlichen Zunft anzugehören, solange es in ganz Deutschland noch Zünfte gebe und sie nicht abgeschafft seien. Nach Auffassung des Gerichtes scheute ein fremder Geselle die Arbeit bei einem unzünftigen Meister. Er befürchtete nämlich, dass ein solches Handeln verraten werden könne mit der Folge einer Bestrafung oder der Nichtanerkennung als Geselle.
Das Gericht trug dann vor, dass der von einem unzünftigen Meister entlassene Lehrling nicht als Geselle anerkannt werde und zur Strafe eine zeitlang umsonst arbeiten, oder den Meister früher verlassen müsse, um bei einem zünftigen Meister auszulernen. Für den Meister bestehe der Nachteil darin, dass ihm der Nutzen verlorengehe, welchen er von der Fertigkeit des Lehrlings in dessen letzter Lehrzeit habe, so hieß es seitens des Gerichtes.
Anmerkungen: Wie somit ersichtlich, unterstützte das Horneburger Burggericht wesentliche Motive, die von den Schmieden in ihrem Antrag auf Errichtung eines Amtes vorgetragen wurden.
Das Gericht hatte im eigenen Entwurf, wie es weiter darlegte, aus den von den Meistern eingereichten Entwürfen den „Nonsens“ (= Unsinn) gestrichen, der „eigenthlich den bis jetzt so oft gehörten Vorwurf der Schädlichkeit des Zunftwesens begründet“. Es hatte die von der Stader Regierung am 1. September 1798 für die Horneburger Tischler bestätigten Amts- und Gesellenartikel zugrunde gelegt und seine so erarbeiteten Vorschläge der Regierung in Stade – wie bereits gesagt – mit der obengenannten Stellungnahme vorgelegt.
Zu einigen Artikeln seines Entwurfes gab das Gericht noch Erläuterungen, die bei Darstellung der einzelnen Artikel wiedergegeben werden. Abschließend unterstellte es „Alles zu besserem Ermessen unterthänig“ der Stader Regierung.
Die Genehmigung zur Errichtung des Amtes sprach die Regierung am 5. August 1819 aus. Ausdrücklich erklärte sie, dass mit dieser Erlaubnis lediglich bezweckt werde, den Horneburger Schmieden die Möglichkeit der Ausschreibung von Lehrlingen zu verschaffen und ihnen „die Vorteile zu eröffnen, dass fremde zünftige Gesellen ohne Nachteile bei ihnen arbeiten dürfen.“ Im vom Burggericht eingesandten Entwurf der Amtsartikel wurden seitens der Regierung alle Bestimmungen verworfen, die einen Zwang oder eine Einengung der bisherigen Freizügigkeit für das Publikum und die Schmiede in Horneburg bedeuteten. Die Regierung hatte also den Entwurf des Gerichtes, wie sie sich ausdrückte, „modifiziert“ und im Übrigen genehmigt. Der Entwurf der Horneburger Schmiede, der einen Extract aus den Amtsartikeln der Stader Schmiede aus dem Jahre 1648 darstellte, verfiel der Ablehnung.
Abschließend wurde das Horneburger Gericht von der Stader Regierung angewiesen, den Schmieden des Fleckens Horneburg die genehmigte Konzession zu verkünden und die Schmiede zum freiwilligen Eintritt in das Amt aufzufordern. Sodann sollte das Gericht die weiteren Verfügungen zur Errichtung des Amtes treffen und seine Konstituierung auch öffentlich bekannt machen. Die Regierung erbat vom Gericht eine mit Unterschrift und Siegel versehene Ausfertigung.
Anmerkungen: Im Jahre 1819, als die Schmiede ihren Antrag stellten, hatte der Marktflecken Horneburg eine Grundfläche von 4346 Kalenberger Morgen. In 199 Häusern lebte eine Bevölkerung von 1320 Einwohnern, „die allerlei Gewerbe, Gerbereien und Viehhandel treibt.“7) Ein Kalenberger Morgen sind 0,2621 ha.8) Somit ergibt sich für den Marktflecken eine Größe von 11,39 Quadratkilometern.rumes
II. Die Amtsartikel
In den folgenden Ausführungen zum Inhalt der Amtsartikel sind die Korrekturen der Regierung und auch einige Vorstellungen der Horneburger Schmiede dargestellt. Diese Vorstellungen ermöglichen einen Einblick in die Zeit, als schon der Abstieg der Zünfte begonnen hatte. Und nun zum Inhalt:
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Das Schmiedeamt soll nicht geschlossen sein. Es kann jeder, der die Voraussetzungen erfüllt ( im Text: der das Erforderliche leisten kann), aufgenommen werden. Meisterwitwen steht es frei, das Gewerbe mit Hilfe eines oder mehrerer Gesellen fortzusetzen.
Anmerkungen: Das Burggericht wollte diesen Witwen allerdings die Beschäftigung von Lehrlingen untersagen. Diese Bestimmung wurde seitens der Regierung nicht genehmigt.
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Zukünftige Meister dürfen nicht genötigt werden, die Witwe eines Amtsmeisters oder dessen Tochter zu heiraten.
Anmerkungen: Diese Bestimmung ist eine Absage an Regelungen vorangegangener Jahrhunderte. In früheren Zeiten wurde es im Handwerk gern gesehen, wenn ein junger Geselle eine Meisterwitwe heiratete und so Zugang zum Amt gewann, weil dadurch die sozialen Verpflichtungen der Zunft reduziert wurden.9) Später wurde aus einer solchen Eheschließung ein Instrument zur Begrenzung des Marktzuganges oder, wie Wilhelm Wernet es formuliert, „ein System der Pfründenbegrenzung.“10) Die Wurzel solcher Bestimmungen lag, wie Karl Friedrich Wernet dargelegt hat, in der Auffassung, daß die Zunft ein Erblehen sei. Wie ein bäuerlicher Betrieb vom Vater auf seine Erben überging, ohne daß der Lehensherr Einspruch erheben konnte, sollte auch der Handwerksbetrieb auf den Sohn oder die Ehefrau oder den „Einheirater“ übergehen. Die Zugehörigkeit zur Zunft war ein Lehen.11)
An dieser Stelle der Amtsartikel hatte das Burggericht allerdings eine andere Verpflichtung vorgesehen. Der zukünftige Meister sollte verpflichtet sein, binnen Jahresfrist nach Erlangung des Meisterrechtes ein Wohnhaus zu kaufen. Für den Fall, daß er diese Pflicht nicht erfüllte, sollte er die Meisterrechte verlieren. Diese seitens des Gerichtes vorgesehene Verpflichtung wurde in seiner Stellungnahme vom 18. Juli 1819 an die Stader Regierung begründet. Wie der Berichterstatter des Gerichtes ausführt, hatte er bei einem Antragsteller, nämlich bei dem Schmiedemeister Koch, die Bemerkung gemacht, daß Koch binnen weniger Jahre zum dritten Male seine Wohnung wechseln und die Werkstatt abbrechen müsse, weil er zur Miete wohne. Das Gericht meinte, ein Mietverhältnis wiege bei einem Schmied schwerer als bei einem anderen Handwerker. Die Schwierigkeiten für einen Schmied sah das Gericht darin, „daß nicht jedes Haus einen schicklichen Raum zu einer Schmiede darbietet“ und der Schmied es also schwerer habe, eine passende Wohnung zu finden. Nach Darlegung des Gerichtes kam zu diesen Schwierigkeiten noch hinzu, daß bei wechselnden Mietverhältnissen jedesmal hohe Baukosten und die Gefahr der Feuersbrunst entstanden. Was diese Gefahr anbelange, bemerkte das Gericht, werde zwar die Lage der Werkstatt von den Feuergeschworenen untersucht, diese ließen jedoch bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Werkstatt oft Mitleid mit dem Bauherrn walten. So könne, wie das Gericht meinte, für den Werkstattbau leicht eine feuergefährdete Stelle gewählt werden und der Bauherr bevorzuge darüberhinaus eine leichte Bauweise, weil er befürchte, das Bauwerk in kurzer Zeit wieder abbrechen zu müssen. Nach Auffassung des Gerichtes führte ein Bauherr mit diesem Verfahren Unglück herbei.
Seitens der antragstellenden Horneburger Handwerker war zur Feuersicherheit vorgesehen, daß beim Bau einer Esse die Meister und Schworen dreimal anwesend zu sein hatten (Schworen waren Amtsmitglieder, die innerhalb des Amtes mit bestimmten Funktionen betraut waren). Erstens beim Anlegen des Fundaments, zweitens, wenn beim Bau der Boden und drittens wenn das Dach erreicht wurde.12)
Die Regierung in Stade hat die vom Horneburger Gericht in seinem Entwurf vorgeschlagene Verpflichtung zum Ankauf eines Wohnhauses gestrichen. Sie wollte, wie im Genehmigungsverfahren zum Ausdruck gebracht, in den Amtsartikeln keine Zwangsbestimmungen.
3. Wenn ein Fremder in Horneburg das Meisterrecht erwerben und das Schmiedehandwerk betreiben wollte, mußte er vor seiner Aufnahme in das Amt seinen bisherigen Lebenswandel beim Horneburger Gericht durch „Atteste“ seiner bisherigen Ortsobrigkeit nachweisen.
Wenn der Fremde schon auswärts das Meisterrecht erworben hatte, sollte ihm die erneute Anfertigung eines Meisterstückes nicht zugemutet werden. Er hatte für die Aufnahme in das Amt nur einen Betrag von 5 Reichstalern Konventionsmünze zu zahlen.
4. Auswärtige Schmiede „vom platten Lande“ konnten sich in das Amt aufnehmen und ihre Lehrlinge ein- und ausschreiben lassen. Vor der Aufnahme mußten sie ein Meisterstück anfertigen und die gewöhnlichen Gebühren entrichten.
5. Für die Aufnahme in das Amt war die Anfertigung eines Meisterstückes vorgeschrieben. Als Meisterstück wurden vorgeschrieben:
Für den Grobschmied: Eine Zimmereraxt und ein Langbeil
Für den Kleinschmied: Eine Feuerzange, eine halbe
Pferdestange und eine Feuerschaufel
Anmerkungen: Die Festlegung von Meisterstücken in den Amtsartikeln hatten die Horneburger Schmiede und Schlosser nicht gewollt. Vielmehr schlugen sie vor, daß den Kandidaten die anzufertigenden Stücke von den Meistern und Schworen des Amtes vorgegeben wurden. Wäre diese Bestimmung akzeptiert worden, hätten sie über den Schwierigkeitsgrad des vorgegebenen Stückes den Zugang zum Amt regulieren können.
6. Das Meisterstück sollte in „Gegenwart der ein für allemal zu beeidigenden Amtsvorsteher verfertigt werden.“ Jeder Vorsteher erhielt für seinen Arbeitsausfall einen Taler Konventionsmünze.
7. Das Meisterstück mußte in Gegenwart des „zeitigen Gerichtsverwalters als Amts Patrons und sämtlicher Amtsangehöriger“ begutachtet werden.
8. Die Erwerbung des Meisterrechtes sollte dem Bewerber einschließlich der Vergütung des Amtspatrons nicht mehr als 16 Reichstaler Konventionsmünze kosten. Die Strafe für festgestellte Mängel am Meisterstück durfte 5 Reichstaler Konventionsmünze nicht überschreiten.
Anmerkungen: In seinen Erläuterungen vom 18. Juli 1819 zum Entwurf der Amtsartikel bemerkte das Burggericht, daß die Anwesenheit „des zeitigen Gerichtsverwalters als Amts Patron“ auch bei dem „Meisterwerden eines Tischlers“ stattfindet. Nach Meinung des Gerichtes besteht der Nutzen dieser Regelung darin, „daß der junge Meister nicht durch unverdiente Strafen übernommen (=überfordert, der Verf.)) wird.“
Die Horneburger Schmiede und Schlosser wünschten für die Aufnahme in das Amt freilich andere Bestimmungen, als sie hier dargestellt wurden. Nach ihren Vorstellungen sollte das Aufnahmeverfahren damit beginnen, daß ein Bewerber zunächst zwei Bürgen beibrachte. Sie sollten den „Meistern und Schworen“ des Amtes darüber Gewißheit verschaffen, daß der Bewerber des „Amtes würdig sey“. Wenn dieser Nachweis gelang, konnte der Bewerber das Amt „eschen.“ Unter einer Eschung ist der Antrag auf Aufnahme in das Amt zu verstehen. Der Antrag selbst sollte auf einer Morgensprache vorgebracht werden. (Unter einer „Morgensprache“ ist die Versammlung des Amtes zu verstehen. Sie wurde morgens abgehalten, weil angenommen wurde, daß dann die volle Aufmerksamkeit gesichert sei. Der bei den Morgensprachen anwesende Vertreter der Obrigkeit hieß „Morgenherr“). Auf einer zweiten Morgensprache sollte der Bewerber dann auf die beizubringenden „Papiere und Briefe“ hingewiesen werden, die er dann auf einer dritten Morgensprache vorzulegen hatte. Auf dieser dritten Morgensprache sollte alsdann entschieden werden, ob die vorgelegten Unterlagen dem Amtspatron und dem Amte genügten. War das der Fall konnte der Antrag auf Aufnahme in das Amt genehmigt werden, und der Bewerber sollte 3 Mark in die Amtskasse entrichten.
Nach diesem Verfahren sollte nach den Vorstellungen der Schmiede und Schlosser die Meisterprüfung abgelegt werden. Der Kandidat sollte 3 Stücke schmieden. Er mußte bei der Prüfung eine Kost für die Meister, Schworen und Helfer ausrichten. Für diese Kost sollten ein Braten, ein Schinken und Getränke im Werte von 3 Reichstalern gereicht werden. Nach der Kost, so begehrten die Schmiede und Schlosser in ihrem Entwurf weiter, sollte der Kandidat „sein geschmiedetes Zeug zum Vorschein holen und untersuchen lassen.“ Falls die Prüfung hierbei als nicht bestanden erklärt wurde, sollte der Prüfling ein weiteres Jahr Geselle bleiben „und seine Profession besser lernen.“
Nach bestandener Prüfung sollte sich der Kandidat vom Horneburger Gericht die Erlaubnis zum Wohnen im Flecken beschaffen und erneut eine Kost ausrichten für sämtliche Männer und Frauen des Amtes. Diese Kost sollte aus 4 Gerichten bestehen. Die dazu gehörenden Getränke sollten einen Wert von 6 Reichstalern haben.
Diese von den Schmieden gehegten Vorstellungen gehören sicherlich zu dem vom Horneburger Gericht gestrichenen „nonsens“. Die vor der Meisterprüfung für die Aufnahme in das Amt vorgesehene Zahl der Morgensprachen bedeutet zumindest eine zeitliche Erschwerung der Aufnahme in das Amt und ist ein Zeichen für die Zeit des Niedergangs der Zünfte. In dieser Zeit war es wichtiges Anliegen der Zunftangehörigen, Konkurrenz abzuwehren. Ein Mittel zur Abwehr dieser Konkurrenz war auch, die Kosten der Meisterprüfung durch Aufwendungen für eine mehrfach auszurichtende Kost zu erhöhen. Auch die Kosten für die Meisterprüfung haben ihre Wurzel in der bereits zitierten Auffassung, daß die Zunft ein Lehen sei. Dem Außenseiter, dem nicht in die Zunft Hineingeborenen, sollte der Zugang durch hohe Kosten erschwert wenn nicht gar unmöglich gemacht werden.13)
9. Das Ein- und Ausschreiben eines Lehrlings durfte nicht mehr als 10 Reichstaler Konventionsmünze kosten. Wenn der Lehrling „sich aber frei lernt“, sollte die Ein- und Ausschreibung nur 5 Reichstaler kosten.
Anmerkung: Die Einschreibung bedeutete den Beginn, die Ausschreibung das Ende der Lehrzeit.
10. Ein Lehrling, „der Lehrgeld giebt“ soll nicht unter zwei Jahren freigesprochen und Geselle werden, „lernt er sich frei“, soll eine Frist von drei Jahren nicht unterschritten werden.
11. Der durch die Einnahmen zur Erlangung des Meisterrechtes, durch Strafen sowie durch Gebühren für Ein- und Ausschreibung der Lehrlinge entstehende Fonds soll in der Amtslade aufbewahrt werden. Die Lade soll mit zwei verschiedenen Schlüsseln versehen sein. Jeder Amtsvorsteher hatte einen dieser Schlüssel.
Der Fonds sollte zum Wohle des Schmiedeamtes, zur Unterstützung armer oder kranker Gesellen und deren Begräbnis und zur Hilfe für arme Witwen und Waisen, deren Ehemänner oder Väter einstmals Mitglieder des Amtes waren, verwendet werden.
12. Das Amt durfte sich nur bei Aufnahme eines neuen Meisters oder bei der Ein- und Ausschreibung eines Lehrlings versammeln, „überhaupt aber nicht ohne Vorwissen des Gerichts.“
Anmerkungen: In der Formulierung „nicht ohne Vorwissen des Gerichts“ wurde eine ganz bestimmte Auffassung zum Verhälnis zwischen Obrigkeit und Handwerk zum Ausdruck gebracht. Es wurde – wie im Gerichtsentwurf vorgesehen und von der Regierung gebilligt – ein Amt genehmigt. In den Handwerksämtern sahen die Städte im Mittelalter ihr zugehörige Organe und betrachteten den Amtsvorsteher als städtischen Beamten.14)
Die Gründe, die zur Versammlung des Amtes berechtigten, offenbaren besonders deutlich, daß das Amt nur die Möglichkeit der zünftigen Ausbildung eröffnen sollte. Weitergehende Wünsche der Schmiede wurden, abgesehen von einigen sozialen Anliegen, überwiegend abgewiesen, so auch beim Versammlungsrecht. Es waren in den Amtsartikeln keine Morgensprachen vorgesehen und auch der Wunsch der Schmiede, einmal im Jahr eine Amtskost abzuhalten, fand keine Berücksichtigung. An dieser Amtskost sollten sämtliche Amtsangehörigen teilnehmen, und sie sollten auch die Kosten dieser Veranstaltung im gleichen Umfang unter Beteiligung auch derjenigen, die nicht teilnahmen, tragen. Witwen sollten den halben Kostenbeitrag leisten.
13. Zur Aufrechterhaltung der guten Ordnung war es den Amtsvorstehern während der Amtsversammlung erlaubt, diejenigen Mitglieder zu bestrafen, die sich unruhig verhielten, Zänkereien suchten oder betrunken waren. Die vorgesehene Strafe in Höhe von höchstens 16 Schillingen Konventionsmünze sollte „zum Besten“ der Amtskasse und verwendet und auch nur nach vorheriger Ermahnung zur Ruhe verhängt werden.
Anmerkungen: Das Gericht meinte in seinen Erläuterungen vom 18. Juli, ohne diese Möglichkeit der Bestrafung sei Ruhe und Ordnung nicht aufrecht zu erhalten. Es verwies darauf, daß die Strafen wohltätigen Zwecken zugute kommen sollten.
14. Auf jeder Versammlung des Amtes sollen die Vorsteher über das ihnen anvertraute Geld Rechnung legen und den baren Betrag auch vorzeigen.
15. Für den Fall, daß das Amt durch Landesgesetze oder spezielle Verfügungen, was ausdrücklich vorbehalten wurde, erlischt, sollte das vorhandene bare Geld unter die zur Zeit der Auflösung vorhandenen Mitglieder und deren Witwen gleichmäßig verteilt werden.
16. Die Errichtung des Amtes verfolgte lediglich den Zweck, den Horneburger Schmieden die Ausschreibung von Lehrlingen und die Beschäftigung fremder zünftiger Gesellen zu ermöglichen. Daher durften die Schmiede nicht zum Eintritt in dieses Amt gezwungen werden, „vielmehr steht es jedem frey, seine Profession daselbst zu treiben, ohne sich in das Amt aufnehmen zu lassen, wenn er es nicht zu wünschen findet,“ so die Regierung in Stade. Mit der Errichtung des Amtes sollte auch kein Zwang für das „Publicum“ begründet werden. Den Einwohnern war es gestattet, sowohl außerhalb des Fleckens als auch bei Horneburger Schmieden, die dem Amte nicht angehörten, arbeiten lassen.
Anmerkungen: Mit der Bestimmung über die freiwillige Mitgliedschaft im Amt, die von der Stader Regierung formuliert wurde, wird der Vorschlag des Horneburger Burggerichtes zurückgewiesen. Das Gericht hatte sich – wie bereits gesagt – an die Statuten der Tischlerzunft von 1798 gehalten und folgendermaßen formuliert: „So lange das Amt bestehet, soll Niemand im Flecken Horneburg eher und bevor er nicht Meister geworden, und sich mit dem Amte abgefunden, das Schmiede Handwerk treiben, dagegen bleibt es nach wie vor den Fleckens Einwohnern unverwehrt, auswärts arbeiten zu lassen wo sie wollen.“
Das Begehren der Schmiede und des Burgerichtes nach Zwangsmitgliedschaft ist ein altes Anliegen der Handwerker Deutschlands. Es war im Mittelalter auch verwirklicht. Die Pflichtinnung galt in unserem Jahrhundert kraft Gesetzes erneut in der Zeit von 1933-1945. Für ihre Einführung mußte das Handwerk einen hohen Preis entrichten, der in der Beseitigung der demokratischen Verfassung der Innungen bestand. Vorher galt das Handwerksgesetz des Jahres 1897, das zwei Innungstypen vorsah. Es waren die Freie Fachinnung und die Zwangsinnung, der auch alle Handwerker anzugehören hatten. Pflichtinnung und Zwangsinnung unterscheiden sich dadurch, daß die Zwangsinnung vom Regierungspräsidenten nur unter bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden konnte. Zu diesen Voraussetzungen gehörte, daß sich eine Mehrheit der Beteiligten in einer Wahl für den Beitrittszwang entschieden hatte.
Die vom Burggericht vorgesehene und von der Regierung genehmigte Bestimmung, daß Horneburger Einwohner in der Vergabe ihrer Aufträge frei seien, ist eine Absage an den Zunftbann. Dieser Bann bedeutete im städtischen Handwerk, daß nur der in der Stadt ansässige Handwerker in der Bannmeile verkaufen durfte.15)
Einen Zunftbann hatten die Horneburger Schmiede allerdings in ihrem Entwurf der Amtsartikel vorgesehen. Nach ihren Vorstellungen sollte es keinem auswärtigen Schmied erlaubt sein, vorgefertigte Arbeiten in den Ort hineinzubringen. Eine Ausnahme von dieser Bestimmung war nur für die beiden Märkte zu Pfingsten und Michaelis vorgesehen. An den Markttagen sollte dem Auswärtigen der Verkauf erlaubt sein.
Das Horneburger Schmiedeamt hatte also kein Zwangsrecht; das Schmiedehandwerk konnte somit im Flecken sowohl zünftig als auch unzünftig ausgeübt werden. Das galt auch – ergänzend gesagt – für das Horneburger Schuhmacherhandwerk. Die Schuhmacherzunft wurde fast zeitgleich (1820) mit dem Schmiedeamt errichtet.16)
17. Durch die Vereinigung der Horneburger Schmiede in einem Amt sollte kein Unterschied zwischen den Kleinschmieden und Schlößnern und den Grob- und Wagenschmieden entstehen. Weil jeder dieser Berufsangehörigen, der die Voraussetzungen zur Aufnahme in das Amt erfüllte (im Statut heißt es: „wenn er praestando praestieren kann“), aufgenommen werden mußte, so sollte es auch jedem Amtsmeister erlaubt sein, „alle möglichen Schmiedearbeiten zu verfertigen“.
Anmerkungen: Diese Bestimmung war im Entwurf des Burggerichtes nicht enthalten und wurde in die Amtsartikel von der Provinzialregierung aufgenommen. Sie befaßt sich also mit der Frage der Berufsabgrenzung im metallverarbeitenden Horneburger Handwerk. Eine derartige Abgrenzung fehlte in Horneburg dagegen bei der Abgrenzung zwischen dem holzverarbeitenden Tischler- und Zimmererhandwerk und führte zu einem aufwendigen Rechtsstreit, den die Tischlerzunft gegen den Zimmermeister Hahn anstrengte.
18. Schließlich verpflichtete sich das Amt, „wie es sich von selbst versteht“, zur Beachtung aller gegenwärtigen und zukünftigen Verordnungen, die das Handwerk betreffen. Das Burggericht behielt sich vor, die Artikel je nach Umständen abzuändern oder durch neue zu ergänzen. Bis dahin sollten die Amtsangehörigen geschützt werden, soweit ihr Betragen dies rechtfertigt. Dem Burggericht wurde aufgegeben die Statuten in allen Punkten aufrecht zu erhalten.arumes
III: Bestrebungen der Schmiede nach dem Zunftzwang
Nachdem die Statuten des Schmiedeamtes den Horneburger Schmieden verkündet worden waren, bedankten sich Friedrich Koch, J. D. Bösch, Johann Gottfried Kohler, Johann Jacob Bösch, Carl Klug und Johann Heinrich Loose am 25. August 1819 brieflich bei der Regierung in Stade für die Erteilung der Konzession. Gleichzeitig baten sie um Änderung des Artikels 16, der das Zwangsrecht ablehnte. Sie waren der Meinung, daß ihre Anliegen, Lehrlinge zünftig ausschreiben zu können und zünftige Gesellen zu erhalten, mit dem von der Regierung formulierten Artikel nicht zu erreichen seien, dazu bedürfe es vielmehr eines Amtes, dem alle im Flecken Horneburg arbeitende Schmiede anzugehören hätten. Die durch den Zunftzwang entstehenden Kosten hielten sie für unvermeidbar und auch für die Unterstützung kranker Gesellen notwendig. Sie verwiesen auch darauf, daß dies auch bei Zünften in anderen Orten berücksichtigt sei und meinten ferner, daß kein fremder Geselle nach Horneburg komme, wenn er wisse, daß er in kranken Tagen verlassen sei und dem Orte zur Last fallen werde. Schließlich verwiesen die Horneburger Schmiede auf mögliche Streitigkeiten zwischen zünftigen und unzünftigen Gesellen. Nach ihrer Meinung wurden die unzünftigen Gesellen von den zünftigen „hintangesetzt.“ Streitereien aber, so die Schmiede, führten dazu, daß Gesellen den Ort zum Nachteil der Meister verlassen.
Die Horneburger Schmiede erklärten auch, daß die Kosten, die für das Erwerben des Meisterrechtes in den Statuten des Amtes vorgesehen sind, nicht allzu hoch seien. Wem so wenige „Thaler drücken“, sollte nach Meinung der Gesuchsteller auf die Selbständigkeit verzichten, denn eine zu große Erleichterung der „Etablissements“ habe nachteilige Folgen. Handwerker die aufgeben müssen, endeten nach Meinung der Schmiede als Tagelöhner.
Abschließend schlugen die Beschwerdeführer eine Übergangsbestimmung vor. Sie regten an, daß die zur Zeit der Amtserrichtung im Flecken arbeitenden Schmiede nicht zum Eintritt in das Amt gezwungen werden, sondern vielmehr selbst entscheiden sollten, was für sie das Beste sei. Nur zukünftige Schmiede, die sich in Horneburg niederließen, sollten vom Zunftzwang erfaßt werden. Die Schmiede unterließen hierbei nicht den Hinweis, daß den Horneburger Tischlern der Zunftzwang zugestanden wurde. Das war im Jahre 1798.
Bereits am 28. August 1819 lehnte die Provinzialregierung das Gesuch ab. Sie erklärte, daß es „nach nochmaliger Erwägung der Sache“ bei der Formulierung des Artikels 16 verbleiben müsse.
Der Zunftzwang, den die Horneburger Schmiede begehrten, wurde im Königreich Hannover durch die im Jahre 1847 verkündete Gewerbeordnung17) für neu zu gründende Zünfte gesetzlich geregelt. Sie bestimmte im Paragraphen 76, daß in Städten und ihnen gleichstehenden Orten mit Genehmigung des Innenministeriums nach Anhörung der Gemeinde Zünfte errichtet werden durften. Bei dieser Errichtung mußte der Zunftzwang ausgeschlossen werden. Als mit den Städten gleichzusetzen waren nach Paragraph 183 der zitierten Gewerbeordnung auch die Flecken. Die Bestimmung galt also auch für Horneburg.
IV. Endgültige Errichtung des Amtes
Nach der Ablehnung des Antrages auf Genehmigung des Zunftzwanges durch die Provinzialregierung in Stade nahm die Errichtung des Horneburger Schmiedeamtes ihren Fortgang. Am 30. Oktober 1819 erklärten Carl Klug, Johann Hinrich Loose, Friedrich Koch und Gottfried Martin für sich und die übrigen Schmiede zu Protokoll, daß sie mit den genehmigten Amtsartikeln zufrieden seien und baten, das Weitere zur Errichtung des Amtes zu veranlassen.
Das Gericht hielt es für notwendig, daß auch die übrigen Schmiede zur Abgabe einer Erklärung zu erscheinen hatten. So erschienen am 31. Oktober die Schmiede Köhler, Johann Jacob und Johann Diedrich Bösch und bestätigten ihre Zustimmung zu den Erklärungen ihrer Kollegen vom Vortage. Entsprechende Erklärungen gaben am 1. November die Schmiede Hinrich Loshauer und Johann Peter Wilkens ab. Der Schmied Friedrich Wilkens sen. gab am gleichen Tage zu Protokoll, daß er aus Altersgründen keinen Gebrauch von den Zunftrechten machen wolle.
Das Horneburger Gericht erstellte seinen Abschlußbericht an die Stader Regierung am 8. Februar 1820. Es bemerkte, daß die Schmiede nach Verkündung der Artikel noch „Vorstellung thun“ wollten, jedoch ausweislich der beigefügten Protokolle vom 30. und 31. Oktober sowie vom 1. November 1819 „davon abstrahiert, und die Artikel pure angenommen“ hätten.
Das Gericht bemerkte sodann, daß die übrigen Vorkehrungen noch einige Zeit in Anspruch genommen hätten, und es bat deswegen um Entschuldigung für den verspäteten Bericht. Wie aus dem Abschlußbericht hervorgeht, wurden die Obermeister auf die Artikel vereidigt, das „Amt für constituiert erklärt und solches befohlenermaßen in den Hannoverschen und Stader Anzeigen gehörig bekannt“ gemacht. Diese Bekanntmachung hat folgenden Wortlaut:
„Burggericht Horneburg, den 8. Februar 1820. Nachdem Königl. Provinzial=Regierung in Stade den hiesigen Schmieden die Errichtung eines Amtes, hauptsächlich zu dem Ende gnädigst verstattet hat, daß fremde zünftige Gesellen ohne Bedenken bei ihnen arbeiten, sie auch ihre Lehrlinge zu Gesellen machen können, so wird solches auf höheren Befehl hiermit bekannt gemacht.“18)
Das Gericht wiederholte also nochmals den vorrangigen Zweck der Amtserrichtung. Es sollte vorrangig die Möglichkeit der Beschäftigung fremder zünftiger Gesellen und die Ausbildung von Lehrlingen eröffnet werden. Die Errichtung einer Zunft alter Prägung war also ausgeschlossen. Ausgenommen davon war – wie die Amtsartikel zeigen – nur die auch in früheren Zeiten geübte Fürsorge für Bedürftige.
Anmerkungen: Ergänzend muß bemerkt werden, daß die Nagelschmiede Horneburgs dem Schmiedeamt nicht angehörten. Das ergibt sich allerdings nicht aus der Satzung des Amtes, sondern ist einem Antrag der Nagelschmiedegesellen aus dem Jahre 1844 zu entnehmen. Damals beantragten diese Gesellen über das Horneburger Gericht bei der Landdrostei die Errichtung einer Gesellenpflegekasse, also einer Krankenkasse. Ihr Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, daß die Errichtung einer förmlichen Pflegekasse nur den Zünften zustehe. Den eingereichten Entwurf wertete die Landdrostei nur als Privatvereinbarung.ii Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß es in Horneburg keine Nagelschmiedezunft gab und daß die im Flecken arbeitenden Nagelschmiede dem Schmiedeamt nicht angehörten.
V. Änderungen bei Meister- und Gesellenprüfungen
Die Statuten des Schmiedeamtes bestimmten, wie dargelegt, daß alle zukünftigen Änderungen staatlicher Gesetze und Verordnungen zu befolgen seien. Dieser Fall trat ein, als die Landdrostei Stade im Jahre 1839 zwei Bekanntmachungen erließ. Die erste legte für 37 Berufe fest, welche Meisterstücke durch „angehende zunftmäßige Meister“20) anzufertigen sind, mit der zweiten wurde die Anfertigung eines Probestückes „vor der Lossprechung zünftiger Handwerker“ eingeführt.21) Für die Schmiede des Landdrosteibezirks, also auch für die Horneburger, galt ab 1839:
Meisterstück für Schlosser:
Sie mußten zwei der folgenden Gegenstände nach Wahl anfertigen.
a „Schloß zu einer Hausthür, Geldkiste oder einem Schranke;
b. Plätteisen mit zwei vertieften Boden;
c. Feuerzange mit zweifachem Doppelscharnier“.
Meisterstück für Schmiede:
„Ein Breitbeil für Zimmerleute, und ein desgleichen für Rademacher, ein Hufeisen.“
Durch die Bekanntmachung über die ab 1839 vorgeschriebenen Meisterstücke wurden also auch die Statuten des Schmiedeamtes, wie es bei ihrer Genehmigung vorbehalten worden war, abgeändert. Außer Kraft gesetzt wurde mit dieser Bekanntmachung auch jene Bestimmung des Statuts, die Strafen für festgestellte Mängel am Meisterstück vorsah. Bekräftigt wurde in dieser Bekanntmachung schließlich auch das Verbot der Bewirtung auf Kosten des angehenden Meisters, wie es früher bei einigen Gilden gefordert wurde. Zunftmeister, die sich bewirten ließen, mußten eine Strafe von 10 Reichstalern entrichten.
Weitere Änderungen der Amtsartikel erfolgten durch die 1847 für das Königreich Hannover erlassene Gewerbeordnung.
Die Bestimmungen – ebenfalls für 37 Berufe erlassen – über die Anfertigung eines Probestückes vor der Lossprache eines Lehrlings gemäß der zweiten Bekanntmachung der Landdrostei Stade sahen für die Schmiedelehrlinge folgendes vor:
Probestück für die Schlosser:
„Ein gewöhnliches Schloß zu einer Stubenthür zu verfertigen“.
Probestück für die Schmiede:
„Ein Hufeisen mit den erforderlichen Hufnägeln zu verfertigen.“
Von der Anfertigung des Probestückes konnte kein Lehrling befreit werden. Das für das Probestück notwendige Material mußte der Lehrherr dem Lehrling liefern oder verschaffen, wenn der Besteller des Probestückes das Material lieferte. Der Lehrherr hatte auch das notwendige Handwerkszeug zu stellen und für die notwendige Handreichung zu sorgen. In der Regel mußte das Probestück bei einem Vorsteher der Zunft oder einem Zunftmeister gefertigt werden; dieser Zunftmeister durfte nicht der Lehrherr sein. Nur in Ausnahmefällen durfte die Anfertigung beim Lehrherrn erfolgen, für die Aufsicht mußte dann ein anderer Meister herangezogen werden.
Der Obrigkeit oder dem Amtspatron wurde aufgegeben, den Prüfmeister zu bestellen; es konnte nur ein am Sitz der Zunft wohnhafter Meister sein.
Das Probestück mußte von den Vorstehern der Zunft oder von mindestens drei Meistern, die von der Obrigkeit oder dem Amtspatron dazu aufgefordert wurden, geprüft werden. Es mußte ein Deputierter der Obrigkeit anwesend sein. Auch der Lehrherr durfte zugegen sein, jedoch nicht bei der Bewertung des Stückes mitstimmen. Dem Lehrling durften weder aus der Anfertigung der Gesellenarbeit noch aus der Prüfung Kosten entstehen.
Genügte das Probestück nicht, mußte der Lehrling die Lehre beim Lehrherrn fortsetzen; das mußte durch den Lehrherrn unentgeltlich erfolgen. Mit Zustimmung der Obrigkeit und der Zunftvorsteher konnte der Lehrling auch zu einem anderen Meister in die Lehre gegeben werden, wenn zum Beispiel der bisherige Lehrherr die Ausbildung vernachlässigt hatte.
Zwischen der Ablehnung des Probestückes und einer erneuten Zulassung des Lehrlings mußten mindestens 6 Monate liegen.
Die Dauer der Lehrzeit wurde in der Bekanntmachung nicht geregelt.
Anmerkungen: Viele der zitierten Bestimmungen des dargestellten Prüfungsverfahrens sind heute selbstverständlich. In damaliger Zeit bedeuteten sie eine große Neuerung und auch einen Fortschritt, weil der Abschluß der Lehre in einer Prüfung durch ausreichende handwerkliche Fähigkeiten nachgewiesen werden mußte. In den Jahrhunderten vorher war das anders, Gesellenprüfung und Gesellenstück waren unbekannt. „Dem Lehrmeister“, so Wilhelm Wernet, „oblag die volle Verantwortung dafür, daß er seinen Lehrling erst dann bei den Zunftältesten zur Freigabe meldete, wenn er das Lehrziel erreicht hatte.“22) Die Lehrzeit schwankte zwischen drei und sieben Jahren.23)
Die von der Landdrostei angeordnete Anfertigung eines Probestückes entfiel, als durch die Gewerbeordnung des Jahres 1847 die Gesellenprüfung eingeführt wurde.24) Sie beschränkte sich im wesentlichen auch auf die Anfertigung eines Probestückes, das nun Gesellenstück hieß.25)
Herrn Helmut Stolberg, Horneburg, verdanke ich die Kopie eines vom Horneburger Schmiedeamt ausgestellten Lehrbriefes mit folgendem Text:
Lehr-Brief
Wir geschworenen Zunftmeister und Vorsteher des ehrbaren Amts der Schmiede & Schlösser in dem Flecken Horneburg bezeugen hiermit öffentlich, daß Vorzeiger dieses Namens Friedrich Schulz gebürtig aus Horneburg bei unserem Mitmeister Georg Schulz zu Horneburg die Schmiede Profession 4 Jahre zünftig erlernt hat, und nach abgelegter Probe-Arbeit heute vor offener Lade zum Gesellen los gesprochen ist, wo selbiger sich während seiner Lehrzeit, ehrlich treu und fleißig betragen hat.
Es gehet demnach an alle und jede, bei denen dieses unser Zeugniß nöthig sein möchte, unser dienstfreundliches Ersuchen obengenannten Friedrich Schulz in seinem Vorhaben allen guten Willen und Beistand wiederfahren zu lassen und erkennen uns bei ähnlichen Fällen ein Gleiches zu erwiedern, als pflichtschuldigst verbunden.
Zur Beglaubigung dieser der Wahrheit gemäßen Urkunde haben wir diesen Lehrbrief mit eigenhändiger Unterschrift und mit unserem Amtssiegel bekräftigt.
So geschehen Horneburg den 24sten April, 1855
Johann Martens Wohrader
Hinrich Glüsen Amtsgehilfe
Zunftmeister Obmann
(Siegel) (Siegel) „
Anmerkungen: Die Lossprache des Gesellen Friedrich Schulz erfolgte, wie der Lehrbrief sagt, bei „offener Lade“. In einer Innungslade wurden Archiv, Kasse und Siegel aufbewahrt. Eine geöffnete Lade war im alten Handwerk das Symbol einer feierlichen Versammlung, und „das Gesetz war dann gleichsam persönlich gegenwärtig und forderte Achtung.“26)
VI Abschließende Bemerkungen zu den Amtsartikeln
Die Regierung in Stade und das Horneburger Gericht haben auch allen von den Horneburger Schmieden begehrten Bestimmungen ihre Zustimmung versagt, die eine Zuständigkeit des Amtes für Streitigkeiten unter seinen Angehörigen begründen sollten. Genannt werden u.a. der Gebrauch von „Scheltwörtern“ und die Abwerbung von Gesellen. Regelungen, wie sie aus den Innungen nach dem Handwerksgesetz des Jahres 1897 bekannt sind, oder gar eine Ehrengerichtsbarkeit, wie es sie auch zeitweilig in unserem Jahrhundert gab, gab es in den Amtsartikeln nicht.
Die Regierung und das Horneburger Gericht haben auch nicht – wie gewünscht – Vorschriften über die Ausübung des Gewerbes in die Amtsartikel aufgenommen. Ausdrücklich wollten die Antragsteller nämlich festgeschrieben wissen, daß niemand Nachschlüssel anfertigen sollte, die in Blei oder Wachs gedrückt waren. Sie wünschten auch, daß die Anfertigung von Geschmeiden oder Daumenschrauben unterblieb. Nach dem Willen der Antragsteller sollten diese Arbeiten den Amtsangehörigen alle Jahre auf der ersten Morgensprache erneut verboten werden.
Wie lange das Amt der Horneburger Schmiede bestanden hat, konnte nicht ermittelt werden. Einschneidend für dieses Amt war jedoch die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes aus dem Jahre 1869, die 1871 auf das gesamte Reichsgebiet ausgedehnt wurde.27) Sie bestimmte in dem berühmt gewordenen §1: „Der Betrieb eines Gewerbes ist Jedermann gestattet, soweit nicht durch dies Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben sind.“ Das Gesetz berücksichtigte nicht die von der ersten Handwerkerbewegung entwickelte Handwerks- und Gewerbeordnung, die 1848 der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche eingereicht worden war.28) Die Gewerbeordnung löste allerdings die Innungen nicht auf. Es konnten in der Folgezeit auch neue Innungen gegründet werden. Ihr Zweck sollte in der „Förderung der gewerblichen Interessen“ bestehen.29)
Die negativen Auswirkungen der Gewerbeordnung, besonders in der Berufsausbildung, führten zum „Reichsgesetz, betreffend die Änderung der Gewerbeordnung v. 26. Juli 1897“, des sogenannten Handwerksgesetzes.30) Nach diesem Gesetz gab es zwei Innungstypen: Die Freie Fachinnung und die Zwangsinnung. Im damaligen Kreise konstituierte sich am 16. Juli 1900 die „Schmiede Innung zu Stade“, eine Freie Fachinnung. Aus Horneburg gehörte ihr bei Gründung J.H. Bösch an.31)
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Quellen:
- ) Niedersächsisches Staatsarchiv Stade Rep. 80 G Bd. I Tit. 72 No.6
- ) Wernet, Wilhelm: Kurzgefaßte Geschichte des Handwerks in Deutschland
erweiterte Auflage Dortmund 1956 S.82-83 - ) Freie Baugewerks=Innung Bauhütte zu Stade Hrsg.:
Festschrift zur Feier des 250jähr. Bestehens der Freien Baugewerks=Innung Bauhütte zu Stade,
Stade 1913 S.12
Künftig zitiert als: Festschrift der Freien Baugewerks=Innung Stade a.a.O. - ) Gesetz=Sammlung für das Königreich Hannover Jahrgang 1847
I. Abtheilung No.46 Gewerbeordung v.1sten August 1847 S.215-257
Künftig zitiert als: Gewerbeordnung Hannover 1847 a.a.O. - ) Rau, Carl Heinrich: Versuch einer Beantwortung der Preisfrage „Wie können die Nachtheile,
welche nach Aufhebung der Zünfte entstehen, verhütet werden?“ In. Hm 1815, Sp.1-142
Zitiert bei: Oberschelp Heinrich: Niedersachsen 1760-1820 Wirtschaft,
Gesellschaft, Kultur im Land Hannover und Nachbargebieten
Band 1 Hildesheim 1982 S. 153-154 - ) Ebenda
- ) Hubatsch, Walther (Hrsg.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1845
Reihe A: Preußen Band 10:
Hannover Bearbeitet von Iselin Gundermann und Walther Hubatsch Marburg (Lahn) 1981 S.81 - ) Oberschelp, Reinhard: Niedersachsen 1760-1820 Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur im Land Hannover und Nachbargebieten Band 1 Hildesheim 1982 S.7
- ) Wernet, Wilhelm: Kurzgefaßte Geschichte des Handwerks in Deutschland a.a.O. S.113
- ) Ebenda
- ) Wernet, Karl Friedrich: Handwerksgeschichtliche Perspektiven Forschungsberichte aus dem Handwerk Band 10 Münster Westfalen 1963 S.55-56
- ) Zur Feuersicherheit vgl.: Meyn, Wilhelm: 700 Jahre Horneburg 1256-1956
Hrsg.: Flecken Horneburg
Bereits 1693 hatten die Burgmänner eine Feuerordnung erlassen (S. 54).
Die Überwachung der Feuersicherheit lag in Händen des Burggerichtes, dessen Bedienstete dabei von der Regierung erlassene Vorschriften zu beachten hatten (S. 42-43). - ) Wernet, Karl Friedrich: Handwerksgeschichtliche Perspektiven a.a.O S.55-56
- ) Ebenda: S.49
- ) Ebenda: S.56
- ) Staatsarchiv Stade: Rep. 80 G Bd.I Tit.46 No.6 und Intelligenz=Blatt für die
Herzogthümer Bremen und Verden Stade Jg.1820 S.656 Künftig zitiert als: Intelligenzblatt - ) Gewerbeordnung Hannover 1847 a.a.O.
- ) Intelligenz=Blatt Jg. 1820 S. 89
- ) Staatsarchiv Stade: Rep. 80 G Bd.I Tit. 46 No.2
- ) Gesetz=Sammlung für das Königreich Hannover Jg.1839 III. Abtheilung No.3 (11.)
Bekanntmachung der Königlichen Landdrostei zu Stade, die Meisterstücke
der Handwerker betreffend S.12-15 - ) Ebenda: (12.) Bekanntmachung der Königlichen Landdrostei zu Stade,
die Handwerkslehrlinge betreffend S.15-19 - ) Wernet, Wilhelm: Kurzgefaßte Geschichte des Handwerks in Deutschland a.a.O. S.81
- ) Ebenda S.80
- ) Gewerbeordnung Hannover 1847 §127
- ) Gesetz=Sammlung für das Königreich Hannover Jahrgang 1847
I. Abtheilung No.59 (61.) Bekanntmachung zum Vollzug der Gewerbeordnung
vom 15ten October 1847 § 58 - ) Festschrift der Freien Baugewerks=Innung Stade a.a.O. S.6
- ) Wernet, Wilhelm: Kurzgefaßte Geschichte des Handwerks in Deutschland a.a.O. S.166
- ) Ebenda S.163 ff
- ) Wernet, Wilhelm. Handwerkspolitik Göttingen 1952 S.72
- ) Reichs=Gesetzblatt 1897 S.663-706
- ) Staatsarchiv Stade: Rep. 80 G Bd. I Tit.90 Nr.16
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