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Die Roß-Lohmühle des Horneburger Lohgerbers

Johann Georg Clemens Weizker

 

von Dr. Hans-Georg Augustin
Herausgegeben: Dezember 1998
Quellen und kleine Beiträge Nr.: 5

 

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Im Juni des Jahres 1798 wurde Johann Christoffer Steffens, Betreiber einer Korn- und Lohmühle nach Meierrecht in Deinste, mit einer schriftlichen Eingabe bei der Königlichen Regierung in Stade vorstellig.1)

Steffens gab der Regierung zur Kenntnis, daß der Horneburger Lohgerber Weizker2) im Begriff stehe, eine durch Pferde getriebene Lohmühle, also eine Roßmühle, anzulegen. Nach der Eingabe des Deinster Müllers hatte Weizker bereits alle Materialien angeschafft und den Bau soweit vorangetrieben, daß innerhalb von 14 Tagen mit dem Mahlen begonnen werden konnte. Dieses Vorhaben wollte Steffens verhindern und beantragte, „dem Imploraten (= Antragsgegner, der Verf.) anzubefehlen“, den Bau einzustellen oder – falls er schon fertig sein sollte – ihm den Gebrauch zu untersagen.

Die Motive des Imploranten (= Beschwerdeführer, der Verf.) Steffens für seinen Antrag entsprangen seinem Eigeninteresse. Seine eigene Lohmühle verschaffe ihm, so führte er aus, „einen nicht unbeträchtlichen Theil meiner Nahrung“, und den wollte er sich erhalten. Er befürchtete nicht nur den Verlust seiner bisherigen Horneburger, sondern auch den Verlust seiner Buxtehuder Kunden. Die Buxtehuder Kunden, so argumentierte er, würden wahrscheinlich wegen der geringeren Entfernung nach Horneburg von ihm abwandern, weil die Transportkosten geringer seien. Hinzu kam bei Steffens die Besorgnis, daß Weizker kostengünstiger mahlen könne, da er keinen Meierzins zu entrichten habe und ganz „für eigene Rechnung“ arbeiten könne.

Anmerkungen: Es ist keineswegs richtig, die Frage, welcher der beiden Lohmüller kostengünstiger mahlen konnte, an Hand nur einer Kostenart – hier der Meierzins – zu beantworten. Dazu bedarf es detailierter Kostenrechnungen, die damals in Handwerksbetrieben gar nicht oder kaum vorgenommen wurden.

Was den Horneburger Kundenkreis, den Steffens erwähnt, anbelangt, gab es 1795,

also drei Jahre vorher, nach einem Bericht des Predigers Rotermund in Horneburg 3 Lohgerber und 24 Schuhmacher, von denen viele auch ihr Leder selbst gerbten.3) Sie benötigten daher ebenfalls Lohe.

Sodann führte Steffens aus, daß eine Roßmühle, wie sie Weizker bauen wollte, im Vergleich zu seiner Mühle – es war eine Wassermühle – keineswegs eine bedeutend geringere Kapazität habe. Die Steine beider Mühlenarten waren nämlich gleich groß.

Am Schluß seiner Eingabe wurde das Anliegen des Deinster Müllers deutlich. Im Interesse seiner eigenen „Nahrung“ hielt er die Existenz von zwei Lohmühlen in der geringen Entfernung Deinste-Horneburg für unmöglich und vergaß nicht den Hinweis, daß auch das Königliche Interesse leide, wenn Weizker sein Vorhaben verwirklichen könne. Steffens wollte in seinem bisherigen Absatzgebiet als alleiniger Anbieter von Lohe sämtlichen in diesem Gebiet ansässigen Lohgerbern, die in Konkurrenz standen, gegenüberstehen.

Anmerkungen: Steffens strebte offenbar, wie seine Ausführungen zeigen, für sein Absatzgebiet die Marktform eines Angebotsmonopols an.4) Einen derartigen Versuch hatte er bereits im Jahre 1794 unternommen. Das ist einer Eingabe zu entnehmen, mit der Steffens im Jahre 18OO bei der Stader Regierung gegen die Einrichtung eines Lohmahlganges durch den Horneburger Müller Friedrich Prohme opponierte. Prohme betrieb eine Kornmühle mit Wasserkraft. In jenem genannten Jahre 1794 hatte Steffens der Regierung in Stade und der Königlichen Kammer in Hannover seinen „sehnlichsten Wunsch vorgetragen, daß mir die huldreiche Versicherung ertheilt werden möchte, daß in einem Bezirk von 3 Meilen keine Lohgärber Mühle in Rücksicht der Meinigen angelegt würde.“5) Dieser Wunsch wurde Steffens damals nicht erfüllt. Er kündigte daher an, daß er bei allen zukünftigen Anträgen auf Konzessionierung von Lohmühlen, seine „Gründe“, wie er sich ausdrückte, in der Hoffnung vortragen werde, daß sie „mit in Landesväterliche Erwägung“ gezogen würden. Diese Ankündigung verwirklichte er in Horneburg in den bislang erwähnten Fällen Weizker und Prohme. Er wiederholte sie 1808, als H.D.von Holleuffer, Gut Daudieck bei Horneburg, eine Lohmühle bauen wollte.

Im übrigen bezeichnete Steffens das Vorhaben Weizkers als eigenmächtig. Nach den vorhandenen Akten trifft das in dem Sinne zu, daß Weizker keine Konzession für die von ihm geplante Mühle beantragt hatte.

Die Regierung in Stade leitete die Eingabe von Steffens am 29. Juni 1798 den Horneburger Burgmännern zu und untersagte den Bau der Lohmühle beziehungsweise ihren Gebrauch für den Fall, daß sie schon fertig sein sollte. Als Strafe der Mißachtung dieser Anordnung wurde der Abbruch angedroht. Seitens der Regierung wurden für diese Entscheidung folgende Gründe genannt: Erstens verwies die Regierung darauf, daß Weizker für den Bau einer Mühle keine Konzession hatte. Zweitens, so die Regierung, sei der Implorant Steffens in der Lage, „die dortige Gegend genügsam mit Lohe zu versorgen.“

Der Lohgerber Weizker gab sich mit dieser Anordnung nicht zufrieden und erhob im Juli 1798 schriftlich bei der Regierung in Stade Gegenvorstellungen. Sein Versäumnis, eine Konzession zu beantragen, entschuldigte er einleitend damit, daß er zunächst ein Gutachten zu seinem Vorhaben eingeholt habe. Dieses Gutachten war positiv ausgefallen.

Zum Inhalt der Eingabe von Steffens nahm Weizker ausführlich Stellung. Seine Stellungnahme kann wie folgt zusammengefaßt werden:

Erstens erklärte er, könnten er und alle Lohgerber Klage darüber führen, daß es nicht mehrere und nähere Lohmühlen gebe. Nach seiner Darstellung waren besonders zur Winterzeit die Wege von Horneburg nach Deinste so schlecht, daß sie für leere und natürlich erst recht für beladene Wagen unpassierbar waren.

Weizker führte zweitens aus, ihm sei nicht bekannt gewesen, daß es in hiesiger Gegend keine zwei Lohmühlen geben dürfe. Ihm sei auch nicht bekannt gewesen, fuhr er fort, daß Lohmühlen von der Regierung zu genehmigen seien. Für diese Unkenntnis bat er um Entschuldigung.

Drittens erinnerte der Horneburger Lohgerber die Regierung daran, daß es früher in der Horneburger Gegend durchaus eine Lohmühle gegeben hatte und zwar im eine halbe Meile entfernten Dollern. Die Mühle war eingegangen und nach Niederochtenhausen verlegt. Aus dieser früher vorhandenen Dollerner Mühle leitete Weizker ab, daß Steffens kein begründetes Recht habe, der Anlegung einer Lohmühle in Horneburg zu widersprechen, am wenigsten dem Bau einer Roßmühle. Auch die Steffens einmal erteilte Konzession begründete nach Weizkers Auffassung kein Recht, ihn vor einer Lohmühle in einer gewissen Entfernung zu schützen.

Viertens erklärte Weizker, er werde zum Bau einer Lohmühle gezwungen. Der Zwang ergab sich für ihn vor allem aus dem Mangel an Lohe während der Winterzeit. Bei ausreichender Versorgung, so schrieb er, „würde es mir nie eingefallen sein, diesen Bau vorzunehmen.“ Weizker gab noch den Hinweis, daß aus Mangel an Lohe manches Stück Leder verderbe. Durch den Bau einer Mühle in Horneburg oder Umgebung erhoffte er sich auch die Einsparung so „manchen Thalers“ an Reisekosten und Mahlgeldern. Hierbei verwies er auf die Eingabe von Steffens, der gerade ein Abwandern von Teilen seiner Kunden wegen ihrer Nähe zur geplanten Mühle von Weizker, wodurch Transportkosten gespart wurden, befürchtete. Weizker erkannte auch, daß Steffens ein Monopol, ohne freilich diesen Begriff zu benutzen, anstrebte. Zu Recht meinte er, daß die Existenz einer Lohmühle in Horneburg ein Gegengewicht gegen derartige Absichten bilde, „da alsdann“, wie er schrieb, „es nicht in des einzigen Lohmüllers Wilkühr bleibt, nach seinem Gefallen und Gutdünken die Mahlgelder zu bestimmen, die vorhandene Lohe aufzukaufen, und mit nicht geringem Vorteil an uns Lohgerber abzusetzen.“

Anmerkungen: Verkauf mit Vorteil oder Gewinn – wie der heutige Begriff heißt – ist nicht zu beanstanden, wenn er durch Leistung im Wettbewerb erzielt wird. Gewinn wollte und mußte sicherlich auch Weizker zur Sicherung seiner Selbständigkeit mit seinen Produkten erzielen. Kritik verdient allein der Monopolgewinn, den Weizker mit seiner Bemerkung offensichtlich meinte.

Fünftens nahm Weizker zum vom Deinster Lohmüller zu entrichtenden Meierzins Stellung und gab zu bedenken, daß Steffens die ihm obliegenden Leistungen (im Text: praestanda) immer erfüllt habe, obwohl es in Ochtenhausen und Dollern Lohmühlen gab. Bei deren Bau hatte Steffens keine Bedenken unter Berufung auf den von ihm zu zahlenden Meierzins erhoben.

Sechstens nahm Weizker eine Güterabwägung vor. Er schrieb, „das allgemeine Beste“ werde durch den Bau einer Lohmühle in Horneburg oder seiner Umgebung gewinnen und das private Interesse von Steffens müsse demgegenüber zurücktreten. Er machte in diesem Zusammenhang selbst darauf aufmerksam, daß er nur eine Lohmühle anlegen wolle, weil die Anlage in Dollern eingegangen sei. Offenbar wollte er – nach heutigem Sprachgebrauch – eine Marktlücke füllen. Im übrigen war es für Weizker fraglich, ob der „Implorant wirklich auf einen Lohgang bemeyert“ sei.

Zum Schlusse seiner Gegenvorstellungen versicherte Weizker, daß die Horneburger Burgmänner, falls sie zum Bericht aufgefordert würden, die Wahrheit bezeugen könnten. Er bat, den Befehl zum Abbruch aufzuheben, notfalls die Burgmänner zu hören, ihm die Konzession zu erteilen und Steffens alle Kosten, die ihm, Weizker, entstanden seien, aufzuerlegen.

Die Gegenvorstellungen Weizkers hatten Erfolg. Am 14. Juli 1798 wurde sie von der Stader Regierung der Königlichen Kammer in Hannover mit der Bitte um Stellungnahme vorgelegt. In ihrem Begleitschreiben bestätigte die Regierung zunächst ihr Verbot der Anlage, stellte jedoch nun Überlegungen zu ihrer Genehmigung an, nachdem Weizker „geziemend“ um die Erteilung einer Konzession nachgesucht hatte. Die Regierung hielt die von Weizker in seiner Gegenvorstellung aufgeführten Gründe für „erheblich“. Zunächst erkannte sie an, daß es für Horneburger und Buxtehuder Lohgerber beschwerlich sei, besonders zur Winterzeit, die von ihnen benötigte Lohe von Deinste zu holen. Einleuchtend war für die Stader Regierung auch Weizkers Argument, daß der Deinster Lohmüller bei fehlenden Konkurrenten den Preis für Lohe oder Mahlgeld nach Willkür bestimmen könne. Seitens der Regierung wurde auch ein Widerspruchsrecht des Deinster Müllers gegen die Horneburger Anlage verneint, weil schon früher eine Lohmühle in Dollern bestanden hatte. Ausdrücklich bestätigte die Regierung die Verlegung dieser Mühle nach Niederochtenhausen.

Die Königliche Kammer gab ihre Stellungnahme am 20.12.1798 ab. Das Vorhaben des Lohgerbers Weizker, so formulierte sie, werde unstreitig zur „Beförderung des allgemeinen Besten“ dienen. Die Kammer ließ die Einwendungen von Steffens unbeachtet und hatte gegen Weizkers Vorhaben nichts zu „erinnern“. Wegen der von ihm zu übernehmenden Recognition (= jährliche Abgabe, d. Verf.) sollte er sich an die Königliche Kammer wenden.

Anmerkungen: Die Äußerung der Königlichen Kammer hat nur den Charakter einer Stellungnahme oder Gutachtens. Zuständig für die Erteilung der Konzession von Mühlen war die Regierung in Stade. Sie beanspruchte dieses Recht seit dem 17. Jahrhundert und korrespondierte damals darüber auch mit den oberen Behörden in Hannover. Zur Zeit des Antrages Weizker war – wie gesagt – Stade die zuständige Stelle für die Erteilung der Konzession, während die Königliche Kammer für die Festsetzung der Recognition zuständig war.6) Offenbar hielt es die Regierung jedoch für ratsam, sich höheren Ortes abzusichern. Immerhin hatte Steffens bekanntlich darauf verwiesen, daß durch Erteilung einer Konzession an Weizker das „Königliche Interesse“ leide.

Die Stader Regierung erteilte die Konzession am 18.1.1799 „Namens Seiner Königlichen Majestät und Churfürstlichen Durchlauchtigkeit, unseres allergnädigsten Herrn.“ Weizker durfte die Mühle sowohl für den eigenen als auch für den Bedarf anderer nutzen. Er wurde angewiesen, sich wegen der Höhe der Recognitionsgelder an die Königliche Kammer zu wenden.

Anmerkungen: Die Stader Regierung wollte kein Monopol für Steffens und ließ daher einen Konkurrenten, Weizker in Hornebuerg, zu. Keineswegs kann daraus jedoch ein Bekenntnis dieser Behörde zum Wettbewerb abgeleitet werden. Im Jahre 18OO, also wenige Jahre nach Genehmigung des Antrages Weizker, versagte sie dem bereits oben genannten Horneburger Müller Prohme die von ihm beantragte Konzession auf einen Mahlgang für Lohe. Der Einspruch von Steffens hatte hier offenbar Erfolg gehabt. Allerdings gab die Regierung in Stade auch die dem Lohgerber Weizker genehmigte Mühle als Ablehnungsgrund an. Sie wollte also weder ein Monopol noch vollkommene Konkurrenz im heutigen Sinne. Offenbar verfolgte sie nach einmal erteilten Konzessionen für Mühlen auch deren Bestandsschutz.

Der gesamte Vorgang ist ein Beispiel dafür, wie zu Beginn des vorigen Jahrhunderts der Staat in dem Glauben und der Überzeugung, das bessere Wissen zu haben, die Wirtschaft lenkte und so das „gemeine Beste“ zu fördern versuchte.

Eine Stellungnahme der Horneburger Burgmänner im Verfahren zur Erteilung der Konzession an Weizker ist in den Akten nicht enthalten. Wohl aber gibt es eine Äußerung der Burgmänner zur Mühle von Weizker aus dem Jahre 18O8. Damals beabsichtigte, wie bereits erwähnt, H.D.v. Holleuffer, Besitzer des Gutes Daudieck bei Horneburg, eine Öl- und Lohmühle zu bauen. Wiederum opponierte Steffens. In ihrer Stellungnahme zum Vorhaben des Daudiecker Gutsbesitzers schrieben die Burgmänner an die Regierung in Stade, daß die Mühle von Weizker kein Hindernis für die Genehmigung einer Lohmühle auf Gut Daudieck sein könne. Nach ihren Ausführungen nutzte Weizker die Mühle seit „geraumer Zeit“ nicht mehr, auch nicht für seinen eigenen Bedarf als Lohgerber. Die Mühle war für ihn, nach ihren Worten, „unnütz“ und eine „lästige Vorrichtung“, die er zum Verkauf angeboten hatte.7)

Gründe für diese Wertung sind den Akten nicht zu entnehmen. Es können daher nur Vermutungen oder mehr oder weniger theoretische Überlegungen geäußert werden. Weizker hatte seine Entscheidung nach seiner Einschätzung der Marktlage im Gebiet von Horneburg und Buxtehude des Jahres 1798 gefällt. Diese Lage beurteilte Steffens hingegen jahrelang negativ, besonders in seinem Schreiben an die Stader Regierung, in dem er sich gegen die Erteilung einer Konzession an Prohme aussprach. Steffens äußerte seine pessimistische Auffassung erneut im Jahre 18O8 als von Holleuffer auf Gut Daudieck eine Lohmühle errichten wollte. Von Holleuffer war optimistisch, weil er hoffte, auch für Hamburger Lohgerber mahlen zu können. Das wurde von den Horneburger Burgmännern als Mittel zur Belebung des Ortes angesehen. Dessen frühere Wohlhabenheit war ein Opfer der Kriegszeiten geworden, der Ort war nach den Worten der Burgmänner heruntergekommen.8)

Ein gebürtiger Horneburger, Wilhelm Meyn, hat die verschiedenen Besetzungen Horneburgs während der Napoleonischen Kriege seit dem Jahre 1803 in seiner Festschrift zum 700jähigen Bestehen des Fleckens geschildert.9) Es kann also durchaus sein, daß die Kriegszeiten die Erwartungen Weizkers zunichte gemacht und auch das Urteil von Steffens geprägt haben.

In der Nachkriegszeit muß eine Besserung eingetreten sein. Denn für das Jahr 1832 vermutet nämlich Kleeberg im Königreich Hannover einen großen Bedarf an Gerberlohe. Er kommt zu diesem Urteil, weil es damals im Königreich noch 3O2 Lohgerber gab und auch – wie oben bereits gesagt – Schuhmacher selbst gerbten.10)

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, daß Lederfabriken erst allmählich aufkamen als Folge der Bedürfnisse des Militärs, der Einführung des Treibriemens und des Ersatzes von Holz-, Stoff- und Filzschuhen durch Lederschuhe aus billigem Material. Sie können ebensowenig wie die Gerbertechnik Ursache dafür gewesen sein, daß Weizker den Bau seiner Mühle bereute. Die Lohgerberei aus Eichenrinde war noch bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vorherrschend. Erst mit dem Vordringen der Extractgerberei, der Gipsgerberei und dem Aufkommen der Lederspaltmaschine begann der Niedergang der Handwerklichen Gerberei.11)

Zu nennen ist bei unseren Vermutungen auch eine Frage, die heute unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht nur in der Industrie, sondern auch im Handwerk immer wieder diskutiert und entschieden werden muß. Sie lautet: Inwieweit ist es für einen Unternehmer sinnvoll und wirtschaftlich richtig, seine Aufmerksamkeit nicht nur der Fertigung und dem Absatzes seines Produktes zu widmen, sondern auch noch selbst die benötigten Rohstoffe, Fertigungsmaterialien oder Roh- und Betriebstoffe herzustellen? Betriebswirtschaftliche Methoden zur Entscheidung dieser Probleme der Fertigungstiefe standen 1798 kaum zur Verfügung. Weizker könnte also auch durch seine tatsächlich gesammelten Erfahrungen mit einer Kombination von Lohgerberei und Lohmüllerei zur Stillegung seiner Mühle gezwungen worden sein.

Zu denken ist schließlich auch an ausschließlich persönliche Gründe.

Das alles sind, wie gesagt, mögliche Ursachen, keineswegs gesicherte Erkenntnisse.

Der Beruf des Lohgerbers war in der Familie Weizker sehr verbreitet, wie ihre Familienchronik berichtet. Herrn Helmut Stolberg, Horneburg, in dessen Besitz sich diese Chronik befindet, gebührt Dank dafür, daß er dem Verfasser Einsicht gewährte. Nach dieser Chronik wurde Johann Georg Clemens Weizker am 5.3.1753 in Horneburg geboren und starb am 9. Dezember 1827. Er war seit 1781 mit Christine Kahrs, Tochter eines Gastwirtes aus Stade, verheiratet. Sein Vater Clemens und auch sein Großvater waren ebenfalls Lohgerber und zwar in Schleiz. Aus diesem Orte kam der Vater 1752 nach Horneburg und heiratete Anna Sophie Fickhardt, Witwe eines Lohgerbers.

Johannn Georg Clemens Weizker und Ehefrau Christine hatten 11 Kinder, 6 Töchter und 5 Söhne. Drei der Söhne, zwei Enkel und ein Urenkel waren ebenfalls Lohgerber. In der Familienchronik wird die hier behandelte Lohmühle nicht erwähnt.

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Quellen:

  1. Staatsarchiv Stade: Rep. 80 G Bd.II Tit. 266 No.4
  2. Für den Namen wurde die Schreibweise in den Akten des Staatsarchivs Stade benutzt. Dem Verfasser ist aus Einsichtnahme in Anschriftenverzeichnisse die Schreibweise: Weisker bekannt. In der Familienchronik findet sich die Schreibweise mit zwei s, wobei das erste ein langes ist.
  3. Rotermund, Heinrich Wilhelm: Historisch=statistische Beschreibung des Burgfleckens Horneburg im Herzogthum Bremen In: Analen der Braunschweig=Lüneburgischen Churlande Neunter Jahrgang Erstes Stück Hannover 1795 S.243
  4. Der an Markformen interessierte Leser sei verwiesen auf: Eucken Walter: Die Grundlagen der Nationalökonomie Siebente Auflage Berlin Göttingen Heidelberg 1959 S.91 ff
  5. Staatsarchiv Stade: Rep. 80 G Bd.II Tit. 266 No.5
  6. Kleeberg, Wilhelm: Niedersächsische Mühlengeschichte Detmold 1964 S.261
  7. Staatsarchiv Stade: Rep. 80 G Bd.II Tit. 266 No.6
  8. Ebenda
  9. Meyn, Wilhelm: Aus Horneburgs Vergangenheit In: 700 Jahre Horneburg 1256-1956 Hrsg.: Flecken Horneburg S.34 ff
  10. Kleeberg, Wilhelm: Niedersächsische Mühlengeschichte a.a.O. S.19
  11. Wernet, Karl-Friedrich: Handwerksgeschichtliche Perspektiven Forschungsberichte aus dem Handwerk Band 10 Münster Westfalen S. 155

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